hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 156

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 2032/19, Beschluss v. 14.01.2021, HRRS 2021 Nr. 156


BVerfG 2 BvR 2032/19 (1. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 14. Januar 2021 (LG Landau in der Pfalz / AG Landau in der Pfalz - Zweigstelle Bad Bergzabern)

Fortdauer der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (Freiheitsgrundrecht; Gebot bestmöglicher Sachaufklärung; externer Sachverständiger; Verbot der Bestellung eines in der Unterbringungseinrichtung tätigen Sachverständigen; Anwendbarkeit bei Beschäftigung in derselben übergeordneten betrieblichen Einheit); Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde (Feststellungsinteresse nach prozessualer Überholung einer Fortdauerentscheidung; tiefgreifender Grundrechtseingriff).

Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG; § 63 StGB; § 67e StGB; § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das Verbot der Bestellung eines in der Unterbringungseinrichtung tätigen Sachverständigen (§ 463 Abs. 4 Satz 3 StPO) ist von Verfassungs wegen auch dann einschlägig, wenn der Arbeitsbereich des Sachverständigen und die die Unterbringung vollstreckende Abteilung des psychiatrischen Krankenhauses zu einer übergeordneten betrieblichen Einheit gehören, für die etwa ein gemeinsamer Krankenhausträger beziehungsweise eine gemeinsame Rechtsform mit gemeinsamer Leitungs- und Verwaltungsebene besteht.

2. Im Rahmen des verfassungsrechtlichen Gebots bestmöglicher Sachaufklärung sind die Vollstreckungsgerichte bei Prognoseentscheidungen über die Gefährlichkeit eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten in der Regel verpflichtet, einen erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Befindet sich der Untergebrachte seit langer Zeit in demselben psychiatrischen Krankenhaus, ist es in der Regel geboten, von Zeit zu Zeit einen anstaltsfremden („externen“) Sachverständigen hinzuzuziehen, um der Gefahr repetitiver Routinebeurteilungen vorzubeugen und um auszuschließen, dass Belange der Anstalt oder die Beziehung zwischen Untergebrachtem und Therapeuten das Gutachten beeinflussen.

3. Die verfassungsrechtliche Vorgabe einer regelmäßigen Begutachtung durch einen externen Sachverständigen wird durch die Vorschrift des § 463 Abs. 4 StPO konkretisiert und verfahrensrechtlich abgesichert. Die Einhaltung dieser formellen Vorschrift ist ein Verfassungsgebot. Das Bundesverfassungsgericht prüft nach, ob die Fachgerichte bei ihrer Anwendung Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts erkennen und ihm angemessen zur Wirkung verhelfen.

4. Das Feststellungsinteresse für die verfassungsgerichtliche Überprüfung einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus besteht angesichts des damit verbundenen tiefgreifenden Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht auch dann fort, wenn zwischenzeitlich eine weitere Fortdauerentscheidung ergangen ist.

Entscheidungstenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Landau in der Pfalz - Zweigstelle Bad Bergzabern - vom 29. August 2019 - 1 VRJs 3/16 - und der Beschluss des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 7. Oktober 2019 - 2 Qs 15/19 jug - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

Der Beschluss des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 7. Oktober 2019 - 2 Qs 15/19 jug - wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Kosten und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers an das Landgericht Landau in der Pfalz zurückverwiesen.

Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 10.000 (in Worten: zehntausend) Euro festgesetzt.

Gründe

A.

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus.

I.

1. Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Landgerichts Freiburg - Jugendkammer - vom 4. Februar 2016 des sexuellen Missbrauchs eines Kindes, des Missbrauchs von Notrufen und der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten in Tateinheit mit Missbrauch von Notrufen und mit Vortäuschen einer Straftat schuldig gesprochen; einbezogen wurde ein Urteil des Amtsgerichts Titisee-Neustadt vom 26. Juni 2014, durch das dem Beschwerdeführer wegen Beleidigung und Diebstahl in vier Fällen, davon in einem Fall in vier tateinheitlichen Fällen und in einem Fall in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, die Ableistung gemeinnütziger, unentgeltlicher Tätigkeit auferlegt worden war. Die Jugendkammer ordnete seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wobei sie von der Verhängung einer Jugendstrafe absah.

a) Der Verurteilung durch das Landgericht Freiburg lag zugrunde, dass der zum Tatzeitraum jugendliche Beschwerdeführer am 10. April 2015 einem auf seinem Schoß sitzenden sechsjährigen Mädchen mindestens einen Finger kurzzeitig in die Scheide eingeführt hatte. Außerdem hatte er in zwei Fällen über Notrufnummern polizeiliche Dienststellen angerufen, wobei er am 2. März 2015 wider besseren Wissens einen Suizid sowie am 28. Mai 2015 bewusst wahrheitswidrig einen Sprengstoffanschlag durch Dritte angekündigt und hierdurch jeweils Polizeieinsätze ausgelöst hatte. Das Landgericht Freiburg stellte beim Beschwerdeführer eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB fest, da er seit Jahren an einer schweren hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens leide. Wegen ihres progredienten Verlaufes seien ohne eine Behandlung weitere den Anlassstraftaten vergleichbare Taten mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades zu erwarten.

b) Der Beschwerdeführer war gemäß § 126a StPO ab dem 15. Oktober 2015 zunächst einstweilig untergebracht. Seit dem 12. Februar 2016 wird die angeordnete Maßregel in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des P. Klinikums in K. vollstreckt; dort befindet sich der Beschwerdeführer seit dem 31. März 2016 mit kurzzeitigen Unterbrechungen auf der geschlossenen sozialtherapeutischen Station.

2. a) Zur Vorbereitung der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung hörte das Amtsgericht den Beschwerdeführer am 8. Februar 2019 in Gegenwart seines Pflichtverteidigers persönlich an. Dabei stellte es fest, dass das nach § 463 Abs. 4 Satz 2 StPO erforderliche externe Sachverständigengutachten bislang nicht in Auftrag gegeben worden war. Gegen die Beauftragung des vom Jugendvollstreckungsleiter in Aussicht genommenen Sachverständigen Dr. W. äußerten der Beschwerdeführer und sein Pflichtverteidiger auf Befragen keine Bedenken. Daraufhin stellte das Amtsgericht die Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung zurück und beauftragte Dr. W. als Sachverständigen mit der Begutachtung des Beschwerdeführers.

b) Mit Schriftsatz vom 17. März 2019 bat der Beschwerdeführer das Amtsgericht um Überprüfung des Gutachtenauftrags, da der Sachverständige unter anderem beim P.-Klinikum in K. beschäftigt und daher keine externe Begutachtung gegeben sei; ein Interessenkonflikt könne nicht ausgeschlossen werden. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2019 lehnte der Beschwerdeführer den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ab: Wegen seines Arbeitsverhältnisses mit der Unterbringungseinrichtung biete der Sachverständige ungeachtet des Umstands, dass er daneben eine eigene Praxis betreibe, nicht die nötige Gewähr für eine unabhängige externe Begutachtung; seine Bestellung widerspreche § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO. In einem weiteren Schreiben vom 21. August 2019 erklärte der Wahlverteidiger, dass der Beschwerdeführer die von ihm erteilte Einwilligung zur Beauftragung des Sachverständigen anfechte, da ihm zum Zeitpunkt ihrer Erteilung nicht bekannt gewesen sei, dass der Sachverständige für die ihn behandelnde Einrichtung arbeite.

3. Mit angegriffenem Beschluss vom 29. August 2019 ordnete das Amtsgericht Landau in der Pfalz - Zweigstelle Bad Bergzabern - erneut die Fortdauer der Unterbringung an.

a) Die Anfechtung des nach Erläuterung der beruflichen Stellung des Sachverständigen mündlich erklärten Einverständnisses mit der Gutachterbestellung sei rechtlich unerheblich. Das Einverständnis sei als Prozesserklärung bedingungsfeindlich und unterliege nicht den Anfechtungsregeln des Zivilrechts. Auch „in der Sache“ lägen die Voraussetzungen der Befangenheit des externen Sachverständigen nicht vor. Nach seinen Angaben arbeite er mit der Hälfte seiner Arbeitskraft als Angestellter des Klinikums für Forensische Psychiatrie des P.-Klinikums in K. Als Leiter der forensisch-psychiatrischen Ambulanz sei er weder für den stationären Sektor zuständig, noch stehe er in einem Arbeits- oder Unterstellungsverhältnis zur Jugendvollstreckungseinrichtung.

b) Sowohl die Vollzugsklinik als auch der Sachverständige gingen maßgeblich von einer dissozialen Persönlichkeitsstörung beim Beschwerdeführer aus. Dabei habe der Sachverständige ausgeführt, dass das beim Beschwerdeführer aktuell festzustellende psychiatrische Störungsbild den Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21, 63 StGB erreiche, die bereits bei Anordnung der Unterbringungsmaßnahme festgestellt worden sei. Soweit der Sachverständige nur eine Verdachtsdiagnose ausgesprochen habe, habe er dies damit begründet, dass wegen des noch jungen Alters des Beschwerdeführers noch nicht mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden könne, ob sich das rechtserhebliche Störungsbild dauerhaft verfestigt habe, und Letzteres im Maßregelvollzug therapeutisch positiv beeinflusst werden solle.

c) Die Voraussetzungen der Unterbringung lägen weiter vor. Bei Fortgeltung des psychiatrischen Störungsbildes sei der Beschwerdeführer nach übereinstimmender Einschätzung der Vollzugsklinik und des Sachverständigen für die Allgemeinheit nach wie vor derart gefährlich, dass eine Bewährungsaussetzung aktuell nicht in Betracht komme.

Die Vollzugsklinik und der Sachverständige stützten ihre Gefährlichkeitsprognose für künftige, den Anlassstraftaten vergleichbare Straftaten insbesondere für den Bereich von Sexualstraftaten, aber auch „gegebenenfalls“ für Brandstiftungsdelikte, auf den bisherigen Behandlungsverlauf. Insbesondere die trotz der engen disziplinarischen Vorgaben immer wieder gezeigten (verbal-)aggressiv-impulsiven und andere Personen herabsetzenden Verhaltensweisen müssten vor dem Hintergrund des begangenen Sexualdelikts als deliktstypisch und Ausdruck des psychiatrischen Störungsbildes angesehen werden.

Entsprechend den Ausführungen der Vollzugsklinik und des Sachverständigen müsse mit einem erhöhten Grad der Wahrscheinlichkeit von erheblichen rechtswidrigen Taten in Zukunft ausgegangen werden, insbesondere auch von Sexualdelikten, daneben allerdings auch von Brandlegungsdelikten. Bei diesen Delikten drohe die Gefahr, dass Personen erheblichen körperlichen und psychischen Schaden erlitten, so dass „zweifelsohne“ die Voraussetzungen der Fortdauer der Unterbringung nach § 63 StGB vorlägen. Alleine die positiv herauszuhebenden Erfolge im Rahmen eines Praktikums und auch die Zuverlässigkeit bei Einhaltung von Terminen führten keinesfalls zu einer abweichenden Gefahreneinschätzung.

4. Das Landgericht Landau in der Pfalz verwarf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde mit angegriffenem Beschluss vom 7. Oktober 2019 aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet.

Es bestünden keine Bedenken dagegen, Dr. W. im vorliegenden Fall als externen Sachverständigen im Sinne vom § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO anzuerkennen. Er sei neben seiner Tätigkeit in einem eigenen Sachverständigenbüro als Leiter der forensischen Ambulanz des Klinikums für Forensische Psychiatrie beschäftigt. Der Beschwerdeführer befinde sich demgegenüber im „P.-Institut“. Der Sachverständige arbeite somit weder in dem psychiatrischen Krankenhaus, in dem sich der Beschwerdeführer befinde, noch sei er erkennbar zu irgendeinem Zeitpunkt mit dessen Behandlung befasst gewesen. Unschädlich sei in diesem Zusammenhang, dass das Amtsgericht den gestellten Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen nicht verbeschieden habe. Es habe gerade durch die Durchführung einer Anhörung in Anwesenheit des externen Sachverständigen und nicht zuletzt durch die Ausführungen in seinem Fortdauerbeschluss zumindest konkludent zu erkennen gegeben, dass es den Befangenheitsantrag nicht für begründet erachtet habe.

5. Nach Erhebung der vorliegenden Verfassungsbeschwerde hat das Amtsgericht Landau in der Pfalz - Zweigstelle Bad Bergzabern - zuletzt mit Beschluss vom 28. August 2020 die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der Beschluss ist seit dem 18. September 2020 rechtskräftig.

II.

Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und aus Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG sowie seiner Rechte aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 EMRK.

1. Es fehle an der hinreichend sicheren Diagnose einer die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit einschränkenden Störung. Die Feststellung einer „Persönlichkeitsstörung“, die den Grad einer psychischen Störung erreiche und (außerhalb der Anlasstat) zu einer Einschränkung des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens geführt habe, sei nicht erfolgt. Die dem Beschwerdeführer vorgehaltenen persönlichen Schwächen erreichten vor dem Hintergrund seines noch jungen Alters diesen Grad nicht. Bei sehr jungen Menschen sei eine Persönlichkeitsstörung nicht ausreichend sicher feststellbar. Erst müsse eine hinreichende Reifung der Persönlichkeit eingetreten sein, wie auch der Sachverständige und das Amtsgericht bestätigten. Wenn aber die Störung aufgrund des Alters nicht sicher genug festgestellt werden könne, dann fehle es an einer wesentlichen Unterbringungsvoraussetzung.

2. a) Es gehöre zum Recht auf ein faires Verfahren, dass über einen Befangenheitsantrag noch während des laufenden Verfahrens förmlich entschieden werde. Sinn und Zweck sei es, zu verhindern, dass eine befangene Person am Verfahren mitwirke und vollendete Tatsachen geschaffen würden. Diese Möglichkeit sei durch die faktische Ignorierung des Befangenheitsantrags vereitelt worden. Es sei nicht ausreichend, wenn das Gericht nur in der Entscheidungsbegründung darauf eingehe.

b) Auch die Missachtung von § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO verletze den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren. Eine Begutachtung nach Aktenlage durch einen Gutachter, der in leitender Stellung in dem Unterbringungskrankenhaus arbeite, sei unzureichend. Die entgegenstehende Behauptung des Landgerichts sei schlicht falsch. Die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie gehöre zum P.-Klinikum. Dass Letzteres verschiedene Abteilungen und Kliniken habe, ändere hieran nichts. Organisatorisch seien diese einer Leitung unterstellt. Bei § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO handele es sich um eine zwingende Vorschrift, die auf eine objektivere und ergebnisoffene Begutachtung abziele. Diese sei bei einem Gutachter, der auch als Angestellter für die Unterbringungseinrichtung tätig sei und derselben Leitung unterstehe wie die Unterbringungsabteilung, nicht gegeben. Die vom Gesetzgeber angestrebte Objektivität der Begutachtung sei durch die rein formale Trennung in verschiedene „Kliniken“ nicht erreichbar, da andernfalls durch bloße nominelle Unterscheidung verschiedener Abteilungen derselben Klinik § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO ausgehöhlt werden könnte.

III.

1. Nach Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Stellungnahme vom 12. November 2020 hat die Verfassungsbeschwerde teilweise Aussicht auf Erfolg.

a) Hinsichtlich der unterbliebenen Verbescheidung des Befangenheitsgesuchs sei - unabhängig davon, ob hiermit das Recht auf ein faires Verfahren oder vielmehr Art. 103 Abs. 1 GG betroffen sei - nicht dargetan, dass der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts auf einem diesbezüglichen Verfassungsverstoß beruhen könnte. Allein aus einem Verstoß gegen § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO ergebe sich nicht die Besorgnis der Befangenheit.

b) Die angefochtenen Entscheidungen verletzten den Beschwerdeführer jedoch in seinem Freiheitsgrundrecht.

aa) Der Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts trügen die Auslegung und Anwendung der freiheitssichernden Verfahrensvorschrift des § 463 Abs. 4 Satz 2 und 3 StPO durch die Fachgerichte nicht hinreichend Rechnung. Entscheidend sei bereits nach ihrem Wortsinn, ob der Sachverständige für dieselbe juristische und wirtschaftliche Organisation tätig sei, in der sich auch die untergebrachte Person befinde. Dies sei angesichts des vom Beschwerdeführer vorgelegten Organigramms des P.-Klinikums der Fall. Der Sachverständige sei nicht nur an demselben Standort tätig, an dem auch die Maßregel vollzogen werde, sondern auch demselben Klinikvorstand und Geschäftsführer des P.-Klinikums unterstellt. Demnach handele es sich um dasselbe psychiatrische Krankenhaus im Sinne des § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO.

bb) Auch in der Sache würden die fachgerichtlichen Entscheidungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht gerecht.

Die Gefährlichkeitsprognose sei unzureichend. Zum einen sei ihr das Maß der Gefährdung nicht zu entnehmen. Zum anderen werde der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten nicht hinreichend klar bestimmt. Die fachgerichtlichen Ausführungen ließen keine ausreichende Auseinandersetzung mit den Unsicherheiten hinsichtlich des weiteren Verlaufs des psychischen Defekts des Beschwerdeführers erkennen. Auch ließen die eingehenden Darlegungen zum Verhalten des Beschwerdeführers im Maßregelvollzug besorgen, dass diesem ein besonderes Gewicht für die Gefährlichkeitsprognose beigemessen und die eingeschränkte Aussagekraft für sein künftiges Verhalten in Freiheit verkannt worden sei.

Außerdem genügten die angefochtenen Entscheidungen nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer weiteren Freiheitsentziehung. Insbesondere würden die Sicherungsbelange der Allgemeinheit nicht mit dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der Dauer der Unterbringung, seines Alters und der vom Sachverständigen in Aussicht gestellten Änderung der Delinquenzprognose abgewogen.

2. Das Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz hat angegeben, die Klinik für Forensische Psychiatrie des P.-Klinikums AdöR (Erwachsenenforensik), bei der der Sachverständige Dr. W. beschäftigt sei, sei „organisatorisch und räumlich“ von der Sozialtherapeutischen Abteilung (Jugendforensik) der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des P.-Klinikums getrennt. Von einer weiteren Stellungnahme hat es abgesehen.

3. Dem Bundesverfassungsgericht hat das Vollstreckungsheft vorgelegen.

B.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 BVerfGG sind erfüllt. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen - insbesondere die sich aus dem Gebot bestmöglicher Sachaufklärung ergebenden Anforderungen an die Anordnung der Fortdauer von Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus - bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGK 15, 287 <296 ff.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2014 - 2 BvR 689/14 -, Rn. 24 ff.). Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

I.

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

1. Der Zulässigkeit steht der zwischenzeitlich ergangene Beschluss des Amtsgerichts Landau in der Pfalz - Zweigstelle Bad Bergzabern - über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers nicht entgegen. Er führt nicht zum Entfallen des Rechtsschutzbedürfnisses für die Verfassungsbeschwerde, denn die angegriffenen Entscheidungen waren Grundlage eines tiefgreifenden Eingriffs in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf die Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 128, 326 <389>). Der Beschwerdeführer hat daher ein fortbestehendes schutzwürdiges Interesse an einer nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung und gegebenenfalls einer hierauf bezogenen Feststellung der Verfassungswidrigkeit dieses Grundrechtseingriffs durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfGE 9, 89 <92 ff.>; 32, 87 <92>; 53, 152 <157 f.>; 91, 125 <133>; 104, 220 <234 f.>).

2. Die Verfassungsbeschwerde genügt aber nur hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG ergebenden Begründungsanforderungen.

Der Vortrag bezüglich der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nach Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG durch die unterbliebene Verbescheidung des Befangenheitsgesuchs ist hingegen nicht genügend substantiiert. Der Beschwerdeführer hat nicht hinreichend dargelegt, dass eine stillschweigende Entscheidung über den Antrag nach § 74 Abs. 1 StPO verfassungsrechtlich unzulässig ist, dass es diesbezüglich einer Anhörungsrüge nach § 33a Satz 1 StPO nicht bedurft hätte (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Januar 2015 - 2 BvR 2592/14 -, Rn. 2) und dass sich der behauptete Verfahrensverstoß entscheidungserheblich ausgewirkt habe (vgl. etwa BVerfGE 7, 95 <99>; 89, 381 <392 f.>; 92, 158 <184 f.>).

II.

Die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts Landau in der Pfalz - Zweigstelle Bad Bergzabern - und des Landgerichts Landau in der Pfalz verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG, weil sie jedenfalls auf einer Verletzung des Gebots bestmöglicher Sachaufklärung beruhen.

1. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet jedermann „die Freiheit der Person“ und nimmt einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG die Freiheit der Person als „unverletzlich“ bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien für ihre Beschränkung statuieren (vgl. BVerfGE 35, 185 <190>; 109, 133 <157>; 128, 326 <372>).

a) Die freiheitssichernde Funktion des Art. 2 Abs. 2 GG erfordert auch im Verfahrensrecht Beachtung. Aus ihr ergeben sich Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben (vgl. BVerfGE 70, 297 <308>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 23. September 2008 - 2 BvR 936/08 -, juris, Rn. 18; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Juli 2010 - 2 BvR 1771/09 -, Rn. 17 f.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 2020 - 2 BvR 1235/17 -, Rn. 41).

b) Im Rahmen des „Gebotes der bestmöglichen Sachaufklärung“ besteht bei Prognoseentscheidungen, bei denen geistige und seelische Anomalien in Frage stehen, in der Regel die Pflicht, einen erfahrenen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dies gilt in Sonderheit dort, wo die Gefährlichkeit eines in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten zu beurteilen ist (vgl. BVerfGE 70, 297 <309>). Daraus folgt zwar noch nicht, dass bei jeder nach § 67e Abs. 2 StGB vorzunehmenden Überprüfung der Unterbringung von Verfassungs wegen zwingend ein ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen wäre (vgl. BVerfGK 15, 287 <295>). Nicht bei jeder Überprüfung der Unterbringung muss der gleiche Aufwand veranlasst sein (vgl. BVerfGE 70, 297 <309>).

Befindet sich der Untergebrachte seit langer Zeit in ein und demselben psychiatrischen Krankenhaus, ist es aber in der Regel geboten, von Zeit zu Zeit einen anstaltsfremden Sachverständigen hinzuzuziehen, um der Gefahr repetitiver Routinebeurteilungen vorzubeugen (vgl. BVerfGE 70, 297 <311, 316>; 109, 133 <162>; 117, 71 <105, 106>) und um auszuschließen, dass Belange der Anstalt oder die Beziehung zwischen Untergebrachtem und Therapeuten das Gutachten beeinflussen (vgl. BVerfGE 109, 133 <164>; BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2014 - 2 BvR 689/14 -, Rn. 23 sowie der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 2020 - 2 BvR 1235/17 -, Rn. 42).

c) Vor dem Hintergrund dieser das Maßregelvollstreckungsverfahren generell beherrschenden verfassungsrechtlichen Vorgaben hat sich der Gesetzgeber entschlossen, das Freiheitsgrundrecht des in einem psychiatrischen Krankenhaus Untergebrachten einfachrechtlich prozedural besonders abzusichern. § 463 Abs. 4 StPO sieht in der geltenden Fassung vom 1. August 2016 (vgl. Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016, BGBl I S. 1610) vor, dass im Rahmen der Überprüfungen nach § 67e StGB das Gericht nach jeweils drei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen soll (§ 463 Abs. 4 Satz 2 StPO), der nicht in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten darf, in dem sich die untergebrachte Person befindet (§ 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StPO). Die Vorschrift konkretisiert das verfassungsrechtliche Gebot bestmöglicher Sachaufklärung im Strafvollstreckungsverfahren, indem durch die Hinzuziehung eines bisher nicht mit der untergebrachten Person befassten Gutachters, der in kritischer Distanz zu den bisherigen Stellungnahmen steht, der Gefahr von Routinebeurteilungen vorgebeugt und die Prognosesicherheit des Gerichts entscheidend verbessert werden soll (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2014 - 2 BvR 689/14 -, Rn. 24 f. <jeweils zu § 463 Abs. 4 Satz 1 und 2 a.F.>).

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits zu § 463 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 StPO a.F. - der ebenfalls vorsah, dass der Sachverständige nicht in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten darf, in dem sich die untergebrachte Person befindet - entschieden, dass die Einhaltung dieser Vorgaben ein Verfassungsgebot darstellt. Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn dergestalt, dass die Einhaltung der Formvorschriften eines freiheitsbeschränkenden Gesetzes zum Verfassungsgebot erhoben wird. Die Verletzung der freiheitsschützenden Form des Gesetzes wird damit zu einem Verfassungsverstoß, dem der Betroffene mit der Verfassungsbeschwerde entgegentreten kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2014 - 2 BvR 689/14 -, Rn. 26).

d) Dabei ist die Auslegung und Anwendung des § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO zunächst Aufgabe der Fachgerichte. Ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts ist erst gerechtfertigt, wenn die Auslegung und Anwendung der freiheitssichernden Formvorschrift des § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO mit Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts nicht zu vereinbaren ist oder sich als objektiv willkürlich erweist (vgl. BVerfGE 65, 317 <322>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2014 - 2 BvR 689/14 -, Rn. 27).

Die Fachgerichte haben bei Auslegung und Anwendung der prozeduralen Sicherungen des Freiheitsgrundrechts allerdings zu berücksichtigen, dass die materiellen Freiheitsgarantien des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG unter den grundrechtlich verbürgten Rechten ein besonderes Gewicht haben und die Freiheit des Einzelnen nur in einem mit wesentlichen formellen Garantien ausgestatteten Verfahren entzogen werden darf. Daher sind Inhalt und Reichweite der Formvorschriften eines freiheitsbeschränkenden Gesetzes von den Fachgerichten so auszulegen, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten, schon um einer Aushöhlung und Entwertung des Grundrechts über das Verfahrensrecht entgegenzuwirken (vgl. BVerfGE 65, 317 <322 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2014 - 2 BvR 689/14 -, Rn. 28).

2. Diesen Maßstäben genügen die angegriffenen Beschlüsse nicht.

a) Die zu treffende Fortdauerentscheidung unterlag der Sollvorschrift des § 463 Abs. 4 Satz 2 StPO, da die dort vorgesehene Drei-Jahres-Frist am 12. Februar 2019 abgelaufen war. Die Überprüfungsentscheidung hatte daher grundsätzlich auf der Grundlage eines externen Prognosegutachtens zu ergehen. Gründe für eine nur in engen Grenzen zulässige (vgl. BVerfGK 15, 287 <297>) Ausnahme von der Sollvorschrift sind weder behauptet noch ersichtlich. Vor diesem Hintergrund sind die Fachgerichte selbst davon ausgegangen, dass eine externe Begutachtung des Beschwerdeführers rechtlich geboten war. Demgemäß waren aber auch die gesetzlichen Vorgaben für eine Gutachterauswahl nach § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO zu beachten. Insbesondere kam daher als Sachverständiger nicht in Betracht, wer „in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeitet, in dem sich die untergebrachte Person befindet“ (§ 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StPO).

b) Die Auslegung und Anwendung der Vorgabe des § 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StPO in den angegriffenen Beschlüssen (aa) tragen der Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers nicht hinreichend Rechnung. Bei einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Auslegung der Norm war vorliegend für eine Berufung von Dr. W. zum Sachverständigen kein Raum (bb).

aa) (1) Das Amtsgericht setzt sich in seinem angegriffenen Beschluss vom 29. August 2019 lediglich mit der Frage einer möglichen Befangenheit des Sachverständigen Dr. W. auseinander. Insoweit führt es aus, dass der Sachverständige zu 50 Prozent seiner Arbeitskraft Angestellter des Klinikums für Forensische Psychiatrie des P.-Klinikums sei. Er sei weder im Rahmen des Forensischen Klinikums für den stationären Sektor zuständig, noch befinde er sich in irgendeinem Arbeits- oder Unterstellungsverhältnis zur Jugendvollstreckungseinrichtung der sozialtherapeutischen Abteilung. Ob damit die Voraussetzungen des § 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StPO vorliegen, wird nicht erörtert. Auch fehlt es an jedweder Auslegung des Begriffs des psychiatrischen Krankenhauses im Sinne dieser Norm.

(2) Das Landgericht meint im angegriffenen Beschluss vom 7. Oktober 2019, dass § 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StPO einer Berufung des Sachverständigen Dr. W. nicht entgegenstehe, da dieser in der forensischen Ambulanz des Klinikums für Forensische Psychiatrie beschäftigt sei, während der Beschwerdeführer sich im „P.-Institut“ befinde. Der Sachverständige sei weder mit der Behandlung des Beschwerdeführers befasst gewesen, noch arbeite er in dem psychiatrischen Krankenhaus, in dem die Unterbringung vollzogen werde.

bb) Diese Ausführungen tragen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung von § 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StPO nicht Rechnung. Vielmehr ergibt eine das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG berücksichtigende Auslegung der Norm, dass das Verbot der Bestellung eines in der Unterbringungseinrichtung tätigen Sachverständigen eingreift, wenn - wie hier - der Arbeitsbereich des Sachverständigen und die die Unterbringung vollstreckende Abteilung des psychiatrischen Krankenhauses zu einer betrieblichen Einheit gehören und zudem ein gemeinsamer Krankenhausträger sowie eine gemeinsame Rechtsform mit gemeinsamer Leitungs- und Verwaltungsebene bestehen.

(1) Bereits der Wortlaut von § 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StPO spricht dafür, dass die bloße organisatorische und räumliche Unterteilung einer psychiatrischen Anstalt in einzelne fachspezifische Kliniken die Annahme desselben psychiatrischen Krankenhauses nicht ausschließt. Vielmehr wird auf das psychiatrische Krankenhaus in Gänze und nicht auf dessen einzelne Abteilungen abgestellt.

Zwar bleibt bei dem Begriff „Krankenhaus“ offen, ob damit der Krankenhausträger, das Krankenhaus als betriebliche Einheit oder die Betriebsform gemeint ist, in welcher ein Krankenhaus geführt wird (vgl. Quaas, in: ders./Zuck/Clemens, Medizinrecht, 4. Aufl. 2018, § 25 Rn. 75). Vorliegend ist aber sowohl eine bauliche und betriebliche Einheit (P.-Klinikum K. mit gemeinsamem Internetauftritt, gemeinsamer Adresse und unmittelbarer baulich-räumlicher Nähe der einzelnen Kliniken) als auch ein gemeinsamer Krankenhausträger (Bezirksverband Pfalz) sowie eine übergeordnete gemeinsame Rechtsform (P.-Klinikum für Psychiatrie und Neurologie - Anstalt des öffentlichen Rechts -) mit einer eigenen, den einzelnen Kliniken übergeordneten Leitungs- und Verwaltungsebene gegeben, so dass von demselben „Krankenhaus“ auszugehen ist.

(2) Dieses Ergebnis wird durch die systematische Auslegung der Norm bestätigt. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Bestellung eines Sachverständigen, der im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen war, bereits durch § 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 1 StPO ausgeschlossen wird. Käme es für die Anwendbarkeit von § 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StPO darauf an, dass der Sachverständige in derselben fachspezifischen Klinik tätig ist, in der der Untergebrachte aktuell behandelt wird, verbliebe für diese Regelungsalternative regelmäßig nur ein eng begrenzter eigenständiger Anwendungsbereich. Dies spricht dafür, dass es im Rahmen dieser Regelungsalternative nicht auf die Zugehörigkeit zu der mit der Behandlung des Untergebrachten befassten Betriebseinheit, sondern allein auf die Zugehörigkeit zur die Maßregelvollstreckung betreibenden Unterbringungseinrichtung ankommt.

(3) Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf Sinn und Zweck der Norm. Diese ist darauf gerichtet, dem verfassungsrechtlichen Gebot bestmöglicher Sachaufklärung Rechnung zu tragen. Durch die Heranziehung von anstaltsfremden Sachverständigen soll der Gefahr repetitiver Routinebeurteilungen vorgebeugt (vgl. BVerfGE 70, 297 <311, 316>; 109, 133 <162>; 117, 71 <105, 106>) und ausgeschlossen werden, dass Belange der Anstalt oder die Beziehung zwischen Untergebrachtem und Therapeuten das Gutachten beeinflussen (vgl. BVerfGE 109, 133 <164>). Auch soll hierdurch eventuellen hierarchischen (Loyalitäts-)Konflikten, denen ein Sachverständiger unter Umständen ausgesetzt sein könnte, entgegengewirkt werden (vgl. Graalmann-Scheerer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 463 Rn. 37).

Zwar mag die Gefahr repetitiver Routinebeurteilungen auch durch einen Sachverständigen, der innerhalb eines Klinikums einer anderen Fachklinik oder sonstigen Betriebseinheit als jener angehört, in der die Maßregel vollstreckt wird, in einem gewissen Umfang vermindert werden können. Es ist jedoch in diesem Fall nicht auszuschließen, dass betriebswirtschaftliche Belange der Anstalt oder persönliche Bekanntschaften mit den den Untergebrachten Behandelnden die Gutachtenerstellung beeinflussen. Hinzu kommt, dass es einer übergeordneten Vollzugsklinik dann möglich wäre, durch organisatorische und räumliche Maßnahmen die Voraussetzungen einer „externen“ Begutachtung eigener Probanden durch eigenes Personal zu schaffen.

(4) Die historische Auslegung von § 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StPO bestätigt dieses Ergebnis.

(a) Der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren zum Erlass des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 ausgeführt (vgl. BTDrucks 18/7244, S. 37 f.), dass eine grundsätzlich alle drei Jahre erfolgende externe Begutachtung eine objektivere Beurteilung der einer Unterbringung zugrundeliegenden diagnostischen und prognostischen Einschätzungen sowie der Entwicklungen im Rahmen der in Anspruch genommenen Therapieangebote im Maßregelvollzug ermögliche. Die Erhöhung der Frequenz unterstreiche den bereits vom Bundesverfassungsgericht betonten Gesichtspunkt, dass das Gutachten nicht durch „Belange der Maßregelvollzugseinrichtung“ beeinflusst werden solle. Mit einer externen Begutachtung werde schon dem bloßen Anschein entgegengetreten, der Inhalt des Gutachtens könne womöglich auch durch das Interesse an der Auslastung der Einrichtung und deren wirtschaftlichem Erfolg mitbestimmt sein. Zudem wiesen Einzelstudien darauf hin, dass unterschiedliche Unterbringungsdauern und Lockerungsentscheidungen wesentlich auch von der jeweiligen Klinik und ihrem Personal abhingen.

(b) Dies legt es nahe, den Begriff des psychiatrischen Krankenhauses respektive der Maßregelvollzugseinrichtung wie ausgeführt auszulegen. Denn der Anschein einer Beeinflussung der Begutachtung durch anstaltsinterne Belange kann sich für den Untergebrachten nicht nur ergeben, wenn der Sachverständige in der Fachklinik oder Betriebseinheit tätig ist, innerhalb derer der Untergebrachte sich befindet, sondern auch dann, wenn er in einer anderen Abteilung eines eine Einheit bildenden psychiatrischen Krankenhauses arbeitet. In einem solchen Fall lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass der Inhalt des Gutachtens auch durch das Interesse an der Auslastung der gemeinsamen übergeordneten Einrichtung und deren wirtschaftlichem Erfolg beeinflusst wird.

(5) Insgesamt ergibt sich daher, dass es aufgrund des im Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG wurzelnden Gebots bestmöglicher Sachaufklärung verfassungsrechtlich geboten ist, § 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StPO dahingehend auszulegen, dass als externer Sachverständiger nicht bestellt werden kann, wer zwar nicht in der Fachklinik oder Betriebseinheit, in der die untergebrachte Person sich befindet, wohl aber in einer anderen Abteilung oder Fachklinik eines sich als übergeordnete Einheit darstellenden psychiatrischen Krankenhauses arbeitet. Daher ist vorliegend der Beschwerdeführer durch die Benennung des Sachverständigen Dr. W. in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt.

c) Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer nach Darstellung des Amtsgerichts in der mündlichen Anhörung vom 8. Februar 2019 zunächst keine Einwände gegen die Bestellung des Sachverständigen Dr. W. erhoben hat.

Ungeachtet der Frage, ob § 463 Abs. 4 Satz 3 StPO als zwingende Norm zur Auswahl eines anstaltsfremden, externen Gutachters (vgl. Nestler, in: Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2019, § 463 Rn. 13) einem Verzicht durch den Untergebrachten überhaupt zugänglich ist, hat der Beschwerdeführer jedenfalls nach Kenntniserlangung von der Beschäftigung des Sachverständigen Dr. W. bei der Klinik für Forensische Psychiatrie des P.-Klinikums der Bestellung widersprochen und einen Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit gestellt. Dass vor diesem Hintergrund der in Unkenntnis der Beschäftigung des Sachverständigen Dr. W. beim P.-Klinikum abgegebenen Erklärung eine den Verstoß gegen das gesetzliche Gebot des § 463 Abs. 4 Satz 3 Alt. 2 StPO heilende Wirkung zukommen soll, erschließt sich nicht.

3. Ob durch die angegriffenen Beschlüsse darüber hinaus ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG dadurch begründet wird, dass sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen, die sich aus dem Freiheitsgrundrecht für die Anordnung der Fortdauer der Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus insbesondere hinsichtlich der Einhaltung der Überprüfungsfrist (vgl. BVerfGK 4, 176 <180 f.>), der Annahme des Fortbestehens der Voraussetzungen der Maßregel und der Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Juli 2019 - 2 BvR 2256/17 -, Rn. 35 ff. m.w.N.) ergeben, kann nach dem Vorstehenden offen bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 11. Juli 2014 - 2 BvR 689/14 -, Rn. 35).

III.

1. Es ist gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG festzustellen, dass die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts Landau in der Pfalz - Zweigstelle Bad Bergzabern - vom 29. August 2019 und des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 7. Oktober 2019 den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG verletzen. Der Beschluss des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 7. Oktober 2019 ist daher aufzuheben und die Sache an das Landgericht zur erneuten Entscheidung über die Kosten zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

2. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 156

Bearbeiter: Holger Mann