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HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 613

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1260/16, Beschluss v. 19.06.2018, HRRS 2018 Nr. 613


BVerfG 2 BvR 1260/16 (3. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 19. Juni 2018 (LG Braunschweig)

Durchsuchung einer Wohnung (Wohnungsgrundrecht; Ermittlungsverfahren wegen Betruges über die Internet-Plattform „ebay“; Anfangsverdacht; Richtervorbehalt; Begrenzungsfunktion des Durchsuchungsbeschlusses; Beschreibung von Tatvorwurf und zu suchender Beweismittel; keine Nachbesserung im Beschwerdeverfahren; zeitliche Eingrenzung der Tatvorwürfe; Ausschluss der Verjährung; Abgrenzung zu weiteren Vorwürfen; keine Durchsuchung wegen erst zu erwartender Taten).

Art. 13 Abs. 1 GG; Art. 13 Abs. 2 GG; § 102 StPO; § 103 StPO; § 105 StPO; § 263 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Der mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundene schwerwiegende Eingriff in die grundrechtlich geschützte räumliche Lebenssphäre des Einzelnen setzt zu seiner Rechtfertigung einen Anfangsverdacht voraus, der über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen und auf konkreten Tatsachen beruhen muss. Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind.

2. Um die Durchführung der Durchsuchung messbar und kontrollierbar zu gestalten, muss der Durchsuchungsbeschluss den Tatvorwurf und die gesuchten Beweismittel so beschreiben, dass der äußere Rahmen für die Durchsuchung abgesteckt wird. Der Richter muss die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist.

3. Mängel bei der Beschreibung des Tatvorwurfs und der Beweismittel sind im Beschwerdeverfahren nicht mehr heilbar. Andernfalls würde die Funktion des Richtervorbehalts unterlaufen, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten und eine Begrenzung der Maßnahme zu erreichen.

4. Ein Durchsuchungsbeschluss wird seiner Begrenzungsfunktion nicht gerecht, wenn er keinerlei Angaben dazu enthält, in welchem Zeitraum die verfahrensgegenständlichen Taten - hier: Betrugshandlungen über die Internet-Plattform „ebay“ - begangen worden sein sollen, so dass weder eine Verjährung der Vorwürfe auszuschließen noch eine Abgrenzung zu anderen Taten möglich ist, die der Beschuldigten in weiteren anhängigen Verfahren zur Last gelegt werden.

5. Da es sich bei der strafprozessualen Durchsuchung nicht um eine präventivpolizeiliche Maßnahme handelt, können mögliche künftige Betrugshandlungen von vornherein nicht Gegenstand einer Durchsuchungsanordnung sein.

Entscheidungstenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 15. März 2016 - 7 Gs 571/16 - und der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 11. Mai 2016 - 8 Qs 106/16 -, letzterer soweit das Landgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Durchsuchungsanordnung in dem bezeichneten Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig zurückgewiesen hat, verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 und Absatz 2 des Grundgesetzes. Der Beschluss des Landgerichts wird insoweit aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Kosten an das Landgericht Braunschweig zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer drei Viertel seiner im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine Entscheidung des Landgerichts Braunschweig, durch die die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Anordnung der Durchsuchung seiner Wohnung und der Beschlagnahme von in seinem Eigentum stehenden Gegenständen zurückgewiesen wurde.

I.

1. Der Beschwerdeführer wohnt zusammen mit seiner Lebensgefährtin H...Z... in einem Haus in der N... Straße in T... . Gegen H...-Z... (im Folgenden: die Beschuldigte) führte die Staatsanwaltschaft Braunschweig unter dem Aktenzeichen 206 Js 7669/16 ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges.

Zur Zeit der Einleitung dieses Ermittlungsverfahrens waren gegen die Beschuldigte beim Landgericht Braunschweig bereits zwei Strafverfahren wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Einbruchsdiebstahls anhängig. Der Beschuldigten wurde in diesen Verfahren unter anderem zur Last gelegt, jeweils über die Verkaufsplattform Ebay Waren zum Verkauf angeboten und trotz Geldeingangs die angebotene Ware nicht versandt zu haben.

Das oben genannte weitere unter dem Aktenzeichen 206 Js 7669/16 geführte Ermittlungsverfahren leitete die Staatsanwaltschaft Braunschweig am 3. Februar 2016 aufgrund eines Telefonanrufs des von seiner Frau getrennt lebenden Ehemannes der Beschuldigten H... ein. Dieser teilte mit, er habe herausgefunden, dass seine Ehefrau erneut Verkäufe über Ebay getätigt habe. Sie würde dabei die Accountnamen „S...“ und „C...“ verwenden. Er sei sich sicher, dass es sich dabei um seine Ehefrau handele. Allerdings sei es möglich, dass sie die Accounts über den Namen ihres Lebensgefährten angemeldet habe. Die Accounts seien Anfang Januar 2016 eröffnet worden.

Die sachbearbeitende Staatsanwältin führte in einem Vermerk über den Telefonanruf des H... aus, es sei anzunehmen, dass die Beschuldigte nun weiter in der Weise vorgehe, wie es ihr in einer der vor dem Landgericht Braunschweig verhandelten Anklagen (Az. 206 Js 9026/14) vorgeworfen werde. Es bestehe daher „dringender Tatverdacht“ hinsichtlich weiterer gewerbsmäßiger Betrugsstraftaten.

2. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Braunschweig ordnete das Amtsgericht Braunschweig durch Beschluss vom 12. Februar 2016 - 7 Gs 320/16 - die Durchsuchung der Wohnung der Beschuldigten in der N... Straße in T... an. Da Erkenntnisse vorlägen, dass der im selben Haus lebende Beschwerdeführer Zugang zu sämtlichen Räumlichkeiten habe und Lebensgefährte der Beschuldigten sei, beantragte die Staatsanwaltschaft Braunschweig, auch gegen diesen gemäß §§ 103, 105 StPO einen Durchsuchungsbeschluss zu erlassen.

Daraufhin ordnete das Amtsgericht Braunschweig antragsgemäß mit Beschluss vom 15. März 2016 - 7 Gs 571/16 - gemäß §§ 103, 105 StPO die Durchsuchung der Wohnung und des sonstigen umfriedeten Besitztums des Beschwerdeführers an. Die Durchsuchung sollte dem Auffinden von Computern, Laptops und sämtlichen internetfähigen Geräten als Beweismitteln dienen. Das Amtsgericht ordnete zudem die Beschlagnahme „dieser bzw. solcher Gegenstände“ an. Zur Begründung führte es aus, dass die Beschuldigte verdächtig sei, Waren über Ebay zu verkaufen, den Kaufpreis zu erhalten und die Waren nicht zu versenden. Diese Handlung sei gemäß § 263 StGB strafbar. Der Tatverdacht beruhe auf den Angaben des Zeugen H... . Dass die gesuchten Beweismittel bei dem Beschwerdeführer gefunden werden könnten, ergebe sich daraus, dass dieser mit der Beschuldigten zusammenwohne.

3. Der Durchsuchungsbeschluss vom 15. März 2016 wurde - zusammen mit dem gegen die Beschuldigte gerichteten Durchsuchungsbeschluss vom 12. Februar 2016 - am 12. April 2016 vollzogen. Laut Durchsuchungsbericht wurden dabei ein iPad 16 GB, ein PC Medion, ein PC Packard Bell SFC20, ein USB-Stick sowie ein Mobiltelefon beschlagnahmt. Aus dem Bericht geht weiter hervor, dass das iPad den Polizeibeamten von der Beschuldigten übergeben wurde, während die beiden PCs in einem Büro aufgefunden wurden, bei dem es sich - nach eigenem Bekunden - um das Büro des Beschwerdeführers handelte. Der Beschwerdeführer erklärte vor Ort, dass die beiden PCs in seinem Eigentum stünden. Er benötige sie für seine beruflichen und sonstigen Tätigkeiten.

4. Mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 15. April 2016 widersprach der Beschwerdeführer der Beschlagnahme des PC Medion und des iPad, das ebenfalls in seinem Eigentum stehe, und beantragte eine richterliche Entscheidung gemäß § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO. Außerdem legte er bereits zu diesem Zeitpunkt Beschwerde gegen eine „etwaige Beschlagnahmeanordnung“ ein. In dem genannten Schriftsatz setzte er sich allerdings überwiegend mit der Durchsuchungsanordnung auseinander und trug vor, warum diese seiner Ansicht nach rechtswidrig ergangen sei.

5. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig nahm mit Schriftsatz vom 19. April 2016 Stellung. Sie beantragte, die Beschlagnahme der internetfähigen Geräte des Beschwerdeführers zu bestätigen, und führte zum Tat- und Auffindeverdacht Folgendes aus:

Aus den Angaben des Ehemannes der Beschuldigten ergebe sich, dass diese zwei Accounts auf der Internetplattform Ebay eröffnet habe. Da aus anderen Betrugsverfahren gegen die Beschuldigte bekannt sei, dass ihre alten Accounts allesamt von Ebay gesperrt worden seien und Ebay es daher auch nicht mehr zulasse, dass die Beschuldigte sich erneut dort anmelde, spreche die Tatsache, dass sie nun doch wieder neue Accounts bei Ebay nutze, dafür, dass sie diese entweder auf den Namen des Beschwerdeführers oder über dessen internetfähige Geräte eröffnet habe und auch nutze.

Der Ehemann der Beschuldigten habe unter anderem bekundet, dass die Beschuldigte eine in seinem Eigentum stehende Uhr zum Verkauf anbiete. Auch andere Gegenstände, die die Beschuldigte anbiete, seien gar nicht mehr in deren Besitz. Gerade aufgrund dieser Angaben bestehe der für die Durchsuchung und Beschlagnahme erforderliche Tatverdacht wegen versuchten (gewerbsmäßigen) Betruges.

6. Durch Beschluss vom 21. April 2016 wies das Amtsgericht Braunschweig den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurück. Sowohl die Durchsuchungs- als auch die Beschlagnahmeanordnung seien rechtmäßig ergangen. Der Anfangsverdacht gegen die Beschuldigte beruhe auf der Aussage des Zeugen H... . Tatmittel der Betrugstaten seien internetfähige Geräte gewesen, auf die sich auch die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung beziehe. Da der Beschwerdeführer mit der Beschuldigten zusammenwohne, bestehe der Verdacht, dass die Beschuldigte Geräte des Beschwerdeführers als Tatmittel benutze.

7. Gegen den Beschluss vom 21. April 2016 legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 6. Mai 2016 Beschwerde ein. Dieser Schriftsatz lag dem Landgericht Braunschweig jedoch bei Erlass des nachfolgend bezeichneten Beschlusses nicht vor.

8. Das Landgericht Braunschweig legte die in dem Schriftsatz vom 15. April 2016 gestellten Anträge des Beschwerdeführers dahingehend aus, dass diese als gegen die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung vom 15. März 2016 gerichtete Beschwerde anzusehen seien. Dem Schriftsatz sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer sowohl die Durchsuchung als auch die Beschlagnahme der Gegenstände für rechtswidrig halte. Der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 21. April 2016 sei als Nichtabhilfeentscheidung auszulegen.

Die als Beschwerde ausgelegten Anträge wies das Landgericht durch Beschluss vom 11. Mai 2016 als unbegründet zurück, da sowohl die Durchsuchungs- als auch die Beschlagnahmeanordnung rechtmäßig seien. Insoweit werde auf die zutreffenden Gründe der Beschlüsse des Amtsgerichts Braunschweig vom 15. März 2016 und vom 21. April 2016 verwiesen. Der Anfangsverdacht gegen die Beschuldigte H...-Z... wegen gewerbsmäßigen Betruges stütze sich auf die Angaben des Zeugen H... . Das Amtsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschuldigte, die mit dem Beschwerdeführer zusammenwohne, dessen Geräte als Tatmittel benutzt haben könnte. Die angeordneten Maßnahmen seien auch verhältnismäßig.

II.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 11. Mai 2016 an und rügt eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG.

Das Landgericht habe verkannt, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 15. März 2016 der Begrenzungsfunktion nicht gerecht werde. Der Tatvorwurf werde in dem Beschluss lediglich formelhaft geschildert. Es fehlten tatsächliche Angaben, durch die der Lebenssachverhalt, der der Tat zu Grunde liege, nachvollziehbar umrissen werde. Insbesondere seien dem Beschluss weder Angaben zur Tatzeit noch zum „Tatraum“ und auch keine detaillierte Schilderung des Tatvorwurfs zu entnehmen. Ohne Angabe des Tatzeitpunktes sei es ihm nicht möglich gewesen zu kontrollieren, ob sein Computer, der erst vor kurzer Zeit angeschafft worden sei, überhaupt von der Beschuldigten hätte verwendet werden können.

Der Beschwerdeführer rügt außerdem, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts nicht auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhe. Die Verdachtsgründe, die sich gegen die Beschuldigte richteten, reichten über bloße Vermutungen und vage Anhaltspunkte oder Behauptungen nicht hinaus. Die Durchsuchungsanordnung sei schließlich auch unverhältnismäßig gewesen.

Zur Beschlagnahme führt der Beschwerdeführer aus, dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 15. März 2016 mangels einer konkreten Bezugnahme auf bestimmte Objekte keine wirksame Beschlagnahmeanordnung enthalte. Die entsprechende Anordnung sei daher allenfalls als Richtlinie für die Durchsuchung anzusehen. Die Beschlagnahme seiner elektronischen Geräte sei außerdem unverhältnismäßig, da sie bei ihm einen erheblichen finanziellen Schaden verursache und ihn in Bezug auf seine zwei Firmen, seine Immobilienverwaltung und seine privaten Bank- und Steuerangelegenheiten handlungsunfähig mache.

III.

Der Generalbundesanwalt hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Er trägt unter anderem vor, dass der Gegenstand des Ermittlungsverfahrens als Anlass der Maßnahme in ausreichender Weise gekennzeichnet gewesen sei. Für den Beschwerdeführer sei erkennbar gewesen, gegen wen (seine Lebensgefährtin) wegen welcher abstrakten Straftat (Betrug) und aufgrund welcher konkreten Handlung (Verkauf von Waren über Ebay unter Vereinnahmung der Kaufpreise ohne Warenlieferung) sich das Ermittlungsverfahren gerichtet habe. Die Tempuswahl Präsens belege den Verdacht eines zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung noch andauernden Geschehens. Einer weiteren Darlegung gegenüber einem Dritten habe es zur Sicherung von dessen Kontrollmöglichkeiten nicht bedurft.

Der Beschwerdeführer hat auf die Stellungnahme des Generalbundesanwalts erwidert. Das niedersächsische Justizministerium hat von einer Stellungnahme abgesehen.

Die Akten des Ausgangsverfahrens haben der Kammer vorgelegen.

IV.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Entscheidung an, da dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchst. b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. nur BVerfGE 96, 44 <51 f.>; 103, 142 <151>; 115, 166 <197>). Die Verfassungsbeschwerde ist in dem genannten Umfang zulässig und offensichtlich begründet.

1. Soweit das Landgericht die gegen die Durchsuchungsanordnung gerichtete Beschwerde des Beschwerdeführers zurückgewiesen hat, verletzt der Beschluss den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG.

a) Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird (vgl. BVerfGE 42, 212 <219 f.>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>).

Notwendiger, aber in Anbetracht der Eingriffsintensität einer Wohnungsdurchsuchung auch hinreichender Anlass für eine Durchsuchung ist der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 115, 166 <197 f.>; BVerfGK 5, 84 <88>). Eine Durchsuchung darf somit nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erforderlich sind (BVerfGK 8, 332 <336>; 11, 88 <92>).

Dem Gewicht des Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entsprechend behält Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vor. Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient dazu, die Durchführung der Maßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 96, 44 <51 f.>; 103, 142 <151>). Dazu muss der Beschluss den Tatvorwurf und die gesuchten Beweismittel so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Der Richter muss die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie dies nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Der Betroffene wird auf diese Weise zugleich in den Stand versetzt, die Durchsuchung zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220 f.>; 96, 44 <51 f.>; 103, 142 <151 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. April 2003 - 2 BvR 358/03 -, juris, Rn. 15; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. April 2017 - 2 BvR 2551/12 -, juris, Rn. 20).

Mängel, die die Begrenzungsfunktion des Durchsuchungsbeschlusses betreffen, können im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden. Die Funktion des Richtervorbehalts, eine vorbeugende Kontrolle der Durchsuchung durch eine unabhängige und neutrale Instanz zu gewährleisten, würde andernfalls unterlaufen. Auch kann eine Begrenzung der Durchsuchungsmaßnahme, die durch die Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses präventiv erreicht werden soll, durch eine erst nach der Durchführung ergehende Entscheidung nicht mehr herbeigeführt werden (BVerfGK 5, 84 <88 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. Juli 2016 - 2 BvR 1710/15 -, juris, Rn. 13).

b) Den vorgenannten Anforderungen genügt die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nicht, da das Landgericht verkannt hat, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts seiner Begrenzungsfunktion nicht gerecht wird.

Dem Durchsuchungsbeschluss kann nicht entnommen werden, an welchen Tagen oder in welchem Zeitraum die der Beschuldigten zur Last gelegten Betrugshandlungen begangen worden sein sollen. Soweit - wie der Generalbundesanwalt meint - durch die Verwendung des Präsens (die Beschuldigte sei verdächtig, Waren über Ebay „zu verkaufen“) möglicherweise ausgedrückt werden sollte, dass die Beschuldigte auch weiterhin Betrugshandlungen über die Verkaufsplattform Ebay begeht, ersetzt dies nicht die Bestimmung der einzelnen Tatzeiten oder jedenfalls des Tatzeitraums. Denn etwaige künftige Betrugshandlungen, die die Beschuldigte nach Erlass des Durchsuchungsbeschlusses möglicherweise noch begehen könnte, konnten - da es sich nicht um eine präventive, polizeiliche Maßnahme handelt - die auf §§ 103, 105 StPO gestützte Anordnung der Durchsuchung nicht rechtfertigen. Hinsichtlich der von der Beschuldigten bereits begangenen Betrugstaten ist mangels jeglicher zeitlicher Eingrenzung nicht einmal ersichtlich, ob diesbezüglich die Verjährungsfrist abgelaufen war. Gerade in Anbetracht des Umstands, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Durchsuchungsbeschlusses bereits zwei Anklagen gegen die Beschuldigte, die unter anderem gewerbsmäßig mittels der Internetplattform Ebay begangene Betrugstaten zum Gegenstand hatten, beim Landgericht Braunschweig anhängig waren, wären Angaben zu den Tatzeiten oder jedenfalls zum Tatzeitraum erforderlich gewesen, um diese Taten von den bereits angeklagten abgrenzen zu können.

Mangels jeglicher zeitlicher Eingrenzung bei einer zugleich nicht näher konkretisierten Beschreibung der Tathandlung konnten weder die mit der Vollziehung der Anordnung betrauten Beamten in hinreichender Weise erkennen, worauf sie ihr Augenmerk richten sollten, noch war die Anordnung geeignet, dem Rechtsmittelgericht und dem Betroffenen selbst eine zuverlässige Prüfung zu ermöglichen, ob sich der Vollzug der Durchsuchung noch in dem vom Ermittlungsrichter vorgesehenen Rahmen bewegte. Anhaltspunkte dafür, dass durch eine zeitliche Eingrenzung in der gegen den Beschwerdeführer als Dritten gerichteten Durchsuchungsanordnung der Ermittlungserfolg gefährdet worden wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. Soweit der Beschwerdeführer den Beschluss vom 11. Mai 2016 auch insofern angreift, als das Landgericht die gegen die Beschlagnahmeanordnung gerichtete Beschwerde zurückgewiesen hat, wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

V.

Die Entscheidung des Landgerichts ist daher aufzuheben, soweit sie die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss betrifft (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG). Mit Blick darauf, dass der Durchsuchungsbeschluss - wie dargelegt - seiner verfassungsrechtlich gebotenen Begrenzungsfunktion nicht genügt, ist darüber hinaus festzustellen, dass auch dieser Art. 13 Abs. 1 und 2 GG verletzt. Das Bundesverfassungsgericht ist befugt, diese Feststellung - auf die das Rechtsschutzbegehren des Beschwerdeführers letztlich abzielt - selbst zu treffen und insoweit von einer Zurückverweisung an das Landgericht abzusehen. Denn dem Landgericht käme kein eigener Entscheidungsspielraum mehr zu: Es könnte lediglich die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts wiederholen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 12. September 1994 - 2 BvR 291/94 -, juris, Rn. 18; Nettersheim, in: Barczak, BVerfGG, 1. Aufl. 2018, § 95 Rn. 44 m.w.N.). Die Zurückverweisung beschränkt sich daher auf die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 14. November 2017 - 2 BvR 1096/17 -, juris, Rn. 20 m.w.N.).

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 613

Bearbeiter: Holger Mann