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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 513

Bearbeiter: Holger Mann

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 599/14, Beschluss v. 13.05.2014, HRRS 2014 Nr. 513


BVerfG 2 BvR 599/14 (3. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 13. Mai 2014 (OLG München / LG Augsburg)

Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (Unzulässigkeit einer Rechtsbeschwerde mangels ausreichender Begründung; Verfahrensrüge; Darlegungsanforderungen; Befangenheit eines Richters).

§ 90 Abs. 2 BVerfGG; § 28 Abs. 2 StPO; § 118 Abs. 2 StVollzG; § 120 Abs. 1 StVollzG

Leitsatz des Bearbeiters

Die Verfassungsbeschwerde gegen eine strafvollzugsrechtliche Entscheidung ist wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Subsidiarität unzulässig, wenn die gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobene Rechtsbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen worden ist, weil der Beschwerdeführer seine allein erhobene Verfahrensrüge - hier: wegen Befangenheit des erstinstanzlich tätig gewordenen Richters - nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen begründet hatte.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Gründe

1. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Umgang des Oberlandesgerichts mit der Rüge der Befangenheit des im erstinstanzlichen Verfahren tätig gewordenen Richters wendet - der unter anderem geäußert hatte, der Beschwerdeführer sei "ein notorischer und unverbesserlicher Betrüger, der seit Jahrzehnten straffällig wird, schon lange den Sinn für Realität verloren und sogar während laufenden Strafvollzugs seine betrügerischen Machenschaften mit den ihm in diesem Rahmen erwachsenden Möglichkeiten postwendend fortgesetzt hat" - ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil der Beschwerdeführer insoweit den Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt hat. Nach diesem Grundsatz muss der Beschwerdeführer die verfügbaren Möglichkeiten zur Abwehr des Grundrechtsverstoßes im fachgerichtlichen Verfahren genutzt haben (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>; 112, 50 <60>; stRspr).

Dies ist hier nicht geschehen. Der Vortrag des Beschwerdeführers zur Befangenheit des am Landgericht zur Entscheidung berufenen Richters im Rahmen der erhobenen Rechtsbeschwerde genügte nach Ansicht des Oberlandesgerichtes nicht den Begründungserfordernissen einer Verfahrensrüge nach § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG, weil der Beschwerdeführer dem Oberlandesgericht keine Kenntnis von dem Beschluss verschafft hatte, mit dem das Landgericht den Befangenheitsantrag abgelehnt hatte. Dass das Oberlandesgericht damit im konkreten Fall die Darlegungsanforderungen überspannt hätte (vgl. zu dieser Problematik BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 5. April 2012 - 2 BvR 211/12 -, juris), ist nicht ersichtlich. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Kenntnis der Begründungsanforderungen, von denen das Oberlandesgericht hier ausgegangen ist, von Gefangenen im Allgemeinen erwartet werden kann, oder ob insoweit von einer unzureichenden Aufgabenwahrnehmung durch den die Rüge gemäß § 118 Abs. 3 StVollzG protokollierenden Rechtspfleger auszugehen ist, die es bei fehlendem Verschulden des Rechtsbeschwerdeführers notwendig macht, diesen über die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu belehren (vgl. BVerfGK 8, 303 <304 ff.>; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. September 2005 - 2 BvR 172/04, 2 BvR 834/04 und 2 BvR 907/04 -, NJW 2005, S. 3629 f., und vom 21. März 2005 - 2 BvR 975/03 -, NStZ-RR 2005, S. 238 <239>; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11. November 2001 - 2 BvR 1471/01 -, RPfleger 2002, S. 279, vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 2911/10 -, juris, vom 10. Oktober 2012 - 2 BvR 1095/12 -, NJW 2013, S. 446 <447>, und vom 23. Oktober 2013 - 2 BvR 28/13 -, juris). Im vorliegenden Fall konnte die Kenntnis der Begründungsanforderungen für die Rüge der Befangenheit des erstinstanzlich tätig gewordenen Richters (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO) vom Beschwerdeführer jedenfalls deshalb erwartet werden, weil dieser nach unwidersprochener Feststellung in den Gründen des Beschlusses des Oberlandesgerichts auf die prozessuale Anforderung, an der er im vorliegenden Fall gescheitert ist, bereits in früheren Beschlüssen hingewiesen worden war.

2. Durch die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 513

Bearbeiter: Holger Mann