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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 292

Bearbeiter: Stephan Schlegel

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 168/06, Beschluss v. 16.02.2006, HRRS 2006 Nr. 292


BVerfG 2 BvR 168/06 (1. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 16. Februar 2006 (OLG Braunschweig/LG Braunschweig)

Subsidiarität einer Verfassungsbeschwerde (Erfordernis verfassungsrechtlichen Vortrages zur Normauslegung bereits im fachgerichtlichen Verfahren; Bestimmtheitsgebot); Rechtsstaatsprinzip (faires Verfahren; Begründung eines Urteils; Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe); Nötigung (Lichthupe, Auffahren; Sozialwidrigkeit der Tathandlung).

Art. 103 Abs. 2 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; § 90 Abs. 2 BVerfGG; § 240 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Zwar ist es mit Blick auf den Grundsatz der materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nicht erforderlich, das fachgerichtliche Verfahren auch als "Verfassungsprozess" zu führen, weshalb der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht von Beginn des fachgerichtlichen Verfahrens an verfassungsrechtliche Argumente vorzutragen braucht; etwas anderes gilt aber, wenn, eine bestimmte Normauslegung angestrebt wird, die ohne verfassungsrechtliche Erwägungen nicht begründbar ist (vgl. BVerfGE 112, 50, 61 f.).

2. Zu einem Fall der strafrechtlichen Nötigung durch dichtes Auffahren und Lichthupe.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Ein Annahmegrund gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung von Art. 103 Abs. 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig.

Der Beschwerdeführer hat den Grundsatz der materiellen Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht beachtet. Danach sind im Verfahren vor den Fachgerichten alle zumutbaren prozessualen Möglichkeiten zu ergreifen, um die vermeintliche Grundrechtsverletzung abzuwenden (vgl. BVerfGE 68, 384 <389>; 112, 50 <60>). Der Beschwerdeführer hat es unterlassen, eine Verletzung des Bestimmtheitsgebots bereits im fachgerichtlichen Verfahren zu beanstanden. Zwar ist es grundsätzlich nicht erforderlich, das fachgerichtliche Verfahren auch als "Verfassungsprozess" zu führen, weshalb der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht von Beginn des fachgerichtlichen Verfahrens an verfassungsrechtliche Argumente vorzutragen braucht; etwas anderes gilt aber, wenn, wie hier, eine bestimmte Normauslegung angestrebt wird, die ohne verfassungsrechtliche Erwägungen nicht begründbar ist (vgl. BVerfGE 112, 50 <61 f.>).

Zudem genügt die Verfassungsbeschwerde insoweit nicht den Begründungsanforderungen der §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG.

2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Die Würdigung der Fachgerichte begründet keine Verletzung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren, welche dem allgemeinen Willkürverbot hier als spezielleres Recht vorgeht (vgl. BVerfGK 1, 145 <149>).

Die Urteilsgründe belegen jedenfalls in ihrem Gesamtzusammenhang hinreichend klar, dass der Beschwerdeführer über einen nicht unerheblichen Zeitraum hinweg, nämlich während wesentlicher Teile des einige Zeit beanspruchenden Überholvorgangs unter Betätigung der Lichthupe sehr dicht auf das Fahrzeug der Geschädigten aufgefahren ist, so dass diese sich wegen der vom Beschwerdeführer geschaffenen Gefahrenlage zu einer Beschleunigung gezwungen sah. Einer präziseren Fassung von Entfernungsangaben bedurfte es in den Urteilsfeststellungen ebenso wenig wie Ausführungen zur Sozialwidrigkeit der Tathandlung gemäß § 240 Abs. 2 StGB, welche hier auf der Hand lag.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Einlassung des Beschwerdeführers durfte das Landgericht für widerlegt halten.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 292

Bearbeiter: Stephan Schlegel