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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 302

Bearbeiter: Stephan Schlegel

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 917/05, Beschluss v. 15.03.2006, HRRS 2006 Nr. 302


BVerfG 2 BvR 917/05 (2. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 15. März 2006 (LG Koblenz)

Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (wirksame Kontrolle; Auslegung der Anträge; Rechtsschutzziel); Anfechtung von Maßnahmen im Strafvollzug (Besitzerlaubnis für elektronische Geräte); einstweilige Aussetzung einer Widerrufsentscheidung (Rückgabe von Geräten als Vollzugsfolgenbeseitigung; kein Verpflichtungsbegehren; keine Vorwegnahme der Hauptsache); Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (Rechtswegerschöpfung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes).

Art. 19 Abs. 4 GG; § 114 Abs. 2 Satz 1 StVollzG; § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Für die Gerichte ergeben sich aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen über den Eilrechtsschutz (vgl. BVerfGE 49, 220, 226; 77, 275, 284). Diese muss darauf ausgerichtet sein, dass der Rechtsschutz sich auch im Eilverfahren nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpft, sondern zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führt.

2. Allein, dass im Falle der einstweiligen Aufhebung des Widerrufs einer Besitzerlaubnis von technischen Geräten im Strafvollzug diese zurückzugeben sind, macht aus dem Anfechtungsbegehren kein Verpflichtungsbegehren; vielmehr liegt darin lediglich eine Beseitigung der Vollzugsfolgen.

3. Die bloße Tatsache, dass die vorübergehende Aussetzung eines Widerrufes der Besitzerlaubnis als solche nicht wieder rückgängig gemacht werden kann, macht die vorläufige Regelung nicht zu einer faktisch endgültigen. Die vorläufige Aussetzung ist vielmehr, sofern die Voraussetzungen für eine stattgebende Eilentscheidung im Übrigen vorliegen, gerade der typische, vom Gesetzgeber vorgesehene Regelungsgehalt des vorläufigen Rechtsschutzes gegen belastende Maßnahmen (BVerfGK 1, 201, 206).

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Die Beschlüsse des Landgerichts Koblenz vom 19. Mai 2005 - 7 StVK 202/05 - EA - und vom 21. November 2005 - 7 StVK 518/05 - EA - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Absatz 4 des Grundgesetzes. Sie werden aufgehoben. Die Sachen werden an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Land Rheinland-Pfalz hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für die Verfassungsbeschwerde-Verfahren zu erstatten.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gegen belastende Maßnahmen im Strafvollzug.

1. Der Beschwerdeführer verbüßt eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt D. Mit einem an alle Gefangenen gerichteten Schreiben vom 9. März 2005 kündigte die Justizvollzugsanstalt an, dass ab dem 1. April 2005 von jedem Gefangenen, der außer einem einfachen Radiogerät weitere Elektrogeräte besitzt, eine pauschale Stromkostenbeteiligung in Höhe von 2 € pro Monat erhoben werde. Der Besitz von derartigen Geräten werde nur dann weiter gestattet, wenn sich der Gefangene mit der Abbuchung des Beitrages einverstanden erkläre. Andernfalls müsse er diese herausgeben. Am 19. April 2005 buchte die Anstalt erstmals eine Stromkostenbeteiligung in Höhe von 4 € vom Hausgeld des Beschwerdeführers ab. Mit Schreiben vom 22. April 2005 teilte der Beschwerdeführer der Anstaltsleitung mit, dass er "keine Elektrogeräte über den Grundbedarf hinaus betreibe". Er beantragte, den eingezogenen Betrag von 4 € unverzüglich rückzuüberweisen und keine weiteren Stromkosten von seinem Konto mehr einzuziehen. Daraufhin wurden am 29. April 2005 ein Tauchsieder, eine Tischlampe und ein TV-Gerät aus dem Haftraum des Beschwerdeführers entfernt.

2. Noch am selben Tag, dem 29. April 2005, stellte der Beschwerdeführer beim Landgericht Koblenz Antrag auf gerichtliche Entscheidung über seinen Antrag vom 22. April 2005; zugleich beantragte er die Herausgabe der aus dem Haftraum entfernten Geräte und die anteilige Rückerstattung der Satelliten-Anschlussgebühren während des Nutzungsentzugs sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Er wies auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 25. Mai 2004 - 1 Ws 69/04 (StrVollz) - hin, nach dem Elektrogeräte wie die von ihm betriebenen als zum Grundbedarf gehörend für die Gefangenen (strom-)kostenfrei seien.

Mit weiterem Schreiben an das Landgericht vom 29. April 2005 beantragte der Beschwerdeführer die unverzügliche Aussetzung der in dem Hauptsacheantrag "beschriebenen Maßnahme (Entfernung von Elektrogeräten aus dem Haftraum)" gemäß § 114 StVollzG, da es für diese eindeutig keine rechtliche Grundlage gebe. Auch für den Eilrechtsschutzantrag beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts.

3. Mit Beschluss vom 19. Mai 2005 wies das Landgericht die "Anträge vom 29. April 2005 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe" zurück. Die Aussetzung der angefochtenen Maßnahme sei als Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig. Gründe, die eine Ausnahme von diesem Verbot rechtfertigen würden, seien vom Beschwerdeführer nicht dargetan. Er habe vor allem keine schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteile aufgeführt, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.

4. Unter dem 1. November 2005 beantragte der Beschwerdeführer erneut beim Landgericht die Gewährung von Eilrechtsschutz nach § 114 StVollzG. Aufgrund der fehlenden aufschiebenden Wirkung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 29. April 2005 gingen ihm beständig seine aus der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle folgenden Rechte verloren. Diese Rechtslage habe zwischenzeitlich auch das angerufene Gericht in einem Hauptsacheverfahren bestätigt. Zum Beleg fügte der Beschwerdeführer einen - nicht rechtskräftigen - Beschluss des Landgerichts Koblenz vom 28. September 2005 - 7 StVK 170/05 - bei, mit dem entschieden wurde, dass dem dortigen Antragsteller die ihm entzogenen Elektrogeräte herauszugeben seien, da es für die Erhebung der Stromkostenpauschale an einer Rechtsgrundlage fehle. Vor diesem Hintergrund könnten am Ausgang des Hauptsacheverfahrens keinerlei vernünftige Zweifel mehr bestehen. Die Nutzung seiner Elektrogeräte sei ihm bis zur Entscheidung in der Hauptsache wieder zu ermöglichen, da andernfalls die Verwirklichung eines Rechts des Beschwerdeführers vereitelt werde.

5. Mit Beschluss vom 21. November 2005 wies das Landgericht aus denselben Gründen wie zuvor auch diesen Antrag zurück.

II.

1. Mit seinen gegen die genannten Beschlüsse jeweils fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerden, die zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden waren, rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG und, hinsichtlich der Versagung von Prozesskostenhilfe, von Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG. Ferner bezeichnet er Art. 103 Abs. 1 und Art. 104 Abs. 1 GG als verletzt.

Im Verfahren 2 BvR 917/05: Die Behauptung in dem angegriffenen Beschluss, er habe keine schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteile aufgeführt, sei nicht haltbar. In dem Hauptsacheantrag, auf den der Eilrechtsschutzantrag Bezug nehme, seien die durch die angefochtene Maßnahme vereitelten Rechte des Beschwerdeführers im Einzelnen aufgelistet. Ein höher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug sei nicht zu erkennen. Ein Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. § 114 StVollzG lasse die Gefahr genügen, dass die Verwirklichung eines Rechts vereitelt werden könnte. Auch angesichts der bei Anwendung der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle zu bejahenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache hätte vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden müssen. Dementsprechend hätte dem Beschwerdeführer auch die beantragte Prozesskostenhilfe nicht verweigert werden dürfen.

Im Verfahren 2 BvR 2174/05 macht er geltend, die erneute Versagung vorläufigen Rechtsschutzes sei nunmehr gänzlich unvertretbar, nachdem das Landgericht selbst in einem Hauptsacheverfahren auf die Rechtswidrigkeit der Stromkostenbeteiligung und damit auch der mit Zahlungsverweigerung begründeten Wegnahme von Elektrogeräten erkannt habe. Die beantragte zeitweilige Verhinderung einer Maßnahme stelle für sich allein noch keine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Der Beschwerdeführer habe lediglich eine Fortsetzung des "status quo ante" beantragt, dem offensichtlich ein höher zu bewertendes gegenläufiges Interesse nach dem Beginn des Rechtsstreits so wenig entgegenstehe wie vorher. Ein solches höher zu bewertendes Interesse am sofortigen Vollzug habe das Landgericht auch nicht festgestellt. Die unabhängig von der Sach- und Rechtslage immer gleichlautende Begründung des Landgerichts in Eilsachen, die aufgrund ihrer inneren Widersprüchlichkeit weder sprachlich nachvollziehbar noch mit dem Wortlaut des § 114 StVollzG in Einklang zu bringen sei, diene dem Landgericht zur grundsätzlichen Verweigerung der Anwendung von § 114 StVollzG.

2. Das Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz hatte Gelegenheit zur Äußerung; es hat keine Stellungnahme abgegeben.

III.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93b Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), und gibt ihnen statt. Die Entscheidungskompetenz der Kammer ist gegeben (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG); das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung maßgeblichen Fragen bereits entschieden.

1. Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig, soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG rügt. Der Rechtsweg im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist erschöpft; gegen die angegriffenen Entscheidungen sind Rechtsmittel nicht gegeben (vgl. § 114 Abs. 2 Satz 3 StVollzG). Die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache ist nicht geboten, da der Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung geltend macht, die gerade in der Behandlung seiner Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz liegt und im Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgeräumt werden kann (vgl. BVerfGE 69, 315 <340>; 80, 40 <45>; 104, 65 <70 f.>).

Der Beschwerdeführer darf auch nicht auf die vorherige Erhebung einer Anhörungsrüge (§ 120 StVollzG i.V.m. § 33 a StPO) verwiesen werden. Die Verfassungsbeschwerden bezeichnen zwar eingangs jeweils auch Art. 103 Abs. 1 GG als verletzt. Die nachfolgende Begründung greift dies aber nicht wieder auf. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nach dem vorgetragenen Sachverhalt auch offensichtlich nicht vor. Auf einen offensichtlich aussichtslosen Rechtsbehelf kann der Beschwerdeführer als Voraussetzung der Zulässigkeit seiner Verfassungsbeschwerde nicht verwiesen werden (vgl. vor allem BVerfGE 51, 386 <395 f.>; 52, 380 <387>; 78, 58 <68 f.>). Auch soweit ein Beschwerdeführer eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, kann ihm daher nicht entgegenhalten werden, dass er zunächst eine Anhörungsrüge hätte erheben müssen, wenn seine Berufung auf Art. 103 Abs. 1 GG offensichtlich allein auf unzutreffenden Annahmen über Inhalt und Grenzen (vgl. vor allem BVerfGE 54, 86 <91 f.>; 69, 141 <143 f.>) dieses Grundrechts beruht.

2. Die Verfassungsbeschwerden sind im oben genannten Umfang auch offensichtlich begründet im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Koblenz vom 19. Mai 2005 und vom 21. November 2005 verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG).

a) Für die Gerichte ergeben sich aus der verfassungsrechtlichen Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen über den Eilrechtsschutz (vgl. BVerfGE 49, 220 <226>; 77, 275 <284>). Diese muss darauf ausgerichtet sein, dass der Rechtsschutz sich auch im Eilverfahren nicht in der bloßen Möglichkeit der Anrufung eines Gerichts erschöpft, sondern zu einer wirksamen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führt (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 2003 - 2 BvR 1724/02 -, BVerfGK 1, 201 <204 f.>).

b) Die Auslegung und Anwendung des § 114 Abs. 2 StVollzG durch das Landgericht verfehlt die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes bei belastenden Maßnahmen.

Nach § 114 Abs. 2 StVollzG kann das Gericht den Vollzug einer angefochtenen Maßnahme aussetzen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird, und ein höher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegensteht (Satz 1); unter den Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 VwGO kann eine einstweilige Anordnung erlassen werden (Satz 2). Mit dieser Regelung differenziert der Gesetzgeber bei der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Strafvollzug - ähnlich wie in den § 80, § 123 VwGO - nach dem Gegenstand der Hauptsache. Wendet sich der Antragsteller gegen eine ihn belastende Maßnahme, so kann das Gericht den Vollzug dieser Maßnahme schon unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 Satz 1 StVollzG aussetzen. Begehrt der Antragsteller dagegen die Verpflichtung zum Erlass einer von der Anstalt abgelehnten oder unterlassenen Maßnahme, so kommt vorläufiger Rechtsschutz nur unter den Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG i.V.m. § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht.

Die angegriffenen Beschlüsse unterscheiden schon nicht deutlich zwischen den beiden in § 114 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 StVollzG geregelten Formen vorläufigen Rechtsschutzes mit ihren jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen. In dem Beschluss vom 19. Mai 2005 greift das Landgericht einerseits zwar die vom Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 29. April 2005 ausdrücklich verwendete Formulierung "Aussetzung der angefochtenen Maßnahme" auf, andererseits legt es den Antrag gleichwohl dahingehend aus, dass er auf die Aushändigung von Elektrogeräten im Wege der einstweiligen Anordnung gerichtet sei, und prüft dieses Rechtsschutzbegehren dementsprechend - jedenfalls der Sache nach - anhand der Voraussetzungen des § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG. Diese Sachbehandlung, die das Landgericht in seinem Beschluss vom 21. November 2005 in ähnlicher Form wiederholt, wird dem Begehren des Beschwerdeführers nicht gerecht. Das Gericht hat damit nicht nur das für die Auslegung von Anträgen maßgebliche, aus dem Gesamtzusammenhang des Antragsvorbringens zu ermittelnde (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 1993 - 2 BvR 1004/93 -, StV 1994, S. 201 <202>) Rechtsschutzziel des Beschwerdeführers verkannt, sondern sich - jedenfalls in dem Beschluss vom 19. Mai 2005 - auch über den Wortlaut des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags hinweggesetzt. Das in der Hauptsache verfolgte Begehren richtete sich insoweit auch tatsächlich auf die Aufhebung einer belastenden Maßnahme, nämlich des Widerrufs der zuvor mindestens konkludent erteilten Erlaubnis, die näher bezeichneten Elektrogeräte in seinem Haftraum in Besitz zu haben (vgl. ähnlich Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juni 1999 - 2 BvR 1454/98 -, NStZ 1999, S. 532). Dass dem Beschwerdeführer die Geräte im Falle der Aufhebung dieses Widerrufs zurückzugeben wären, macht aus seinem Begehren kein Verpflichtungsbegehren; vielmehr liegt darin lediglich eine Beseitigung der Vollzugsfolgen. Eine zur Anwendbarkeit des § 114 Abs. 2 Satz 2 StVollzG führende Verpflichtungssituation liegt auch nicht deshalb vor, weil der Beschwerdeführer etwas erstrebte, worauf er nach dem mit Schreiben vom 9. März 2005 bekanntgemachten Willen der Anstalt keinen Anspruch mehr haben sollte. Da der Beschwerdeführer die fraglichen Elektrogeräte zunächst mit Erlaubnis der Anstalt unabhängig von einem dafür zu entrichtenden Stromkostenbeitrag in seinem Besitz hatte, stellt deren Entziehung sich unabhängig von der Frage, ob ein solcher Beitrag nunmehr zu Recht oder zu Unrecht verlangt wird, jedenfalls als ein belastender Eingriff dar.

Der Antrag hatte damit nicht eine Vorwegnahme der Hauptsache zum Gegenstand. Die vorläufige Aussetzung einer belastenden Maßnahme nach § 114 Abs. 2 Satz 1 StVollzG bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache stellt keine Vorwegnahme der Hauptsache dar. Die bloße Tatsache, dass die vorübergehende Aussetzung als solche nicht wieder rückgängig gemacht werden kann, macht die vorläufige Regelung nicht zu einer faktisch endgültigen. Die vorläufige Aussetzung ist vielmehr, sofern die Voraussetzungen für eine stattgebende Eilentscheidung im Übrigen vorliegen, gerade der typische, vom Gesetzgeber vorgesehene Regelungsgehalt des vorläufigen Rechtsschutzes gegen belastende Maßnahmen (vgl. Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 1993 - 2 BvR 2212/93 -, NJW 1994, S. 717 <718 f.>; vom 17. Juni 1999 - 2 BvR 1454/98 -, NStZ 1999, S. 532; vom 31. März 2003 - 2 BvR 1779/02 -, NVwZ 2003, S. 1112 f. und vom 11. Juni 2003 - 2 BvR 1724/02 -, BVerfGK 1, 201 <206>). Das Gericht hätte daher, ohne insoweit durch den Gesichtspunkt einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache gebunden zu sein, gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 StVollzG prüfen müssen, ob die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Beschwerdeführers vereitelt oder wesentlich erschwert wird, und ob der Aussetzung ein höher zu bewertendes Interesse an dem sofortigen Vollzug nicht entgegensteht. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob nach einer summarischen Prüfung der Antragsteller mit seinem Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird (vgl. Arloth/Lückemann, StVollzG, § 114 Rn. 3). Indem das Gericht die danach erforderliche Interessenabwägung unterlassen hat, ist es den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen effektiven vorläufigen Rechtsschutz nicht gerecht geworden.

3. Die angegriffenen Beschlüsse beruhen auf dem festgestellten Verfassungsverstoß und sind aufzuheben, ohne dass es einer Befassung mit den weiteren Grundrechtsrügen bedarf. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gewährung effektiven Rechtsschutzes dem Beschwerdeführer günstigere Entscheidungen getroffen hätte. Der Beschluss vom 19. Mai 2005 ist daher auch insoweit aufzuheben, als er die Versagung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten des Antrags betrifft. Die Sachen sind an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG).

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 302

Bearbeiter: Stephan Schlegel