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HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 466

Bearbeiter: Stephan Schlegel

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 1940/05, Beschluss v. 17.03.2009, HRRS 2009 Nr. 466


BVerfG 2 BvR 1940/05 (1. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 17. März 2009 (LG Oldenburg/AG Oldenburg)

Wohnungsdurchsuchung; Richtervorbehalt (eigenverantwortliche Prüfung; inhaltliche Anforderungen an den Durchsuchungsbeschluss); Umsatzsteuerkarussell; Auslesen der Daten eines Mobiltelefons (Unanwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses bei Speicherung im Herrschaftsbereich des Betroffenen).

Artikel 13 Abs. 1 GG; Art. 13 Abs. 2 GG; Art. 10 Abs. 1 GG; § 102 StPO; § 105 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ein Durchsuchungsbefehl, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält und der zudem den Inhalt der konkret gesuchten Beweismittel nicht erkennen lässt, wird rechtsstaatlichen Anforderungen jedenfalls dann nicht gerecht, wenn solche Kennzeichnungen nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ohne weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich sind (vgl. BVerfGE 42, 212, 220; 71, 64, 65).

2. Allein die lediglich abstrakte Beschreibung eines angenommenen Modells der Steuerhinterziehung (Umsatzsteuerkarussell), ohne den - obwohl nach dem Ermittlungsstand möglich - konkreten Lebenssachverhalt (Geschäftsabschlüsse, Warenlieferungen, geleisteten Zahlungen oder sonstigen Geschäftsvorfälle) näher zu bezeichnen und zumindest beispielhaft einzelnen Straftatbeständen zuzuordnen, genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Inhalt eines Durchsuchungsbeschlusses.

3. Allein die Benennung der Position in einem Unternehmen kann u.U. bei einer umfangreichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens nicht ausreichen, um einen mutmaßlichen Tatbeitrag hinreichend genau zu kennzeichnen.

4. Allein aus der Übernahme des Antrags der Staatsanwaltschaft durch den Ermittlungsrichter kann noch nicht auf das Fehlen einer eigenverantwortlichen Prüfung des Sachverhalts geschlossen werden. Auch müssen sich die Beschlussgründe grundsätzlich nicht zu jedem denkbaren Gesichtspunkt des Tatverdachts verhalten. Aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht hinnehmbar ist es aber, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände die Notwendigkeit der Erörterung eines offensichtlichen Problems aufdrängen musste (vorliegend eine vorangegangene Durchsuchung) und gleichwohl eine Prüfung vollständig fehlt.

Entscheidungstenor

Der Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 30. September 2005 - 2 Qs 413/05 - sowie der Beschluss des Amtsgerichts Oldenburg vom 8. Dezember 2004 - 28 Gs 4154/04 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 und Absatz 2 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Oldenburg zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Durchsuchung seiner Wohnung und seines Arbeitsplatzes in einem steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren.

I.

1. Der Beschwerdeführer war leitender Angestellter (Abteilungsleiter Produktmarketing und Beschaffung) der N. AG, die in großem Umfang europaweit mit Mobilfunkgeräten handelte.

Im Rahmen einer bundesweit koordinierten Umsatzsteuerprüfung fiel die N. AG im Zeitraum 2001 bis 2003 wiederholt durch Geschäftsbeziehungen zu Unternehmen auf, die der Beteiligung an so genannten "Umsatzsteuerkarussellen" verdächtig waren. Dabei geht es darum, dass ein Handelsgegenstand tatsächlich oder scheinbar in einer Handelskette immer weiter veräußert wird und einer der Beteiligten, der so genannte "missing trader", die von ihm in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer vorsätzlich nicht entrichtet oder sich vorsätzlich oder leichtfertig außer Stande gesetzt hat, diese Steuer zu entrichten. Ziel ist es, den durch rechtswidrige Verkürzung der Umsatzsteuer erzielten Betrag zur Verbilligung der im Karussell weiter gelieferten Waren zu verwenden (vgl. BGH, NJW 2002, S. 3036 <3039>; NStZ 2003, S. 268).

In den Ermittlungen bezog sich der Verdacht auf drei konkrete Geschäftszusammenhänge: Im Juli 2003 sei die N. AG Teil einer mehrgliedrigen Lieferantenkette für 2500 Mobilfunkgeräte gewesen, in deren Verlauf möglicherweise gefälschte Lieferscheine und Rechnungen ausgestellt wurden. Im Januar und Februar 2002 habe die N. AG Mobilfunkgeräte teilweise erheblich unter Preis veräußert. Schließlich habe die AG mit zahlreichen Firmen in Italien Geschäftskontakte unterhalten, die teils als Scheinfirmen bekannt waren und gegen die teilweise der Verdacht der Steuerhinterziehung vorlag.

2. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 8. Dezember 2004 ordnete das Amtsgericht die Durchsuchung des Beschwerdeführers, seiner Wohnung, Fahrzeuge und "der ihm sonst zugänglichen Räume", seines Arbeitsplatzes und seiner Bankbehältnisse an. Sichergestellt werden sollten "sämtliche Unterlagen" und Datenträger,

"aus denen die Entstehung und Verwendung von Einkünften oder von Vermögenswerten sowie die Anknüpfung, die Durchführung und der Abschluss von Geschäften ersichtlich sind, die auf die Beihilfe zur Gestaltung der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Umsatzsteuer Rückschlüsse ziehen lassen."

Der Beschwerdeführer stehe im Verdacht, als leitender Angestellter Beihilfe zur strafbaren Hinterziehung von Umsatzsteuer geleistet zu haben, in dem er wissentlich und wollend im Rahmen so genannter Karussellgeschäfte mit Mobiltelefonen Hilfe leistete,

"Umsatzsteuer nicht abzuliefern, da er belegmäßig innergemeinschaftliche Lieferungen von Waren darstellte, obwohl den Abnehmern im EU-Ausland die erforderliche Verfügungsmacht über die Waren tatsächlich nicht verschafft worden ist,

Vorsteuern aus Einkaufsrechnungen von Waren geltend zu machen, denen wirtschaftlich relevante Lieferungen nicht zu Grunde gelegen haben, aber die beteiligten Unternehmen als Bestandteile eines wirtschaftlichen unsinnigen Warenkreislauf anzusehen sind."

Außerdem stehe der Beschwerdeführer in dem Verdacht, für das Jahr 2003 zu Unrecht die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer mit seiner Ehefrau beantragt zu haben, obwohl seine Ehefrau bereits im Jahr 2002 die bisherige gemeinsame Wohnung verlassen habe.

3. Im Rahmen der am 10. Dezember 2004 durchgeführten Durchsuchung sowohl des Büros als auch der Privatwohnung des Beschwerdeführers wurden verschiedene Unterlagen sichergestellt und auf dem Firmenserver der N. AG, dem persönlichen Computer des Beschwerdeführers und seinem Mobiltelefon gespeicherte Daten kopiert.

4. Die gegen den Durchsuchungsbeschluss gerichtete Beschwerde verwarf das Landgericht mit dem angegriffenen Beschluss vom 30. September 2005. Auf welche Indiztatsachen sich der Tatverdacht stütze, brauche im Durchsuchungsbeschluss nicht angegeben zu werden, zumal derartige Angaben "regelmäßig dem Zweck der Strafverfolgung zuwiderlaufen".

5. Mehrere Monate vor der hier gegenständlichen Durchsuchung hatte das Amtsgericht Oldenburg bereits mit im wesentlichen gleich lautenden Beschlüssen die Geschäftsräume der N. AG und der bei dieser tätigen Hauptverdächtigen durchsuchen lassen; die Durchsuchung beim Vorstandsvorsitzenden der N. AG war Gegenstand einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. April 2007 - 2 BvR 1797/05 -, WM 2007, S. 1046 ff.).

II.

1. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 10 Abs. 1 und 2 GG durch die Beschlagnahme und Auswertung der von ihm genutzten Mobiltelefone sowie aus Art. 13 Abs. 1 und 2, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG durch die Anordnung der Durchsuchung. Die von den Ermittlungsbehörden angeführten geschäftlichen Vorgänge begründeten keinen Tatverdacht, sondern seien jeweils rechtmäßig gewesen. Im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellen komme typischerweise eine Vielzahl so genannter "Buffer" vor, welche gerade nichts von ihrer Rolle und einem etwaigen Umsatzsteuerbetrug wüssten. Die angegriffenen Beschlüsse seien verfassungswidrig, weil sie die Verstrickung des Beschwerdeführers nicht ansatzweise darlegten, die vorgeworfenen Tathandlungen nicht angäben und die zu suchenden Beweismittel nicht eingrenzten. Die Durchsuchung sei im Übrigen unverhältnismäßig gewesen, weil weniger einschneidende Mittel zu Gebote gestanden hätten, etwa die exakte Überprüfung der bereits vorhandenen Belege oder die Einholung von Auskünften bei den jeweiligen Wohnsitzfinanzämtern der Lieferanten und Kunden.

Beim Auslesen des Mobiltelefons seien zu Unrecht § 100g und § 100h StPO nicht beachtet worden.

Der Richtervorbehalt des Art. 13 Abs. 2 GG sei offensichtlich nicht ausgeübt worden, weil der Durchsuchungsbeschluss bis auf leichte formale Veränderungen dem vorformulierten Antrag der Staatsanwaltschaft entspreche. Die nach der ersten Durchsuchungsaktion im Lauf des Jahres 2004 gewonnenen Zeugenaussagen und sonstigen Erkenntnisse sowie eine zwischenzeitliche Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts seien vom Ermittlungsrichter offensichtlich nicht berücksichtigt worden.

2. Das Niedersächsische Justizministerium hat von der ihm eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten 190 Js 65608/04 der Staatsanwaltschaft Oldenburg vorgelegen.

III.

Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Anordnung der Durchsuchung wendet, nimmt die Kammer die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist in einem die Zuständigkeit der Kammer nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG eröffnenden Sinne offensichtlich begründet.

Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Art und Weise der Durchsuchung richtet, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen; die Verfassungsbeschwerde hat insoweit keine Aussicht auf Erfolg.

1. Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG, soweit sie die Durchsuchung anordnen und die dagegen gerichtete Beschwerde verwerfen.

a) Eine Durchsuchung greift schwerwiegend in die von Art. 13 Abs. 1 GG geschützte Lebenssphäre ein (vgl. BVerfGE 42, 212 <219 f.>; 59, 95 <97>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>). Dem Gewicht dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vorbehält. Der Richtervorbehalt zielt auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme durch eine unabhängige und neutrale Instanz (vgl. BVerfGE 20, 162 <223>; 57, 346 <355 f.>; 76, 83 <91>; 103, 142 <150 f.>). Das Grundgesetz geht davon aus, dass Richter aufgrund ihrer persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit und ihrer strikten Unterwerfung unter das Gesetz die Rechte der Betroffenen im Einzelfall am besten und sichersten wahren können. Bei Maßnahmen wie der Durchsuchung, die regelmäßig ohne vorherige Anhörung des Betroffenen angeordnet werden, soll die Einschaltung des Richters auch dafür sorgen, dass die Interessen des Betroffenen angemessen berücksichtigt werden (vgl. BVerfGE 103, 142 <151>). Dies setzt eine eigenverantwortliche richterliche Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen voraus. Die richterliche Durchsuchungsanordnung ist keine bloße Formsache (vgl. BVerfGE 57, 346 <355>).

b) Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient auch dazu, die Durchführung der Eingriffsmaßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 103, 142 <151>). Dazu muss der Beschluss insbesondere den Tatvorwurf so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Dies versetzt den von der Durchsuchung Betroffenen zugleich in den Stand, die Durchsuchung seinerseits zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten von vornherein entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 42, 212 <221>; 103, 142 <151 f.>). Um die Durchsuchung rechtsstaatlich zu begrenzen, muss der Richter die aufzuklärende Tat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Der Richter muss weiterhin grundsätzlich auch die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so genau bezeichnen, wie es nach Lage der Dinge geschehen kann. Der Schutz der Privatsphäre darf nicht allein dem Ermessen der mit der Durchführung der Durchsuchung beauftragten Beamten überlassen bleiben (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>). Es enthebt den Ermittlungsrichter nicht der eigenen Mitteilung und Bewertung des aus seiner Sicht maßgeblichen Verdachts, dass sich aus dem im Beschluss nicht mitgeteilten Akteninhalt möglicherweise Verdachtshinweise ergeben können (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. März 2002 - 2 BvR 1619/00 -, NJW 2002, S. 1941 <1942> und vom 9. Februar 2005 - 2 BvR 984/04 u.a. -, NStZ-RR 2005, S. 203 <205>); denn das Gericht kann sich nicht darauf verlassen, dass der Akteninhalt auch den mit der Durchsuchung befassten Beamten vertraut ist und sie die Zielrichtung der Maßnahme entsprechend begrenzen können. Ein Durchsuchungsbefehl, der keinerlei tatsächliche Angaben über den Inhalt des Tatvorwurfs enthält und der zudem den Inhalt der konkret gesuchten Beweismittel nicht erkennen lässt, wird rechtsstaatlichen Anforderungen jedenfalls dann nicht gerecht, wenn solche Kennzeichnungen nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ohne weiteres möglich und den Zwecken der Strafverfolgung nicht abträglich sind (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>; 44, 353 <371>; 45, 82; 50, 48 <49>; 71, 64 <65>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. Februar 2005 - 2 BvR 984/04 u.a. -, NStZ-RR 2005, S. 203 <204>).

2. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen tragen die angegriffenen Entscheidungen nicht hinreichend Rechnung.

a) Die Schilderung der aufzuklärenden Straftaten im angegriffenen Beschluss beschränkt sich auf eine knappe und lediglich abstrakte Beschreibung des angenommenen Modells der Steuerhinterziehung, ohne den konkreten Lebenssachverhalt näher zu bezeichnen. Es bleibt gänzlich offen, auf welchen Handlungen der Tatverdacht beruht. Das Amtsgericht untersucht nicht, wie die einzelnen im Ermittlungsbericht aufgeführten Geschäftsabschlüsse, Warenlieferungen, geleisteten Zahlungen oder sonstigen Geschäftsvorfälle einzelnen Straftatbeständen zuzuordnen sind und weshalb sie auf eine strafrechtlich relevante Beteiligung gerade der N. AG hindeuten. Der Hinweis auf die Vornahme von so genannten Karussellgeschäften genügt dabei nicht; denn hierunter werden sehr unterschiedliche Verfahrensweisen zur Hinterziehung von Umsatzsteuer gefasst (vgl. dazu BFH, BB 2005, S. 702 <704>; Liebau, BB 2005, S. 415 ff.; Lohse, IStR 2005, S. 300 ff.; Hillmann-Stadtfeld, DStR 2002, S. 434 ff.).

Der Stand der Ermittlungen zum Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Durchsuchungsbeschlusses hätte eine eingehende rechtliche Prüfung des Tatverdachts erlaubt. Der Ermittlungsbericht des Finanzamts für Steuerfahndung schildert eingehend eine ganze Reihe von verdächtigen Vorgängen und Geschäftsbeziehungen der N. AG zu Unternehmen, gegen die aus den unterschiedlichsten Gründen Verdachtsmomente vorlagen (insoweit eingehend BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 3. April 2007 - 2 BvR 1797/05 -).

Eine genaue Bezeichnung und eine - zumindest ansatzweise - rechtliche Bewertung und Zuordnung der von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Sachverhalte, die nicht sämtlich strafrechtlich relevant sein dürften, wäre danach durchaus möglich gewesen. Gerade mit Blick auf den weitgefassten Tatzeitraum (Januar 2001 bis September 2003), der im Übrigen auch nicht näher erläutert wird, hätte zu einer genaueren, die verdachtsbegründenden Einzeltaten zumindest beispielhaft benennenden Prüfung Anlass bestanden. Der spezifische richterliche Beitrag, aus den vielfältigen tatsächlichen Ermittlungsergebnissen der Steuerfahndung diejenigen zu bezeichnen, die einen Straftatverdacht begründen, oder aber von dem Erlass der beantragten Maßnahme abzusehen, wird nicht geleistet. Eine Begrenzung der angeordneten Durchsuchung auf die verdachtsbegründenden Unterlagen findet nicht statt, die Fassung des Durchsuchungsbeschlusses legt den Zugriff auf nahezu alle Liefervorgänge des Unternehmens aus den Jahren 2001 bis 2003 nahe.

b) In dem angegriffenen Durchsuchungsbeschluss wird nicht ansatzweise aufgezeigt, welchen Tatbeitrag der Beschwerdeführer persönlich geleistet haben soll. Allein die Benennung seiner Position im Unternehmen der N. AG reicht angesichts des Umfangs der Geschäftstätigkeit nicht aus, den mutmaßlichen Tatbeitrag des Beschwerdeführers hinreichend genau zu kennzeichnen. Es wird auch nicht deutlich, inwiefern sich der vom Ermittlungsrichter nur als Beihilfe gewertete Beitrag des Beschwerdeführers von dem der übrigen, als Haupttäter beschuldigten Entscheidungsträgern unterschieden haben soll.

Soweit in den Ermittlungsakten und in der Beschwerdeschrift von möglicherweise steuerstrafrechtlich relevanten Vorgängen um die Beschaffung von zwei Flachbild-TV-Geräten die Rede ist, wird dies in den angegriffenen Beschlüssen nicht erwähnt und zur Begründung der Durchsuchung herangezogen.

c) Die Fassung des Durchsuchungsbeschlusses lässt danach besorgen, dass eine eigenverantwortliche Prüfung zur Erfüllung der Rechtsschutzfunktion des Richtervorbehalts gemäß Art. 13 Abs. 2 GG nicht stattgefunden hat. Zwar trifft es zu, dass allein die Übernahme des Antrags der Staatsanwaltschaft durch den Ermittlungsrichter noch nicht auf das Fehlen einer eigenverantwortlichen Prüfung des Sachverhalts schließen lässt. Auch müssen sich die Beschlussgründe grundsätzlich nicht zu jedem denkbaren Gesichtspunkt des Tatverdachts verhalten. Aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht hinnehmbar ist es aber, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände die Notwendigkeit der Erörterung eines offensichtlichen Problems aufdrängen musste und gleichwohl eine Prüfung vollständig fehlt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 28. September 2008 - 2 BvR 1800/07 -, juris). Solche Umstände lagen hier vor, weil die Räume der N. AG und die Büros und Wohnhäuser der Mitbeschuldigten des Beschwerdeführers bereits mehrere Monate zuvor durchsucht worden waren und anschließend die sichergestellten Unterlagen ausgewertet und zahlreiche Zeugen vernommen wurden. Angesichts dessen hätte es sich aufdrängen müssen, die Bedeutung der seither gewonnenen Erkenntnisse für den Verdacht gegen den Beschwerdeführer zumindest kurz darzulegen.

3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Beschluss des Landgerichts nicht deshalb zu beanstanden, weil er das Auslesen des Mobiltelefons des Beschwerdeführers für rechtmäßig hält. Die nach Abschluss des Übertragungsvorgangs im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers gespeicherten Verbindungsdaten werden nicht durch Art. 10 Abs. 1 GG, sondern durch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und gegebenenfalls auch durch Art. 13 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 115, 166 ff.).

4. Soweit der angegriffene Beschluss die Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers wegen des Verdachts der Abgabe einer unrichtigen Einkommensteuererklärung anordnet, wurde er vom Beschwerdeführer nicht angegriffen und vom Landgericht nicht geprüft, so dass er insoweit auch nicht Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist.

IV.

Die angegriffenen Entscheidungen werden gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen, das noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben wird.

Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG.

HRRS-Nummer: HRRS 2009 Nr. 466

Externe Fundstellen: NJW 2009, 2516

Bearbeiter: Stephan Schlegel