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HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 346

Bearbeiter: Stephan Schlegel

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvR 253/04, Beschluss v. 08.04.2004, HRRS 2004 Nr. 346


BVerfG 2 BvR 253/04 (1. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 8. April 2004 (OLG Dresden)

Auslieferung nach Weißrussland (Auslieferungsersuchen; Bewilligungsverfahren; Zusicherung; Spezialitätsgrundsatz); völkerrechtlicher Mindeststandard; unabdingbare verfassungsrechtliche Grundsätze; öffentlichen Ordnung; ordre public; gerichtliche Prüfungspflicht; Haftbedingungen (völkerrechtlicher Mindeststandard; Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung); Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (Rechtliches Gehör; Verfahren nach § 77 IRG in Verbindung mit § 33a StPO).

Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 25 GG; § 73 IRG; Art. 3 EMRK; Art. 7 IPbpR; § 77 IRG; § 33a StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Die bloße Möglichkeit oder auch die erklärte Absicht des Bundesministeriums der Justiz, im Rahmen des Bewilligungsverfahrens eine Zusicherung des ausländischen Staates zu einer den völkerrechtlichen Mindeststandards genügenden Haftunterbringung des Beschwerdeführers einzuholen und die Einhaltung der Zusicherung durch konsularische Maßnahmen zu überprüfen, vermag die verfassungsrechtlich geforderte Aufklärungs- und Prüfungspflicht des Oberlandesgerichts nicht einzuschränken oder die unterlassene Prüfung und Würdigung zu heilen. Der Beschwerdeführer kann nicht auf eine Prüfung der Haftbedingungen im Bewilligungsverfahren verwiesen werden kann.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die deutschen Gerichte bei der Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung von Verfassungs wegen gehalten zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zu Grunde liegenden Akte mit dem nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und mit den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung vereinbar sind (vgl. BVerfGE 63, 332, 337; 75, 1, 19).

3. Gegen den ordre public verstößt eine Rechtshilfehandlung, mit der der ersuchte Staat dazu beitragen würde, dass der Ausgelieferte der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe ausgesetzt würde. Auch die Auslieferung zur Verhängung oder Vollstreckung einer an sich zulässigen Strafe kann gegen den ordre public verstoßen und unzulässig sein, wenn zu besorgen ist, dass die zu erwartende oder verhängte Strafe im ersuchenden Staat in einer den Erfordernissen des Art. 3 EMRK nicht entsprechenden Weise vollstreckt werden würde.

Entscheidungstenor

Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. November 2003 - OLG 33 Ausl 58/03 - und vom 8. Januar 2004 - OLG 33 Ausl 58/03 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 25 des Grundgesetzes, soweit in ihnen die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig erklärt wird und Einwendungen gegen die Zulässigkeitserklärung zurückgewiesen werden. Sie werden insoweit aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Dresden zurückverwiesen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen im Verfahren der Verfassungsbeschwerde zu erstatten.

Gründe

I.

1. Der 1965 geborene Beschwerdeführer ist weißrussischer Staatsangehöriger. Am 24. November 2003 wurde er auf der Grundlage eines Auslieferungsersuchens der Staatsanwaltschaft der Republik Weißrussland vom 8. Oktober 2003 vorläufig festgenommen. Dem Auslieferungsersuchen liegt ein Haftbefehl des Staatsanwalts der Stadt Minsk vom 21. Februar 2000 zu Grunde. Hiernach soll der Beschwerdeführer im September 1994 als Gesellschafter eines Kleinunternehmens durch Täuschung dessen Direktor zur Aufnahme eines Kredits in Höhe von 124.000 US-Dollar veranlasst und sich das Geld rechtswidrig zugeeignet haben. In einer "Anordnung der Erhebung der Beschuldigung" vom 25. Juni 2003 heißt es, der Beschwerdeführer habe die Kreditsumme in Höhe von 123.660 US-Dollar auf ein Devisenkonto einer Handelsagentur bei der Hypo-Vereinsbank AG, Filiale Riesa, überwiesen und das Geld für eigene Zwecke verbraucht.

In dem Auslieferungsersuchen garantierte die Staatsanwaltschaft der Republik Weißrussland die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes.

2. Am 25. November 2003 erließ das Amtsgericht Leipzig nach vorheriger Anhörung des Beschwerdeführers eine vorläufige Festhalteanordnung. Im Rahmen seiner Anhörung hatte der Beschwerdeführer Einwendungen gegen seine Auslieferung erhoben.

3. Mit Beschluss vom 28. November 2003 ordnete das Oberlandesgericht Dresden die förmliche Auslieferungshaft an und erklärte die Auslieferung des Beschwerdeführers an die Republik Weißrussland zur Strafverfolgung wegen der in dem Haftbefehl des Staatsanwalts der Stadt Minsk vom 21. Februar 2000 genannten Straftat für zulässig. Gleichzeitig wies es die Einwendungen des Beschwerdeführers zurück. Sowohl nach deutschem wie nach weißrussischem Recht sei die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat als Betrug strafbar. Das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts sei entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht Prüfungsgegenstand des Auslieferungsverfahrens. Die Sachverhaltsschilderung enthalte schlüssig ein strafbares Verhalten. Es sei unerheblich, ob die Tat nach deutschem Recht verjährt sei, da eine deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei. Art. 10 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens - EuAlÜbk - stehe der Auslieferung nicht entgegen, zumal Weißrussland dem Übereinkommen nicht beigetreten sei. Der Haftgrund der Fluchtgefahr sei gegeben.

4. Mit Schreiben vom 12. Dezember 2003 beantragte der Beschwerdeführer unter gleichzeitiger Vorlage verschiedener Berichte zur Situation in Weißrussland, u.a. zu den dortigen Haftbedingungen, die Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls sowie eine erneute Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung.

Das Oberlandesgericht habe sich in seiner Entscheidung ausschließlich mit der Frage der Verjährung, nicht aber mit den weiter erhobenen Einwendungen der Verfassungswidrigkeit der Auslieferung nach Weißrussland und der Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes auseinandergesetzt. Eine Auslieferung nach Weißrussland sei auf Grund der dort herrschenden menschenrechtswidrigen Haftbedingungen unzulässig; im Hinblick auf seine jüdische Religionszugehörigkeit sei sogar von einer Verschärfung der Haftbedingungen auszugehen. Die Haftbedingungen beträfen nicht nur politisch Verfolgte, sondern alle Häftlinge. Eine Zusicherung der weißrussischen Seite im Einzelfall sei nicht ausreichend, da selbst nach Ansicht des Auswärtigen Amtes die Menschenrechtsverletzungen in Weißrussland Ausdruck eines nichtdemokratischen Systems seien. Eine Überwachung derartiger Einzelfallabreden durch die deutsche diplomatische Vertretung sei nicht möglich. Die Mindestanforderungen an eine verbindliche Zusicherung seien nicht gewahrt. Weiter werde der Spezialitätsgrundsatz verletzt; auf Grund seiner Vorgeschichte erschienen der nunmehr erhobene Tatvorwurf und das Auslieferungsersuchen lediglich als Vorwand, ihn finanziell zu verfolgen.

Auch stehe die Verjährung der ihm vorgeworfenen Straftat der Auslieferung entgegen. Schließlich sei kein Grund für die Anordnung der Auslieferungshaft gegeben, insbesondere nicht der der Fluchtgefahr.

5. Mit Beschluss vom 8. Januar 2004 wies das Oberlandesgericht Dresden die Einwendungen des Beschwerdeführers zurück. Es sei nicht substantiiert dargelegt, dass die weißrussischen Behörden die völkerrechtlichen Mindeststandards nicht einhalten würden und somit ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren nicht gewährleistet sei. Die in Weißrussland vorherrschenden Haftbedingungen stünden einer Auslieferung des Beschwerdeführers nicht entgegen. Nach Information der Generalstaatsanwaltschaft werde eine Auslieferung an Weißrussland vom Auswärtigen Amt regelmäßig nur bewilligt, wenn die Zusicherung Weißrusslands vorliege, dass bei der Unterbringung des jeweiligen Verfolgten die grundlegenden Garantien der Menschenrechte in der Haftanstalt beachtet würden. Die Einhaltung entsprechender Zusagen werde durch die deutsche Botschaft in Minsk regelmäßig kontrolliert. Beanstandungen seien bislang nicht vorgekommen. Der Hinweis auf die allgemein schlechten Haftbedingungen verfange nicht, da auf die im Einzelfall konkret zu erwartende Haftsituation abzustellen sei. Es sei nicht zu befürchten, dass dem Beschwerdeführer, der im Übrigen keinen Asylantrag gestellt habe, wegen seines jüdischen Glaubens politische Verfolgung drohe. Die Annahme einer Fluchtgefahr habe der Beschwerdeführer nicht entkräftet. Hinsichtlich der übrigen Einwendungen werde mangels neuer sachlicher und rechtlicher Gesichtspunkte auf den vorangegangenen Beschluss verwiesen.

6. Mit der Verfassungsbeschwerde, die sich ausschließlich gegen die Zulässigkeitserklärung richtet, rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 19 Abs. 4 GG. Zur Frage der Haftbedingungen in Weißrussland wiederholt er im Wesentlichen seine bisherigen Ausführungen. Im Ergebnis beinhalte auch der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 8. Januar 2004 keine Überprüfung der insoweit relevanten Fragen. Die Mindestanforderungen seien letztlich auch in Hinsicht auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes nicht gewahrt; eine entsprechende verfahrensrelevante Erklärung sei mindestens in Form einer Verbalnote einzureichen. Das Oberlandesgericht sei seinen Einwendungen zur Verletzung des Grundsatzes der Spezialität trotz seiner umfangreichen Schilderung im Beschluss vom 8. Januar 2004 nicht nachgegangen.

7. Dem Bundesministerium der Justiz ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Es hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.

II.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung eines der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 BVerfGG liegen insoweit vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 63, 332).

Die angegriffenen Beschlüsse des Oberlandesgerichts sind, soweit sie die Feststellung der Zulässigkeit der Auslieferung bzw. die Zurückweisung der insoweit erhobenen Einwendungen betreffen, unvereinbar mit dem nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und mit den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung und verletzen den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere im Hinblick auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. November 2003 fristgerecht erhoben. In dem hier zu beurteilenden Fall begann die Frist nach § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erst mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag vom 12. Dezember 2003. Der Antrag war auf Grund der in der Sache erhobenen Gehörsrüge jedenfalls auch als ein Antrag nach § 77 IRG in Verbindung mit § 33a StPO zu werten. Dabei handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, den der Beschwerdeführer im Auslieferungsverfahren zu stellen hat, um alle Rechtsbehelfe vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde auszuschöpfen (vgl. den Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 7. April 2003 - 2 BvQ 14/03 -). Ist ein solcher Antrag - wie hier - innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG gestellt, hält er die Verfassungsbeschwerdefrist offen (vgl. BVerfGE 19, 198, 200 zu § 33a StPO).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet, soweit mit dem angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 28. November 2003 die Auslieferung des Beschwerdeführers nach Weißrussland für zulässig erklärt worden ist und die Einwendungen des Beschwerdeführers hiergegen mit Beschluss vom 8. Januar 2004 zurückgewiesen worden sind.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die deutschen Gerichte bei der Prüfung der Zulässigkeit der Auslieferung von Verfassungs wegen gehalten zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zu Grunde liegenden Akte mit dem nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik Deutschland verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und mit den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung vereinbar sind (vgl. BVerfGE 63, 332 <337>; 75, 1 <19>; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2000 - 2 BvR 1560/00 -; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juni 2003 - 2 BvR 685/03 -, EuGRZ 2003, S. 518 <520>). § 73 IRG nimmt dieses verfassungsrechtliche Gebot auf der Ebene des einfachen Rechts auf, indem er ausdrücklich bestimmt, dass die Leistung von Rechtshilfe unzulässig ist, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde.

Gegen den ordre public verstößt eine Rechtshilfehandlung, mit der der ersuchte Staat dazu beitragen würde, dass der Ausgelieferte der Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe ausgesetzt würde. Die Ächtung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gehört inzwischen zum festen Bestand des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes (vgl. Art. 3 EMRK und Art. 7 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte). Auch die Auslieferung zur Verhängung oder Vollstreckung einer an sich zulässigen Strafe kann gegen den ordre public verstoßen und unzulässig sein, wenn zu besorgen ist, dass die zu erwartende oder verhängte Strafe im ersuchenden Staat in einer den Erfordernissen des Art. 3 EMRK nicht entsprechenden Weise vollstreckt werden würde (vgl. Vogler in: Grützner/Pötz, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, 2. Aufl., § 73 Rn. 12).

b) Das Oberlandesgericht ist der verfassungsrechtlich vorgegebenen Prüfungspflicht hinsichtlich der Einhaltung der völkerrechtlichen Mindeststandards in Bezug auf die Haftbedingungen nicht gerecht geworden. Der Beschwerdeführer hat im fachgerichtlichen Verfahren unter Vorlage verschiedener Erkenntnismittel vorgetragen, dass die Haftbedingungen in weißrussischen Gefängnissen den völkerrechtlichen Mindeststandards grundsätzlich nicht genügen. Inwieweit die dort enthaltenen Angaben zutreffen, hat das Oberlandesgericht nicht geprüft, obschon im Hinblick auf den Vortrag des Beschwerdeführers hierzu Anlass bestanden hätte. Stattdessen hat es lediglich auf die Praxis des Auswärtigen Amtes verwiesen, wonach die Bewilligung von Auslieferungen nach Weißrussland, die auf vertragsloser Grundlage erfolgen, regelmäßig von der Zusicherung der weißrussischen Seite abhängig gemacht wird, der jeweilige Verfolgte werde unter menschenwürdigen Bedingungen untergebracht, und ausdrücklich ausgeführt, die allgemeinen Haftbedingungen in Weißrussland seien nicht maßgebend, entscheidend sei vielmehr die im Einzelfall zu erwartende Haftsituation.

Die bloße Möglichkeit oder auch die erklärte Absicht des Bundesministeriums der Justiz, im Rahmen des Bewilligungsverfahrens eine Zusicherung der Republik Weißrussland zu einer den völkerrechtlichen Mindeststandards genügenden Haftunterbringung des Beschwerdeführers einzuholen und die Einhaltung der Zusicherung durch konsularische Maßnahmen zu überprüfen, vermag die verfassungsrechtlich geforderte Aufklärungs- und Prüfungspflicht des Oberlandesgerichts jedoch nicht einzuschränken oder die unterlassene Prüfung und Würdigung zu heilen. Denn die Rechtsschutzmöglichkeiten des Beschwerdeführers gegen die Bewilligungsentscheidung der Bundesregierung sind gegenüber denen im Verfahren auf Feststellung der Zulässigkeit der Auslieferung eingeschränkt (vgl. den Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2000 - 2 BvR 1560/00 -; BVerfGE 63, 215 <225 ff.>; Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts [Dreier-Ausschuß] vom 16. März 1983 - 2 BvR 429/83 -, EuGRZ 1983, S. 262 <263>). Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer nicht auf eine Prüfung der Haftbedingungen im Bewilligungsverfahren verwiesen werden kann.

Das Oberlandesgericht wird - auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesministeriums der Justiz im vorliegenden Verfassungsbeschwerde-Verfahren - zu prüfen haben, ob die Haftbedingungen in der Republik Weißrussland allgemein den völkerrechtlichen Mindeststandards genügen; gegebenenfalls müsste es die Erklärung der Zulässigkeit der Auslieferung von der Abgabe einer Zusicherung durch die weißrussischen Behörden über die Einhaltung dieser Mindeststandards hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers abhängig machen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass eine entsprechende Zusicherung seitens der weißrussischen Behörden nicht eingehalten werden würde.

3. Die weiter vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Fragen zur Verletzung des Spezialitätsgrundsatzes oder zum Vorliegen eines Auslieferungshindernisses wegen Verjährung bedürfen keiner Entscheidung, da die Verfassungsbeschwerde bereits aus den vorgenannten Gründen begründet ist.

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2004 Nr. 346

Externe Fundstellen: StV 2004, 440

Bearbeiter: Stephan Schlegel