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Bearbeiter: Stephan Schlegel

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BVR 1497/03, Beschluss v. 09.10.2003, HRRS-Datenbank, Rn. X


BVerfG 2 BVR 1497/03 (3. Kammer des Zweiten Senats) - 9. Oktober 2003

Auslieferung; Vollzugszwecke (Resozialisierung; Verwirklichung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit); Gleichheitssatz (allgemeiner; spezieller; Differenzierung nach Staatsangehörigkeit).

Art. 3 Abs. 1 GG; Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG; § 57 Abs. 2 StGB § 456a StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Weder § 57 Abs. 2 StGB noch § 456a StPO verstoßen gegen den speziellen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, da sie an keines der in dieser Vorschrift genannten Merkmale anknüpfen.

2. § 456a StPO verletzt nicht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) denn die Vorschrift dient der Entlastung des Strafvollzuges von wenig sinnvollen Resozialisierungs- und Sicherungsbemühungen gegenüber Verurteilten, die für die Allgemeinheit keine ernste Gefahr darstellen können, weil sie demnächst ausgeliefert oder ausgewiesen werden. Bei Verurteilten, die nicht verpflichtet werden können, Deutschland zu verlassen, ist hingegen darauf zu achten, dass die Vollzugszwecke mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erreicht sind, wenn die Vollstreckung eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe ausgesetzt werden soll.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nicht vorliegt (§§ 93a Abs. 2, 93b Satz 1 BVerfGG). Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt der Verfassungsbeschwerde nicht zu, und sie dient auch nicht der Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten des Beschwerdeführers, denn sie ist offensichtlich unbegründet.

Mit der Verfassungsbeschwerde hat der Beschwerdeführer allein eine vermeintliche Verletzung seines Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GG ausreichend substantiiert dargelegt. Indes verletzen die angegriffenen Entscheidungen weder den speziellen noch den allgemeinen Gleichheitssatz.

Der spezielle Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG) ist nicht verletzt, weil keines der dort verbotenen Differenzierungsmerkmale von den §§ 57 Abs. 2 StGB, 456a StPO verwendet wird. Die Ansicht des Beschwerdeführers, § 456a StPO könne nur Ausländer betreffen, ist bereits unzutreffend, nachdem Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG nun auch gesetzliche Regelungen zur Auslieferung Deutscher zulässt. Zudem wäre eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG unbedenklich, denn die Staatsangehörigkeit gehört nicht zu den dort aufgezählten Merkmalen, die eine Mindestsicherung gegen Diskriminierungen erreichen sollen (BVerfGE 51, 1 <30>).

Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht verletzt. § 456a StPO dient der Entlastung des Strafvollzuges von wenig sinnvollen Resozialisierungs- und Sicherungsbemühungen gegenüber Verurteilten, die für die Allgemeinheit keine ernste Gefahr darstellen können, weil sie demnächst ausgeliefert oder ausgewiesen werden. Gegenüber Verurteilten, die nicht verpflichtet werden können, Deutschland zu verlassen, ist hingegen darauf zu achten, dass die Vollzugszwecke mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erreicht sind, wenn die Vollstreckung eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe ausgesetzt werden soll.

Weitere substantiierte Darlegungen einer Verletzung spezifischen Verfassungsrechts (BVerfGE 95, 96 <128>) enthält die Verfassungsbeschwerde nicht.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Externe Fundstellen: NJW 2004, 356

Bearbeiter: Stephan Schlegel