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HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 499

Bearbeiter: Stephan Schlegel

Zitiervorschlag: BVerfG, 2 BvL 4/02, Beschluss v. 09.05.2006, HRRS 2006 Nr. 499


BVerfG 2 BvL 4/02 (1. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 9. Mai 2006 (AG Rinteln)

Konkrete Normenkontrolle (Richtervorlage; Angabe und Begründung eines anderen Ergebnisses bei Ungültigkeit der vorgelegten Norm); Entscheidungserheblichkeit (mittelbare Erheblichkeit; Verfassungswidrigkeit des Jugendstrafvollzuges; Trennbarkeit der Verurteilung zu einer Jugendstrafe vom Vollzug; Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung); Unzulässigkeitsentscheidung.

Art. 100 Abs. 1 GG; § 26 Abs. 1 JGG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Das Verfahren der konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ist nur zulässig, wenn das vorlegende Gericht in der Vorlage angegeben hat, inwiefern es für die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm ankommt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 42, 42, 49; 90, 145, 166). Das vorlegende Gericht muss erkennen lassen, dass es bei Gültigkeit der Regelung zu einem anderen Ergebnis als im Fall ihrer Ungültigkeit kommen und wie es dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 74, 236, 242; 90, 145, 166). Insoweit gilt ein strenger Maßstab (vgl. BVerfGE 78, 165, 178).

2. Die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Norm muss Vorfrage der vom Gericht zu treffenden Entscheidung sein. Beruht die Auslegung der zur Prüfung gestellten Norm auf der Annahme, ein anderes Gesetz sei verfassungswidrig, so hat es unter den sonst gegebenen Voraussetzungen wegen dieses Gesetzes vorzulegen. Eine Ausnahme kann im Fall mittelbarer Erheblichkeit vorliegen. So kann eine Norm auch dann entscheidungserheblich sein, wenn sie nicht unmittelbare Grundlage der Entscheidung ist, sondern aus ihr nur Schlüsse für die Auslegung oder den Fortbestand einer unmittelbar entscheidungserheblichen Norm zu ziehen sind, mit der Folge, dass die zu treffende Entscheidung bei Ungültigkeit der erstgenannten Norm eine andere wäre als bei deren Gültigkeit (vgl. BVerfGE 49, 260, 269 f.; 75, 166, 175).

3. Die - ersichtlich von niemandem bezweifelte - Verfassungsmäßigkeit der Jugendstrafe lässt sich unabhängig von der Frage der Verfassungsmäßigkeit der konkreten Ausgestaltung des Jugendstrafvollzugs beurteilen.

Entscheidungstenor

Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

Die Richtervorlage stellt folgende Frage:

Ist angesichts der Verfassungswidrigkeit des Jugendstrafvollzugs schon der Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung einer Jugendstrafe und damit § 26 Abs. 1 JGG verfassungswidrig, weil er [§ 26 Abs. 1 JGG] den verfassungsgemäßen Vollzug der Jugendstrafe nicht voraussetzt?

I.

1. Im Parallelverfahren 1 BvL 1/02 hat das vorlegende Amtsgericht das gegen den Angeklagten geführte Strafverfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorgelegt, ob angesichts der Verfassungswidrigkeit des Jugendstrafvollzugs schon die Verhängung der Jugendstrafe und damit § 17 Abs. 2 JGG verfassungswidrig sei, weil er den verfassungsgemäßen Vollzug der Jugendstrafe nicht voraussetze.

2. Gegen den dortigen Angeklagten richtet sich das Verfahren über den Widerruf der Bewährung gemäß § 26 Abs. 1 JGG in anderer Sache. Im Hinblick auf das Strafverfahren, das dem Vorlageverfahren 2 BvL 1/02 zu Grunde liegt, hat die Staatsanwaltschaft - nachdem ihr früherer Antrag auf Bewährungswiderruf abgelehnt worden war - erneut beantragt, die Bewährung zu widerrufen.

Das vorlegende Gericht sieht sich an einem Bewährungswiderruf gehindert, weil es den Jugendstrafvollzug für verfassungswidrig hält. Werde auf Jugendstrafe erkannt, so sei zwar die Verhängung dieser Jugendstrafe, also die Anordnung des Freiheitsentzugs, durch §§ 17 ff. JGG gedeckt. Bei der auf die Anordnung folgenden Vollstreckung der Jugendstrafe werde aber über den reinen Freiheitsentzug hinaus im Vollzugsalltag in vielfältiger Weise in die Grundrechte des Gefangenen eingegriffen. Hierfür bestehe - anders als im Erwachsenenstrafvollzug - keine gesetzliche Grundlage.

Das Gericht, das eine Verlängerung der Bewährungszeit oder weitere bzw. andere Auflagen nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 und 2 JGG für untunlich hält, sei bei der derzeitigen Gesetzeslage gezwungen, den Bewährungswiderruf auszusprechen und den Angeklagten damit einem verfassungswidrigen Strafvollzug zu überantworten. § 26 JGG mache es nicht zur Voraussetzung, dass die infolge des Widerrufs zu verbüßende Jugendstrafe auch in verfassungsgemäßer Weise vollzogen werde. Dies begründe seine Verfassungswidrigkeit. Sei § 26 Abs. 1 JGG verfassungswidrig, könne nach dieser Vorschrift kein Bewährungswiderruf erfolgen. Die Jugendstrafe sei nach Ablauf der Bewährungszeit gemäß § 26 a JGG zu erlassen.

3. Das Amtsgericht hat das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die eingangs aufgeführte Frage zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Vorlage ist unzulässig.

1. Das Verfahren der konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ist nur zulässig, wenn das vorlegende Gericht in der Vorlage angegeben hat, inwiefern es für die im Ausgangsverfahren zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Norm ankommt (§ 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG; vgl. BVerfGE 42, 42 <49>; 80, 59 <65>; 90, 145 <166>). Das vorlegende Gericht muss also erkennen lassen, dass es bei Gültigkeit der Regelung zu einem anderen Ergebnis als im Fall ihrer Ungültigkeit kommen und wie es dieses Ergebnis begründen würde (vgl. BVerfGE 74, 236 <242>; 90, 145 <166>). Insoweit gilt ein strenger Maßstab (vgl. BVerfGE 78, 165 <178>).

Die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Norm muss Vorfrage der vom Gericht zu treffenden Entscheidung sein. Beruht die Auslegung der zur Prüfung gestellten Norm auf der Annahme, ein anderes Gesetz sei verfassungswidrig, so hat es unter den sonst gegebenen Voraussetzungen wegen dieses Gesetzes vorzulegen. Eine Ausnahme kann im Fall mittelbarer Erheblichkeit vorliegen. So kann eine Norm auch dann entscheidungserheblich sein, wenn sie nicht unmittelbare Grundlage der Entscheidung ist, sondern aus ihr nur Schlüsse für die Auslegung oder den Fortbestand einer unmittelbar entscheidungserheblichen Norm zu ziehen sind, mit der Folge, dass die zu treffende Entscheidung bei Ungültigkeit der erstgenannten Norm eine andere wäre als bei deren Gültigkeit (vgl. BVerfGE 49, 260 <269 f.>; 75, 166 <175>).

Die Prüfung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm ist Sache des Bundesverfassungsgerichts. Weil aber die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des einfachen Rechts und dessen Anwendung auf den einzelnen Fall allein in der Hand des Fachgerichts liegen (vgl. BVerfGE 1, 418 <420>), kommt es für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit einer zur verfassungsgerichtlichen Prüfung gestellten Norm maßgeblich auf die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts an (vgl. BVerfGE 2, 181 <190 f.>; 57, 295 <315>). Das Bundesverfassungsgericht geht von dem Rechtsstandpunkt des vorlegenden Gerichts aus (Dollinger, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG-Mitarbeiterkommentar, 2. Aufl. 2005, Rn. 60 zu § 80 BVerfGG). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt nur dann vor, wenn die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts offensichtlich unvertretbar ist. Insoweit geht es um eine "Extrem- oder Evidenzkontrolle" (Ulsamer, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG-Kommentar, Rn. 276 ff. <279> zu § 80 BVerfGG, m.w.N.), die der Ausscheidung hypothetischer Verfassungsfragen dient, die ohne konkreten Bezug zum Gegenstand des Ausgangsverfahrens dem Bundesverfassungsgericht aufgedrängt werden sollen (vgl. BVerfGE 70, 173 <179 f.>). Es ist nicht Aufgabe des Instanzrichters, nach Wegen zur Anrufung des Verfassungsgerichts statt nach solchen zur Sachentscheidung zu suchen (vgl. Bettermann, Die konkrete Normenkontrolle und sonstige Gerichtsvorlagen, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. I, Verfassungsgerichtsbarkeit, 1976, S. 321 <362>).

2. Bei Anlegung dieses Maßstabs ist die Vorlage unzulässig.

Der von dem vorlegenden Gericht konstruierte innere Zusammenhang zwischen der die Voraussetzungen - also das "Ob" - der den Widerruf der Aussetzung einer Jugendstrafe regelnden Norm des § 26 Abs. 1 JGG und den für grundrechtsrelevante Maßnahmen im sich an eine solche Entscheidung anschließenden Jugendstrafvollzug erforderlichen gesetzlichen Regelungen - also der Regelung des "Wie" der Jugendstrafe - besteht selbst nicht in der Weise, dass die Frage der fehlenden gesetzlichen Regelung des Jugendstrafvollzugs im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mittelbar entscheidungserheblich wäre.

a) Die verfassungsrechtlichen Bedenken des vorlegenden Gerichts richten sich in der Sache nicht gegen § 26 Abs. 1 JGG. Diese Norm regelt ausschließlich die Voraussetzungen für den Widerruf der Aussetzung von Jugendstrafe durch den Jugendrichter. Der dem Ausspruch einer Jugendstrafe zu Grunde liegende, im Parallelverfahren 2 BvL 1/02 zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte § 17 Abs. 2 JGG wird vom Gericht auch selbst nicht als Grundlage für den Freiheitsentzug durch Jugendstrafe in Zweifel gezogen. Das vorlegende Gericht befasst sich vielmehr mit der sich erst im Anschluss an eine Verurteilung stellenden Frage, ob zu erwartende Grundrechtseingriffe im Rahmen des Jugendstrafvollzugs einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung hält es den Jugendstrafvollzug für vollständig verfassungswidrig. Das vorlegende Gericht stützt seine Annahme, § 26 Abs. 1 JGG sei verfassungswidrig, somit auf die Hypothese möglicher, insoweit noch fiktiver Grundrechtseingriffe im Strafvollzug während einer Vollstreckung der Jugendstrafe nach einem Widerruf der Strafaussetzung gegen den verurteilten Angeklagten des Ausgangsverfahrens. Damit beschreibt das Amtsgericht lediglich eine abstrakte Gefahr für Grundrechtspositionen des Angeklagten. Diese antizipierten Grundrechtseingriffe unterzieht es einer verfassungsrechtlichen Bewertung und überträgt seinen Schluss der Verfassungswidrigkeit auf § 26 Abs. 1 JGG.

Dabei lässt das Amtsgericht außer Acht, dass es im Ausgangsverfahren gegen den Angeklagten nur zu klären hat, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf der Aussetzung gegeben sind (vgl. allgemein für das Erkenntnisverfahren Rieß, in: Löwe-Rosenberg, Kommentar zur Strafprozessordnung, 25. Aufl. 1999, Einl. Abschn. F, Rn. 2). Die Durchsetzung der nach § 26 Abs. 1 JGG widerrufenen Aussetzung einer Jugendstrafe nach Maßgabe der vom Amtsgericht für unzureichend und daher für verfassungswidrig gehaltenen gesetzlichen Regelung über den Vollzug von Jugendstrafen ist grundsätzlich erst Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens (vgl. Rieß, a.a.O.).

Selbst wenn die vorgetragenen Bedenken hinsichtlich des gegenwärtigen Rechtszustands auf dem Gebiet des Jugendstrafvollzugs zuträfen, könnte das nur dahin führen, dass einzelne, konkrete Vollzugsmaßnahmen mit dem Grundgesetz unvereinbar wären. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass im Verfassungsbeschwerdeverfahren nur konkrete Maßnahmen des Jugendstrafvollzugs zur Prüfung gestellt werden können (Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 1994 - 2 BvL 22/91 -, NJW 1994, S. 2750 <2751> sowie vom 8. Dezember 1994 - 2 BvR 2250/94 -, NJW 1995, S. 2215). Folge einer rechtswidrigen, einen Verurteilten in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzenden Vollzugsmaßnahme wäre aber nicht, dass die in § 26 Abs. 1 JGG dem Grunde nach geregelte Möglichkeit des Widerrufs einer Aussetzung der Jugendstrafe als solche verfassungswidrig wäre (vgl. allgemein für die Jugendstrafe Bammann, RdJB 2001, S. 24 f., 33). Auf diese Feststellung kommt es dem Gericht - auch ausweislich seiner Vorlagefrage - aber in dem von ihm zu entscheidenden Ausgangsverfahren gerade an.

b) Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht unter der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Fällen mittelbarer Entscheidungserheblichkeit.

Das vorlegende Gericht hat den Zusammenhang zwischen der nach einem Widerruf der Aussetzung zu vollstreckenden Jugendstrafe und zu erwartenden Grundrechtseingriffen auf der Grundlage des geltenden Jugendstrafvollzugsrechts darin gesehen, bereits bei der Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung gemäß § 26 Abs. 1 JGG müsse berücksichtigt werden, dass die dann zu vollstreckende Jugendstrafe nach derzeitiger Rechtslage in einem verfassungswidrigen Strafvollzug erfolgen müsse.

Das Bundesverfassungsgericht hat Fälle mittelbarer Entscheidungserheblichkeit bisher nur ausnahmsweise und nur dann angenommen, wenn eine Norm zwar nicht unmittelbare Rechtsgrundlage für das geltend gemachte Begehren im Ausgangsverfahren ist, ihre verfassungsrechtliche Bewertung aber zugleich über die Verfassungsmäßigkeit der unmittelbar maßgeblichen Rechtsgrundlage entscheidet (vgl. BVerfGE 20, 296 <303>; 32, 346 <358>; 48, 29 <35 ff.> für den Fall, dass das unmittelbar entscheidungserhebliche Verordnungsrecht auf einer zur Nachprüfung gestellten gesetzlichen Ermächtigung beruht; BVerfGE 30, 227 <240 f.>; 32, 260 <266 f.>: das unmittelbar entscheidungserhebliche Verordnungsrecht wiederholt nur den wesentlichen Inhalt der zur Nachprüfung gestellten Gesetzesnorm; BVerfGE 49, 260 <269 f.>: entscheidungserhebliches Recht des BAT, das eine Verweisung auf das zur Nachprüfung gestellte Recht des BBesG enthält; BVerfGE 75, 166 <175 ff.>: entscheidungserhebliches Verordnungsrecht, das eine nachfolgend erlassene und zur Nachprüfung gestellte Gesetzesnorm erst verständlich macht).

Mit den dieser Rechtsprechung zu Grunde liegenden Fällen, die zugleich verdeutlichen, dass das Bundesverfassungsgericht nur in engen Grenzen die Einbeziehung nicht unmittelbar entscheidungserheblicher Normen in eine Vorlagefrage zulässt, ist das hier zu beurteilende Vorlageverfahren nicht zu vergleichen. Die - ersichtlich von niemandem bezweifelte - Verfassungsmäßigkeit der Regelung über den Widerruf der Aussetzung einer Jugendstrafe lässt sich unabhängig von der Frage der Verfassungsmäßigkeit der konkreten Ausgestaltung des sich an einen solchen Widerruf anschließenden Jugendstrafvollzugs beurteilen. Die Auffassung, eine Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage ergebe sich aus der mittelbaren Entscheidungserheblichkeit einer unzureichenden oder fehlenden Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe im Jugendstrafvollzug, erweist sich damit als offensichtlich unvertretbar. Das Anliegen des vorlegenden Gerichts mag zwar vor dem Hintergrund der Entscheidungen zum Erwachsenenstrafvollzug (vgl. BVerfGE 33, 1; 40, 276) rechtspolitisch verständlich sein. Es ist aber nicht auf einem verfassungsprozessual unzulässigen Weg zu erreichen, wenn die Grenze zur abstrakten Normenkontrolle gewahrt bleiben soll (vgl. BVerfGE 97, 49 <60 f., 66 f.>).

3. Gegen diese Auffassung ist nicht einzuwenden, das Bundesverfassungsgericht werde seiner Aufgabe der letztverbindlichen Auslegung des Grundgesetzes nicht gerecht und lasse die Frage des Fachgerichts unbeschieden. Maßnahmen des Jugendstrafvollzugs können nach §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 25 EGGVG vor den Senaten der Oberlandesgerichte angegriffen werden, die ebenfalls im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG die Legitimationsgrundlage für einzelne Grundrechtseingriffe im Strafvollzug zur verfassungsrechtlichen Überprüfung stellen können. Sieht das Oberlandesgericht von einer solchen Vorlage ab, steht dem verurteilten Jugendlichen die Möglichkeit offen, sich mit dem Ziel der Feststellung einzelner Grundrechtsverstöße gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts zu wenden.

4. Scheitert die Zulässigkeit der Vorlage bereits an ihrer unzureichenden Begründung, so bedarf es keiner Klärung, ob ein Unterlassen des Gesetzgebers als Verfassungsverstoß gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung gestellt werden kann (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 1994 - 2 BvL 22/91 -, NJW 1994, S. 2750 <2751> m.w.N.; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Dezember 2001 - 2 BvL 3/01 -, juris).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2006 Nr. 499

Bearbeiter: Stephan Schlegel