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HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 766

Bearbeiter: Stephan Schlegel

Zitiervorschlag: BVerfG, 1 BvR 2092/02, Beschluss v. 12.07.2007, HRRS 2007 Nr. 766


BVerfG 1 BvR 2092/02 (1. Kammer des Ersten Senats) - Beschluss vom 12. Juli 2007

Substantiierung der Verfassungsbeschwerde (Terrorismusbekämpfungsgesetz; Kontenabfrage; inhaltliche Auseinandersetzung mit den angegriffenen Normen; eigene Betroffenheit; Auseinandersetzung mit der Schwere des Eingriffs); Nichtannahmebeschluss.

§ 23 Abs. 1 S. 2 BVerfGG; § 92 BVerfGG; § 8 BVerfSchG; § 9 BVerfSchG; § 19 BVerfSchG; § 2 BNDG; § 24c KWG

Leitsätze des Bearbeiters

1. Hat eine Norm vielgestaltige Zwecksetzungen (hier § 23c KWG), muss der Beschwerdeführer die von ihm beanstandeten verfassungsrechtlichen Mängel der Norm mit Blick auf die verschiedenen Normziele benennen.

2. Wird eine Norm mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen, so reicht deren bloße Nennung nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine inhaltliche Auseinandersetzung in der Beschwerdeschrift.

Entscheidungstenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, da ihre Begründung den Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht genügt.

1. Soweit die Beschwerdeführer sich gegen § 24c Kreditwesengesetz (KWG) wenden, haben sie nicht hinreichend substantiiert dargelegt, inwieweit sie die angegriffene Norm für verfassungswidrig halten.

Die Beschwerdeführer machen Ausführungen lediglich zu der Frage, ob eine Beschränkung ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zum Zweck der Bekämpfung des Terrorismus hinnehmbar ist. Die in § 24c KWG vorgesehenen Abrufe von Kontostammdaten stehen jedoch nicht allein oder auch nur vorrangig im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung. Sie dienen vielmehr nach der Gesetzesbegründung zunächst aufsichtlichen Zwecken mit dem Ziel, "die Geldwäsche, das illegale Schattenbankenwesen und das unerlaubte Betreiben von Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäften... durch zentral durchgeführte Recherchearbeiten zu bekämpfen" (BTDrucks. 14/8017, S. 122). Diese weite Zielsetzung entspricht den weit gefassten aufsichtlichen Aufgaben der Finanzdienstleistungsaufsicht, vgl. § 6 Abs. 2 KWG. Darüber hinaus werden in § 24c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 KWG Abrufersuchen der Strafverfolgungsbehörden und der zur Durchführung des Außenwirtschaftsgesetzes zuständigen Behörden ermöglicht. Solche Abrufersuchen dienen den gesetzlich geregelten Aufgaben der ersuchenden Behörden, die sich gleichfalls nicht in der Terrorismusbekämpfung erschöpfen.

Angesichts der vielgestaltigen Zwecksetzung des § 24c KWG wäre den Beschwerdeführern möglich und zumutbar gewesen, die von ihnen beanstandeten verfassungsrechtlichen Mängel der Norm mit Blick auf die verschiedenen Normziele zu benennen. Die allgemeine Ablehnung eines automatisierten Abrufverfahrens und die pauschale Forderung nach einem Richtervorbehalt genügen dem Darlegungserfordernis insoweit nicht.

Im Übrigen wird hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von § 24c Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KWG auf den Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Juni 2007 (1 BvR 1550/03 u.a.) verwiesen.

2. Mit den teilweise angegriffenen Befugnissen des Bundesamts für Verfassungsschutz zur Überwachung von Wohnungen mit technischen Mitteln (§ 9 Abs. 2 Bundesverfassungsschutzgesetz <BVerfSchG>) setzen sich die Beschwerdeführer inhaltlich in keiner Weise auseinander. Diese werden am Ende der Beschwerdeschrift lediglich genannt. Dies erfüllt gleichfalls nicht die Anforderungen von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.

3. Auch hinsichtlich der in § 19 Abs. 4 Satz 7 BVerfSchG geregelten Einschränkung der Benachrichtigungspflicht nach einer Übermittlung personenbezogener Daten genügt die Verfassungsbeschwerde nicht dem Substantiierungserfordernis.

Die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die an die Kenntnischance des von einer informationsbezogenen staatlichen Maßnahme Betroffenen zu stellen sind, richten sich auch nach dem Gewicht der Maßnahme (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. -, unter C IV 2 a bb). Die Beschwerdeführer wenden sich jedoch lediglich generell gegen den Ausschluss der Benachrichtigungspflicht, ohne darauf einzugehen, auf welche Datenübermittlungen sie sich beziehen und welches Gewicht diesen Übermittlungen ihrer Ansicht nach zukommt. Auf dieser Grundlage bleibt die Rüge der Beschwerdeführer zu unbestimmt, um sich verfassungsrechtlich nachvollziehen zu lassen.

4. Soweit die Beschwerdeführer sich schließlich gegen die damaligen Befugnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Bundesnachrichtendienstes zur Erhebung von Informationen über Kontoinhalte und Kontenbewegungen wenden, haben sie die Möglichkeit einer eigenen Betroffenheit durch die angegriffenen Normen nicht hinreichend dargelegt.

Diese Normen sahen derartige Informationserhebungen zur Erfüllung bestimmter Aufgaben vor. § 8 Abs. 5 BVerfSchG a.F. verwies insoweit auf die Aufgabenbestimmungen von § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 BVerfSchG, die durchweg einen Bezug zu den auswärtigen Belangen der Bundesrepublik aufweisen. § 2 Abs. 1a Bundesnachrichtendienstgesetz (BNDG) diente der Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik sind, wie sich aus dem Verweis auf § 1 Abs. 2 Satz 1 BNDG ergab.

Angesichts dieser begrenzten Aufgabenbeschreibungen wäre den Beschwerdeführern möglich und zumutbar gewesen, darzulegen, inwieweit Informationen über ihre Konten für die von den Normen erfassten auswärtigen Belange der Bundesrepublik zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von Interesse sein könnten (vgl. BVerfGE 100, 313 <354>). An einer derartigen Darlegung fehlt es jedoch.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

HRRS-Nummer: HRRS 2007 Nr. 766

Bearbeiter: Stephan Schlegel