HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2024
25. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Freiheitsberaubung durch die absichtliche Blockade von Autobahnen und anderen Verkehrswegen?

Von Wiss. Mit. Christian Kaerkes, Köln[*]

A. Einleitung

Seit einiger Zeit werden Autobahnen und andere Verkehrswege durch (Klima-)Demonstranten blockiert, um für ihre politischen Ziele Aufmerksamkeit zu schaffen. Bei diesen Aktionen kleben sich einige Demonstranten oftmals auf der Fahrbahn fest, sodass die von der absichtlichen Blockade betroffenen Fahrzeuge nicht weiterfahren können. Üblicherweise wird aber nur eine Strafbarkeit wegen Nötigung (§ 240 StGB) angenommen. Das erscheint insofern bemerkenswert, als durch die absichtliche Blockade die Weiterfahrt der betroffenen Fahrzeuge verhindert wird; es bilden sich oftmals lange Staus. Damit wird prima facie aber nicht nur die Willensfreiheit beeinträchtigt, sondern auch die Fortbewegungsfreiheit – immerhin verbleiben die Personen, die an der Weiterfahrt gehindert werden, "gezwungenermaßen" in oder bei ihren Fahrzeugen, obwohl die Betroffenen den jeweiligen Ort der Blockade verlassen möchten. Das wirft die bisher kaum diskutierte Frage auf, ob auch eine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) denkbar erscheint. Die Antwort ist vor allem auch deshalb von Bedeutung, weil die Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) einen gegenüber der Nötigung (§ 240 StGB) erhöhten Strafrahmen aufweist: Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren anstatt bis zu drei Jahren. Interessant ist die Antwort auch, weil damit die schwierigen Auslegungsprobleme im Bereich der Nötigung (Stichwort: Gewaltbegriff) teilweise vermieden werden.[1]

B. Rechtliche Würdigung

Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung wäre, dass durch die absichtliche Blockade der Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges ein Mensch "auf andere Weise der Freiheit beraubt" werden würde, vgl. § 239 Abs. 1 StGB. Hierunter falle jede Handlung, welche objektiv die Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit bewirke.[2] Die Frage, ob dies für die absichtliche Blockade einer Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges zutrifft, wird indes nur vereinzelt erörtert.

I. Die Kommentierung im Leipziger-Kommentar

Schluckebier nimmt in seiner Kommentierung an, dass die absichtliche Blockade einer Autobahn "grundsätzlich" keine Freiheitsberaubung darstelle.[3] Die bloße Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit genüge für die Annahme einer Freiheitsberaubung noch nicht. Nicht ausreichen könnte es etwa, dass die betroffenen Personen aufgrund der absichtlichen Blockade einen Umweg in Kauf nehmen müssen.

Diesen Überlegungen ist im Ausgangspunkt zuzustimmen. Eine Freiheitsberaubung muss ausscheiden, wenn die Blockade einer Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges nur zu einem Umweg zwingt. Ein solcher Fall läge zum Beispiel vor, wenn eine Abfahrt durch die Demonstranten blockiert werden würde, sodass die Fahrzeuge die Autobahn erst an einer späteren Abfahrt verlassen könnten. Ein solcher Fall läge ebenfalls vor, wenn die Autobahn auf Höhe einer Abfahrt blockiert wird, sodass die Fahrzeuge zwar nicht weiter auf der Autobahn fahren, diese aber zumindest verlassen könnten. Auf anderen Verkehrswegen könnte sich die Blockade zum Beispiel auf einen Abbiegefahrstreifen beschränken, sodass die Fahrzeuge in eine ungewollte, einen Umweg darstellende Richtung weiterfahren müssten. In all diesen Fällen wird die Fortbewegungsfreiheit nur eingeschränkt, nicht aber in einer strafwürdigen Weise aufgehoben.

Das betrifft aber nur einen Ausschnitt aus den möglichen Fallkonstellationen. Die absichtliche Blockade einer Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges kann nicht nur zu einem Umweg für die Personen in den betroffenen Fahrzeugen führen. Wird die Autobahn zum Beispiel zwischen zwei Abfahrten blockiert, dann kann diese Blockade auch nicht mehr umfahren werden, sondern der Verkehr kommt vorübergehend vollständig zum Erliegen. Es erscheint auch denkbar, dass für bestimmte Fahrzeuge (etwa: Großraum-, Schwer- oder Langtransporte) eine Umfahrung der Blockade aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Das wäre etwa der Fall, wenn ein scharfes Abbiegen oder auch die Benutzung einer engen und kurvenreichen Alternativstrecke mit dem Fahrzeug ausgeschlossen ist. In diesen Fällen müssen die Fahrzeuge dann stehenbleiben, bis die absichtliche Blockade beendet wird.

Für diese Fälle beantwortet die Kommentierung nicht, warum es sich nur um eine "Einschränkung" der Fortbewegungsfreiheit handeln soll, die für eine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung unbeachtlich wäre. Auf den generellen Einwand, dass es sich immer nur um eine (bloße) Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit handelt (also unabhängig von der Möglichkeit eines Umweges), wird noch genauer eingegangen.

II. Die obergerichtliche Rechtsprechung

In der veröffentlichten Rechtsprechung findet sich nur eine Entscheidung des OLG Hamm, in der eine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung aber ausdrücklich abgelehnt wurde.[4] Das Gericht gesteht zu, dass die Fahrt zumindest vorübergehend nicht fortgesetzt werden könne. Die von der Straßenblockade betroffenen Personen hätten aber zumindest die Möglichkeit, auszusteigen und dann ihren Aufenthaltsort zu verändern. Hiergegen könne nicht eingewendet werden, dass die betroffenen Personen ihre Fahrzeuge zurücklassen und die Leitplanken überwinden müssten. Für die Strafbarkeit könne es insofern nicht genügen, dass die Fortbewegung im konkreten Fall beschwerlich oder ungewöhnlich sei. Es sei zu berücksichtigen, dass die Überwindung der Leitplanke keinen erheblichen Aufwand erfordere und den betroffenen Personen, aufgrund des ohnehin zum Erliegen gekommenen Verkehrs, außerdem keine Gefahren für Leben oder körperliche Unversehrtheit drohen würden.

1. Tatsächliche Einwände

Die Annahmen des OLG Hamm sind aber bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht unerheblichen Bedenken ausgesetzt. In den Fahrzeugen können sich auch Menschen mit körperlichen Behinderungen (oder ältere Menschen im Allgemeinen) befinden, die zwingend im Fahrzeug an Ort und Stelle verbleiben müssen, weil das Aussteigen aus dem Fahrzeug und erst recht die Überwindung der Leitplanke keine Alternativen darstellen. Für diesen Personenkreis bedeutet dann aber die Blockade der Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges eine de facto vollständige Aufhebung ihrer Fortbewegungsfreiheit. Die Nicht-Berücksichtigung dieser Personengruppen erschiene insbesondere im Hinblick auf das besondere Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG als problematisch.[5] In tatsächlicher Hinsicht muss außerdem die nahe Zukunft mitbedacht werden: Sobald die absichtliche Blockade der Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges beendet wird, kann der Verkehr wieder fließen und zu einer erheblichen Gefahr für alle Personen werden, die sich dann noch auf der Autobahn oder dem anderen Verkehrsweg befinden. Eine Gefahr dürfte insbesondere dann bestehen, wenn die absichtliche Blockade vor dem Eintreffen der Polizei (etwa: um einer Strafverfolgung zu entgehen) beendet wird.[6]

2. Der entscheidende Einwand der rechtlichen Unmöglichkeit

Die Entscheidung des OLG Hamm (und die naheliegende Begründung, die betroffenen Personen seien nach dem Aussteigen in ihrer Fortbewegungsfreiheit nicht eingeschränkt) überzeugt aber auch rechtlich nicht. Die Annahme, die betroffenen Personen könnten einfach aussteigen, erweist sich nämlich in rechtlicher Hinsicht als widersprüchlich und unzumutbar.[7] § 18 Abs. 9 S. 1 StVO ("Zu Fuß Gehende dürfen Autobahnen nicht betreten.") verbietet es den betroffenen Personen ihr Fahrzeug zu verlassen und dieses Verbot gilt selbst dann, wenn der Verkehr vollständig zum Erliegen gekommen ist.[8] Wenn die

Rechtsordnung den betroffenen Personen aber das Aussteigen aus ihren Fahrzeugen verbietet, dann kann die Freiheitsberaubung nicht widerspruchsfrei mit der Begründung abgelehnt werden, den betroffenen Personen verbleibe immer noch die Möglichkeit eben dieses rechtswidrigen Verhaltens. Am Rande: Diese vermeintliche Handlungsalternative stellt sogar eine Ordnungswidrigkeit (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO) dar, sodass das Alternativverhalten darüber hinaus auch unzumutbar sein dürfte.[9]

Auch die Begründung des OLG Hamm, dass die betroffenen Personen ja "unter Zurücklassung ihrer Fahrzeuge" weiterhin von ihrer Fortbewegungsfreiheit Gebrauch machen könnten, überzeugt nicht und begegnet durchgreifenden Bedenken. Die Vorstellung, dass der Fahrer einfach sein Fahrzeug mitten auf der Autobahn oder einem anderen Verkehrsweg stehenlassen könnte, erscheint – prima facie – fernliegend zu sein. Hinzu kommt, dass es erneut die Rechtsordnung selbst ist, die einem solchen Verhalten entgegensteht. § 18 Abs. 8 StVO verbietet nämlich das Halten (einschließlich: dem Parken) auf Autobahnen. Von diesem Verbot wird dabei auch der Fall erfasst, dass ein Fahrzeug ursprünglich verkehrsbedingt erlaubt angehalten hat, allerdings nach Auflösung des Staus nicht unverzüglich weitergefahren ist.[10] Zuwiderhandlungen werden wiederum als Ordnungswidrigkeit (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO) geahndet.[11] Es ist also jedenfalls dem Fahrer nicht möglich, sein Fahrzeug einfach "zurückzulassen" und sich beliebig von seinem Fahrzeug räumlich zu entfernen, denn er oder sie muss immer mit der Möglichkeit der Beendigung der absichtlichen Blockade und der Wiederaufnahme des Verkehrs rechnen. Eine ähnliche Rechtslage besteht auch für andere Verkehrswege.

Eine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung wäre aber selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn die betroffenen Personen aus ihren Fahrzeugen aussteigen dürften oder das rechtswidrige Verhalten zumutbar wäre. Eine Freiheitsberaubung liegt nämlich nach überwiegender Auffassung selbst dann vor, wenn noch "ein gewisser Radius zur Bewegung verbleibt, dieser jedoch nicht verlassen werden kann".[12] In der Rechtsprechung hat etwa das OLG Köln eine Freiheitsberaubung angenommen, als die Ausgänge einer (größeren) Kaserne durch Demonstranten blockiert wurden.[13] Dann kann eine Freiheitsberaubung aber jedenfalls nicht mit der Erwägung verneint werden, die betroffenen Personen könnten aus ihrem Fahrzeug aussteigen und sich in der Nähe des Fahrzeuges bewegen. Auch in diesem Fall wären die betroffenen Personen räumlich an ihr Fahrzeug gebunden[14] und könnten sich nicht beliebig weit entfernen. Selbst wenn man die mögliche Entfernung zum Fahrzeug großzügig (etwa: einige Hundert Meter) ansetzen würde, wäre eine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung nicht wegen des noch verbleibenden Bewegungsradius ausgeschlossen.

3. (Fort-)Geltung der Verbotsnormen

Eine letzte Bemerkung: Es kann auch nicht eingewendet werden, die rechtlichen Verbote würden in den Fällen der absichtlichen Blockade einer Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges nicht mehr bestehen, weil sich die von der Blockade betroffenen Personen auf einen rechtfertigenden Notstand berufen könnten. Zwar mag eine gegenwärtige Gefahr für die Fortbewegungsfreiheit bestehen, das Betreten der Fahrbahn (und ggf. das Zurücklassen des Fahrzeuges) sind aber keine zulässigen Notstandshandlungen. Der rechtfertigende Notstand dürfte nämlich bereits an der Erforderlichkeit der Notstandshandlung scheitern. Im rechtfertigenden Notstand muss hoheitliche Hilfe in Anspruch genommen werden, wenn diese zur Verfügung steht.[15] Im Regelfall werden aber Polizeibeamte innerhalb kurzer Zeit versuchen, die Blockade der Autobahn oder des Verkehrsweges zu beenden. Dann ist aber nicht ersichtlich, warum sich die von der Blockade Betroffenen über die angesprochenen Verbote hinwegsetzen dürfen sollten.

Auch die grundsätzliche Anwendbarkeit des rechtfertigenden Notstands erscheint zweifelhaft, denn zu Verkehrsbeeinträchtigungen auf deutschen Autobahnen kommt es täglich und zwar in großem Ausmaß. Würde es der rechtfertigende Notstand tatsächlich erlauben, die Autobahn zu betreten, dann müsste man dem Gesetzgeber unterstellen, in der Straßenverkehrsordnung eine Regelung geschaffen zu haben, deren Anwendungsbereich erheblich durch die als Ausnahme gedachte Regelung des rechtfertigenden Notstands eingeschränkt werden würde. Jede Person, die sich im Stau befindet, könnte von § 18 Abs. 9 StVO mit der Begründung abweichen, jenes Verbot beschränke ihre Fortbewegungsfreiheit. Es erscheint daher sinnvoll, anzunehmen, dass die Folge (die Einschränkung der Fortbewegungsfreiheit im Falle einer Verkehrsbehinderung) durch den Gesetzgeber einkalkuliert wurde. Eine solche einkalkulierte Folge begründet jedoch nach allgemeinen

Grundsätzen (Sperrwirkung des spezielleren Gesetzes) gerade keinen rechtfertigenden Notstand.[16]

III. Keine durchgreifenden Einwände

Gegen die Berücksichtigung der rechtlichen Unmöglichkeit der Fortbewegung im Fall der absichtlichen Blockade einer Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges sind keine durchgreifenden Einwände ersichtlich. Im Folgenden soll auf die möglichen Einwände eingegangen und gezeigt werden, dass diese der vorgeschlagenen Auslegung nicht entgegenstehen.

1. Abgrenzung zur bloßen Erschwerung der Fortbewegung

Es könnte möglicherweise eingewendet werden, dass für eine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung es nicht genügen könne, die Fortbewegung nur zu erschweren. Dieses Argument hatte sich bereits bei Schluckebier angedeutet. Eine bloße Erschwerung soll nach dem BGH vorliegen, wenn die Türe zu einem Zimmer im Erdgeschoss hinter einer Person verschlossen wurde, das Zimmer aber noch durch ein Fenster verlassen werden könnte.[17] Fischer verweist auch auf den Fall, dass ein Fahrzeug dem Berechtigten weggenommen oder unbrauchbar gemacht worden sei.[18] Aus diesen beiden Beispielen kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, die absichtliche Blockade einer Autobahn erschwere nur die Fortbewegung. Die beiden genannten Beispiele unterscheiden sich nämlich in einem entscheidenden Punkt von einer (absichtlichen) Blockade einer Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges. Das verschlossene Zimmer darf rechtmäßig durch das Fenster oder auf anderem Wege verlassen werden, während eine solche, rechtmäßige Alternative für die Personen in den Fahrzeugen nicht besteht. Für die Personen in den Fahrzeugen ist das Fenster (metaphorisch gesprochen) ebenfalls verschlossen; nicht durch ein Schloss oder Gitterstäbe, sondern durch die Rechtsordnung selbst.[19]

Das Gleiche muss auch für das von Fischer genannte Beispiel (ein Fahrzeug wird weggenommen oder unbrauchbar gemacht) gelten. Auch in diesem Beispiel steht der betroffenen Person, durch die Fortbewegung zu Fuß oder mithilfe eines anderen Verkehrsmittels, eben eine Alternative zur Verfügung, die rechtmäßig in Anspruch genommen werden kann. Auch wenn diese Alternative die Fortbewegung möglicherweise verlangsamt oder auch erschwert, die Alternative steht grundsätzlich zur Verfügung. Im hier diskutierten Fall einer absichtlichen Blockade, sei es nun einer Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges, steht eine solche Alternative für die betroffenen Personen nicht zur Verfügung. Die Rechtsordnung zwingt die betroffenen Personen, in ihren Fahrzeugen zu verbleiben und nach Ende der Blockade unverzüglich weiterzufahren (sodass es auch nicht möglich ist, das Fahrzeug "zurückzulassen"). Aus diesen Gründen wird durch die absichtliche Blockade die Fortbewegung nicht nur erschwert, sondern vielmehr die rechtmäßige Fortbewegung vollkommen ausgeschlossen.

2. Abgrenzung zur Aussprache von Verboten als unmittelbarer Tathandlung

Zwei weitere Einwände könnten aus einer Entscheidung des LG Düsseldorf abgeleitet werden, in der die Strafbarkeit eines Lehrers in Rede stand, der es einigen Schülern verboten hatte, den Klassenraum zu verlassen. Dieses Verbot (auch verbunden mit möglichen Disziplinarmaßnahmen) könnte keine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) begründen.[20] Seine Rechtsauffassung begründet das LG Düsseldorf mit der Überlegung, dass es ansonsten zu einer "Entgrenzung der Strafbarkeitsvoraussetzungen" komme. Außerdem deutet das Landgericht an, es müsse in beiden Alternativen des § 239 StGB (also: "einsperren" und "auf andere Weise der Freiheit beraubt") eine Fortbewegung unmöglich werden. Diese Entscheidung steht in einem gewissen Widerspruch zu einer Entscheidung des BGH, in der das Gericht die "Angst vor weiteren Sanktionen und Schlägen und weil er sonst im Freien hätte übernachten müssen" für eine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung hatte ausreichen lassen.[21] Die Anforderungen des Landgerichts scheinen danach inhaltlich strenger zu sein als die Anforderungen des Bundesgerichtshofs.

Die Begründung des LG Düsseldorf schließt eine Strafbarkeit in den Fällen einer absichtlichen Blockade einer Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges aber ohnehin nicht aus. Zunächst macht es einen normativ erheblichen Unterschied, ob gerade die Tathandlung selbst darin besteht, die Fortbewegung zu verbieten (der Fall des Landgerichts) oder, ob die Tathandlung die Fortbewegungsfreiheit unmittelbar einschränkt und nur die (möglichen) Alternativhandlungen von der Rechtsordnung verboten werden (der Fall der absichtlichen Blockade). Für die Person besteht nämlich kein Anlass, ein rechtswidriges Verbot zu befolgen, welches eine andere Person ausgesprochen hat.[22] Im Gegensatz dazu müssen rechtmäßige Verbote der Rechtsordnung aber grundsätzlich beachtet werden. Die Aussprache eines Verbotes durch den Täter führt also nicht zur vollständigen Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit, die Blockade des einzig erlaubten Weges hingegen durchaus.

3. Keine unverhältnismäßige Ausweitung der Strafbarkeit

Auch die inhaltliche Begründung des LG Düsseldorf steht einer Strafbarkeit absichtlicher Blockaden von Autobahnen und anderen Verkehrswegen nicht entgegen. Die Gefahr einer unverhältnismäßigen Ausweitung der Strafbarkeit könnte im schulischen Kontext deshalb entstehen, weil Entscheidungen des Lehrpersonals unmittelbar in diesem Moment getroffen werden müssen und es deswegen zu rechtswidrigen Fehlentscheidungen kommen kann. Diese Gefahr liegt aber im demonstrationsrechtlichen Kontext grundsätzlich nicht vor. In diesen Fällen ist regelmäßig ausreichend Zeit, um die Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit der Demonstration auf der Autobahn oder einem anderen Verkehrsweg gerichtlich (notfalls auch im Eilrechtsschutz) feststellen zu lassen.[23] Soweit es sich ausnahmsweise um Spontanversammlungen handelt, für die eine gerichtliche Entscheidung nicht mehr eingeholt werden kann, kann dem über die Irrtumsregel des § 17 StGB ausreichend Rechnung getragen werden. Der Einwand der unverhältnismäßigen Ausweitung der Strafbarkeit kann deshalb nicht auf die Fälle einer absichtlichen Blockade der Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges übertragen werden.

4. Psychische Wirkung eines Verbots ausreichend

Teilweise wird aber auch angenommen, die Freiheitsberaubung könne nicht durch eine "allein psychische Wirkung" auf die Fortbewegungsfreiheit verwirklicht werden.[24] Diese Ansicht vermag allerdings nicht zu überzeugen. Bereits der weitgehend offene Wortlaut des Gesetzes "auf andere Weise der Freiheit beraubt" spricht dafür, nur psychische Wirkungen zu berücksichtigen. Insbesondere steht diese Tatbestandsalternative auch in einer Art "Auffangverhältnis" zur Einsperrung, die tatsächlich eine physische Wirkung zu implizieren scheint. Jedenfalls ist aber auch die Sichtweise der betroffenen Personen einzubeziehen: Für diese Personen macht es jedoch keinen Unterschied, ob sie von ihrer rechtlich geschützten Fortbewegungsfreiheit wegen einer physischen oder psychischen Schranke keinen Gebrauch machen können. Wortlaut, aber auch Telos der Norm, sprechen somit für ein Verständnis der Freiheitsberaubung, das die Herbeiführung einer Situation einschließt, in der die verbleibende Möglichkeit zur Fortbewegung durch Rechtszwang aufgehoben ist. Hier macht es einen Unterschied, dass die Freiheitsberaubung, anders als die Nötigung, tatbestandlich nicht die Anwendung von Gewalt erfordert. Deswegen kann die Strafbarkeit einer absichtlichen Blockade nicht verneint werden – selbst dann nicht, wenn man den rechtlichen Verboten oder auch der Blockade nur die Qualität einer psychischen Barriere zuspricht.[25]

5. Keine unerwünschten Ergebnisse

Ein weiterer Einwand könnte lauten, dass die Berücksichtigung von rechtlichen Verboten auch zu unerwünschten Ergebnissen führen würde. Die Verursachung eines Verkehrsunfalls könnte eine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung nach sich ziehen, weil die Rechtsordnung den Beteiligten verbietet, sich von der Unfallstelle zu entfernen. Eine Strafbarkeit (wegen Freiheitsberaubung) droht in dem genannten Fall allerdings schon deshalb nicht, weil die meisten Verkehrsunfälle nur fahrlässig verursacht werden, die Freiheitsberaubung aber vorsätzliches Handeln voraussetzt. Das gilt auch nicht nur für das konkrete Beispiel eines Verkehrsunfalls, sondern ganz generell.

6. Auslegung ist mit den (Erfolgs-)Qualifikationen vereinbar

Auch den Qualifikationen des § 239 in Abs. 3 und 4 StGB kann kein durchgreifender Einwand entnommen werden, weil sie kein (zwingendes) Argument für die Annahme liefern, dass von der Freiheitsberaubung nur die tatsächliche Unmöglichkeit der Fortbewegung erfasst sein sollte. Zwar dürfte eine Freiheitsberaubung von länger als einer Woche (Abs. 3 Nr. 1) nur durch eine tatsächliche Unmöglichkeit der Fortbewegung verwirklicht werden können, allerdings können die beiden weiteren (Erfolgs-)Qualifikationen (Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4) auch durch eine rechtliche Unmöglichkeit verwirklicht werden. Die überwiegende Auffassung sieht Abs. 4 etwa als erfüllt an, wenn die betroffene Person versucht zu flüchten und dabei zu Tode kommt.[26] Diese Konstellation kann aber auch im Fall der rechtlichen Unmöglichkeit auftreten: Eine Person ist nicht mehr bereit, das Ende der absichtlichen Blockade abzuwarten, verlässt ihr Fahrzeug, um sich zu Fuß zu entfernen und wird bei der Überquerung des Seitenstreifens von einem anderen Fahrzeug erfasst und entweder schwer (Abs. 3 Nr. 2) oder gar tödlich (Abs. 4) verletzt.[27] Wenn hiernach durchaus Fälle der rechtlichen Unmöglichkeit vorstellbar sind, die § 239 Abs. 3 Nr. 2 oder Abs. 4 StGB erfüllen, dann kann die systematische Auslegung keinen durchgreifenden Einwand gegen die hier vertretene Position begründen.

IV. Unzumutbarkeit der Fortbewegung

Auch die herrschende Meinung kommt zu einer Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung, wenn den betroffenen Personen die verbleibenden Fortbewegungsalternativen unzumutbar sind. Unzumutbarkeit liege allerdings nicht bei "jeder realen Hemmung des Opfers, bestimmte Entfernungsmöglichkeiten zu nutzen" vor, wobei an die Unzumutbarkeit auch keine "überspannte[n]Anforderungen"

gestellt werden dürfen.[28] Eine solche Unzumutbarkeit liegt im Fall einer Blockade einer Autobahn (oder eines anderen Verkehrsweges) vor, weil sich die betroffenen Personen nur dann fortbewegen könnten, wenn sie sich über Verbote der Rechtsordnung hinwegsetzen würden und damit eine Ordnungswidrigkeit begingen. Die Missachtung der Rechtsordnung muss sich aber doch aus grundsätzlichen Erwägungen (immerhin handelt es sich bei der Pflicht zur Achtung der Gesetze um die bürgerliche Grundpflicht) heraus als unzumutbar darstellen.

Schlechthin unzumutbar ist aber die Annahme, der Fahrer müsse nur sein Fahrzeug zurücklassen und könne dann beliebig von seiner Fortbewegungsfreiheit Gebrauch machen. Hier stünde zunächst eine Strafbarkeit des Fahrers im Raum, wenn dieser sein Fahrzeug tatsächlich mitten auf der Straße stehenlassen würde. Denn nach dem Ende der ersten Blockade wäre es nämlich das Fahrzeug des sich entfernenden Fahrers, das nun die Straße blockiert. Die Strafbarkeit des Fahrers wegen Nötigung[29] oder Freiheitsberaubung (durch Unterlassen) könnte zumindest nicht ausgeschlossen werden. Zudem erscheint auch eine Entziehung der Fahrerlaubnis als möglich, weil der Fahrer durch ein solches Verhalten zur Genüge demonstrieren dürfte, dass er im Sinne des § 3 Abs. 1 StVG auch "ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen" sein könnte. Unabhängig von diesen erheblichen Konsequenzen würde das Fahrzeug durch die Polizei innerhalb kürzester Zeit von der Fahrbahn entfernt (d.h. "abgeschleppt") werden. Hierdurch entstünden dem Fahrer im Regelfall nicht unerhebliche Kosten.

Für die Unzumutbarkeit spricht außerdem das hohe Gewicht des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG), das sich im konkreten Fall (eines Fahrzeugs) auch aus den erheblichen Anschaffungskosten sowie der Bedeutung für die Verwirklichung anderer verfassungsrechtlich geschützter Freiheitsrechte (etwa: die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1) ergibt. Diese Wertung kann auch aus dem Strafrecht entnommen werden: In einigen Vorschriften, im straßenverkehrsrechtlichen Zusammenhang etwa: §§ 315b und 315c StGB, werden etwa nicht allein Leben und körperliche Unversehrtheit (mit-)geschützt, sondern auch Sachen von bedeutendem Wert. Insbesondere schützt das Strafrecht auch nicht nur das Eigentum, sondern auch das Gebrauchsrecht (§ 248b StGB) an Kraftfahrzeugen. Die vorübergehende "Aufgabe" des Fahrzeuges im Falle einer absichtlichen Blockade muss daher als unzumutbar angesehen werden.[30] Im Ergebnis erscheint die hier vorgeschlagene Auslegung der Freiheitsberaubung auch vor dem Hintergrund der herrschenden Meinung plausibel.

V. Positive Begründung der vorgeschlagenen Auslegung

Nach hier vertretener Auffassung macht sich wegen Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) also strafbar, wer einen von mehreren Wegen, sich von einem bestimmten Ort zu entfernen, blockiert, soweit die tatsächliche Inanspruchnahme aller anderen Wege durch die Rechtsordnung verboten wird. Die Freiheitsberaubung schützt die Möglichkeit des Einzelnen, von seiner Fortbewegungsfreiheit in rechtmäßiger Weise Gebrauch zu machen. Die Inanspruchnahme anderer Wege könnte daher als ein Fall "rechtlicher Unmöglichkeit" bezeichnet werden.

Der Wortlaut des § 239 StGB steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Im Gegenteil: Die Formulierung "oder auf andere Weise der Freiheit beraubt" deutet eher auf einen möglichst umfassenden Schutz der Fortbewegungsfreiheit des Einzelnen hin. Die Freiheitsberaubung unterscheidet sich also insofern von der Nötigung, bei der der Wortlaut "mit Gewalt" der möglichen Auslegung Grenzen zieht, die nicht überschritten werden dürfen. Durch die vorgetragene Auslegung wird auch der bereits aufgezeigte Widerspruch vermieden, dass die Rechtsordnung die Freiheitsberaubung ansonsten mit der Begründung ablehnen müsste, die von der absichtlichen Blockade Betroffenen könnten sich immer noch rechtswidrig verhalten. Zu bedenken ist auch, dass die rechtliche Unmöglichkeit in anderen Rechtsgebieten anerkannt wird (zum Beispiel in § 275 Abs. 1 BGB) und ein Grundprinzip unserer Rechtsordnung darstellt. Die rechtliche Unmöglichkeit wird im Allgemeinen gerade deshalb anerkannt, um die Einheit der Rechtsordnung zu wahren.[31] Dann würde es indes einen systematischen Widerspruch bedeuten, wenn die Erwartung, dass eine rechtlich unmögliche Handlung vorgenommen wird, zivilrechtlich verworfen würde, allerdings strafrechtlich fortbestehen soll.

Für diese Auslegung spricht außerdem das erhebliche Gewicht der Fortbewegungsfreiheit, wie sich bereits an Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG zeigt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG kommt dem (Grund-)Recht auf Freiheit, selbst im Vergleich zu anderen Grundrechten, ein besonders hoher Rang zu.[32] Diese besondere Bedeutung der Fortbewegungsfreiheit zeigt sich etwa auch an der strafrechtlichen Regelung des entschuldigenden Notstands (§ 35 StGB).[33] Dann erscheint es aber auch nur konsequent, dieser besonderen Bedeutung durch einen umfassenden Schutz der Fortbewegungsfreiheit Rechnung zu tragen (und die rechtliche Unmöglichkeit der Fortbewegung in der Beurteilung der Strafbarkeit zu berücksichtigen). Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass es für einen rechtstreuen Bürger keinen Unterschied macht, ob seine Fortbewegungsfreiheit nicht ausgeübt werden kann (tatsächliche Unmöglichkeit) oder nicht ausgeübt werden darf (rechtliche

Unmöglichkeit). Beide Fallkonstellationen sollten dann aber gleichermaßen von § 239 StGB erfasst werden.

Die Ausweitung der Freiheitsberaubung auf die Fälle der rechtlichen Unmöglichkeit ist außerdem noch aus einem weiteren Grund sinnvoll: Eine Verurteilung allein wegen Nötigung würde nämlich dem verwirklichten Unrecht in den hier behandelten Fällen nicht gerecht, denn dieses beschränkt sich nicht auf eine Beeinträchtigung der Willensfreiheit.[34] Diesem Unrecht vermag man aber nur dadurch Rechnung zu tragen, dass die rechtliche Unmöglichkeit im Rahmen der Freiheitsberaubung anerkannt wird.

VI. Abschließende (verfassungs-rechtliche) Bemerkungen

Eine Strafbarkeit wegen Freiheitsberaubung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn die Demonstranten es gerade auf die Blockade der Autobahn (oder eines anderen Verkehrsweges) anlegen.[35] Eine Strafbarkeit scheidet hingegen aus, wenn es sich bei der Blockade um die unbeabsichtigte Nebenfolge der Demonstration handelt (etwa: die Fahrzeuge müssen warten, bis eine größere Anzahl an Demonstranten vorbeigezogen ist). An diesen Grundsätzen ändert sich durch die Berücksichtigung einer "rechtlichen Unmöglichkeit" der Fortbewegung nichts. Eine Verwirklichung des Tatbestandes kommt in den "Nebenfolgen-Fällen" aufgrund der Ausstrahlungswirkung der Versammlungsfreiheit (vgl. Art. 8 GG) nicht in Betracht. Die Versammlungsfreiheit schließt allerdings die Einbeziehung der rechtlichen Unmöglichkeit der Fortbewegung in den Tatbestand der Freiheitsberaubung nicht kategorisch aus. Die "Nebenfolgen-Fälle" unterscheiden sich nämlich normativ von den Fällen einer absichtlichen Blockade.[36] Hier zwingt die Versammlungsfreiheit nicht generell dazu, das Verhalten als rechtmäßig oder jedenfalls als straflos anzusehen, sondern es bedarf einer genaueren Abwägung im Einzelfall.[37] Anzumerken ist allerdings noch, dass auch der EGMR bereits strafrechtliche Verurteilungen wegen der absichtlichen Blockade von Autobahnen oder anderen Verkehrswegen gebilligt hat.[38]

C. Ergebnis

Die absichtliche Blockade einer Autobahn oder eines anderen Verkehrsweges stellt, wenn den betroffenen Personen ein Umfahren der Blockade nicht mehr möglich ist, eine Freiheitsberaubung dar.[39] Im Rahmen der Freiheitsberaubung muss berücksichtigt werden, dass die Freiheit, genauer: die Fortbewegungsfreiheit, einer Person nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich aufgehoben werden kann. Eine Freiheitsberaubung kann also nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die betroffenen Personen könnten sich weiterhin fortbewegen, wenn die Fortbewegung gleichzeitig von der Rechtsordnung verboten wird. Man kann insofern von einem Fall rechtlicher Unmöglichkeit der Fortbewegung sprechen. Die Versammlungsfreiheit steht dieser Auffassung nicht entgegen.


[*] Der Verfasser Christian Kaerkes ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität zu Köln.

[1] Es ließe sich insbesondere auch eine Strafbarkeit begründen, wenn nur einzelne Fahrzeuge von der absichtlichen Blockade betroffen sind, sodass die "Zweite-Reihe-Rechtsprechung" (vgl. etwa: BGHSt 41, 182 (187) und zur Verfassungskonformität etwa: BVerfG, NJW 2011, 3020 (3021 f.)) keine Anwendung findet.

[2] Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 239 Rn. 8.

[3] Schluckebier, in: LK-StGB, 13. Aufl. 2023, § 239 Rn. 30.

[4] OLG Hamm, Beschluss vom 20.06.1996, 3 Ss 520/96 = VRS 92, 208 (209); neuerdings auch: Zimmermann/Griesar, JuS 2023, 401 (402); Erb, NStZ 2023, 577 (583).

[5] Beispiele: Die Fortbewegung mit einem Rollstuhl könnte unmöglich sein, wenn der Verkehrsweg durch Fahrzeuge versperrt wird und kein Seitenstreifen oder Gehweg vorhanden ist oder eine Person (aus welchen Gründen auch immer) keinen Rollstuhl oder andere Gehhilfen im Fahrzeug mitführt.

[6] Eine erhebliche Gefahr dürfte außerdem für die Fahrzeuge und Personen am Stauende bestehen, die es unzumutbar erscheinen lässt, aus dem Fahrzeug auszusteigen, vgl. zur Gefahrenlage: OVG Hamburg, Beschluss vom 11.12.2020, 4 Bs 229/20 = BeckRS 2020, 48778, Rn. 17 und allgemeiner: LT-Drs. (NRW) 17/15821, S. 9, etwa wenn heranfahrende Fahrzeuge das Stauende nicht rechtzeitig erkennen.

[7] Vgl. Erb, NStZ 2023, 577 (583), der die Problematik der rechtlichen Unmöglichkeit zwar andeutet, eine Strafbarkeit aber gleichwohl ablehnt.

[8] Müller, in: GK-Straßenverkehrsrecht, Stand: 01.02.2022 (351. EL), § 18 StVO Rn. 10; Scheidler, DAR 2012, 189 (191).

[9] Diese Ordnungswidrigkeit wird zwar derzeit nur mit einer geringen Geldbuße von 10 € geahndet (vgl. dazu: Nr. 86 des Bußgeldkatalogs), allerdings kann der Staat erst recht nicht den Bürger einerseits auf eine Handlungsalternative verweisen und andererseits ihn für diese Handlungsalternative sanktionieren.

[10] OLG Düsseldorf, NZV 1989, 81 (82); Müther, in: jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl. 2022 (Stand: 16.08.2022), § 12 StVO Rn. 13.

[11] In diesem Fall beträgt die Geldbuße mit 70 € (vgl. dazu: Nr. 85 des Bußgeldkatalogs) auch eine Summe, die nach den Wertungen des Strafrechts nicht mehr als gering anzusehen ist; etwa nach: § 248a StGB.

[12] Statt vieler: Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 239 Rn. 6.

[13] OLG Köln, NJW 1986, 333 (334). Der BGH erachtet außerdem eine Freiheitsberaubung unter Hinweis auf den Schutzzweck des § 239 StGB auch bei einem "größeren Areal wie etwa das Gelände eines Krankenhauses" für möglich, siehe: BGH, NStZ 2015, 338 (339) = HRRS 2015 Nr. 490.

[14] Das Argument setzt voraus, dass eine Pflicht besteht, in der Nähe des Fahrzeuges zu bleiben (etwa aus: § 18 Abs. 8 StVO), oder dass das Wegbewegen vom Fahrzeug unzumutbar ist. Das Argument macht deutlich, dass in diesem Fall eine Freiheitsberaubung auch dann vorliegt, wenn die Straßenverkehrsordnung das Betreten der Fahrbahn nicht verbieten würde und sich die Betroffenen um das Fahrzeug herum bewegen könnten.

[15] Statt vieler nur: BGH, NJW 2016, 2818 (2818) = HRRS 2016 Nr. 1081.

[16] Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 34 Rn. 35. Eine Rechtfertigung dürfte außerdem daran scheitern, dass die zurückgelassenen Fahrzeuge selbst zu einem Verkehrshindernis werden (unabhängig davon, ob man diesen Umstand in der Erforderlichkeit oder der Interessenabwägung berücksichtigen will).

[17] BGH, Beschluss vom 20.03.2018, 3 StR 10/18 = StraFo 2018, 305 = HRRS 2018 Nr. 466.

[18] Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 239 Rn. 9a.

[19] Zum Beispiel durch § 18 Abs. 8 und 9 StVO, aber auch andere Normen dürften das vermeintliche Alternativverhalten verbieten.

[20] LG Düsseldorf, Urteil vom 17.02.2017, 5 Ns 63/16 = BeckRS 2017, 109959, Rn. 32. Siehe auch (aber ohne Begründung): OLG Schleswig, Beschluss vom 08.08.2019, 1 Ws 120/19 KL = BeckRS 2019, 33585, Rn. 2.

[21] BGH, NStZ 2001, 420 (420).

[22] Es sei denn, diese andere Person droht zusätzlich mit einem erheblichen Übel; dann ist es aber eigentlich nicht mehr das Verbot, das die Fortbewegungsfreiheit beschränkt, sondern das angedrohte erhebliche Übel.

[23] Aus der versammlungsrechtlichen Rechtsprechung, siehe etwa: OVG Münster, Beschluss vom 03.09.2021, 15 B 1445/21 = BeckRS 2021, 26160; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2021, 752.

[24] Fischer, StGB, 70. Aufl. 2023, § 239 Rn. 9b.

[25] In der Rechtsprechung ist außerdem schon entschieden worden, dass die Blockade aller Ausgänge eines Gebäudes durch Demonstranten eine Freiheitsberaubung darstellen kann, vgl. OLG Köln, NJW 1986, 333 (334); aus der zivilrechtlichen Rechtsprechung: LG Frankfurt, VersR 1985, 769, sodass die Strafbarkeit nicht an der (ggf. psychischen) Qualität der Blockade scheitern kann.

[26] BGHSt 19, 382 (386 f.); Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 239 Rn. 12.

[27] Ein weiteres Beispiel: Besonders militante Demonstranten könnten die Autobahn oder einen anderen Verkehrsweg auch blockieren, um die gestoppten Autofahrer dann körperlich anzugreifen.

[28] Wieck-Noodt, in: MüKo-StGB, 4. Aufl. 2021, § 239 Rn. 32; siehe allgemein zur Unzumutbarkeit auch: Valerius, in: BeckOK-StGB, Stand: 01.11.2023 (59. Ed.), § 239 Rn. 11.

[29] Vgl. Erb, NStZ 2023, 577 (583).

[30] Das betrifft nicht nur den Fahrer, sondern mittelbar auch die auf den Fahrer angewiesenen Insassen des Fahrzeuges, zum Beispiel: Kleinkinder, die das Fahrzeug eben nicht ohne den Fahrer verlassen können.

[31] Ernst, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. 2022, § 275 Rn. 50.

[32] Zum Beispiel: BVerfGE 104, 220 (234).

[33] Erb, NStZ 2023, 577 (583).

[34] Insofern könnte man auch von einer partiellen Strafbarkeitslücke (genauer: Strafrahmenlücke) sprechen, wenn man das entsprechende Verhalten als grundsätzlich strafwürdig ansieht.

[35] OLG Köln, NJW 1986, 333 (334 f.).

[36] Schluckebier, in: LK-StGB, 13. Aufl. 2023, § 239 Rn. 30; Scheidler, NZV 2015, 166 (168 f.) mit weiteren Nachweisen zu Rechtsprechung und Literatur. Siehe auch: BVerfGE 73, 206 (250); 82, 236 (264).

[37] Insofern können die aus der Nötigung bekannten Abwägungsfaktoren, vgl. BVerfG, NJW 2011, 3020 (3023), vorsichtig übertragen werden. Für eine Strafbarkeit wird regelmäßig der Abwägungsfaktor "Ausweichmöglichkeiten" sprechen, da eine solche Möglichkeit in den hier diskutierten Fällen gerade nicht besteht.

[38] EGMR, Urteil vom 05.03.2009, 31684/05, Barraco/Frankreich und Urteil vom 15.10.2015, 37553/05, Kudrevičius/Litauen.

[39] Dieses Ergebnis entspricht auch einer im Zivilrecht vertretenen Ansicht, siehe: Hager, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 823 Rn. B54.