HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2019
20. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Gedanken zu methodischen und verfassungsrechtlichen Grenzen beim Entfernen vom Unfallort als Letzter

Zugleich Besprechung von BGH HRRS 2018 Nr. 712

Von Dr. Lukas Schefer und Simon Kemper, Bonn[*]

I. Einführung

"Der Tatbestand des § 142 I Nr. 1 StGB ist auch dann erfüllt, wenn der Täter den Unfallort erst nach der letzten feststellungsberechtigten Person verlässt, sofern er zuvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat." So lautet der Leitsatz des hier zu besprechenden Beschlusses des BGH[1], der auf den ersten Blick beinahe banal wirkt.[2]

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte stellte sein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall, bei dem er einen anderen Fahrer so zum Ausweichen veranlasst hatte, dass dessen Fahrzeug mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidierte, am Fahrbahnrand ab und kehrte zu Fuß zur Unfallstelle zurück. Gegenüber den eingetroffenen Polizeibeamten gab er sich bewusst nicht als Unfallbeteiligter zu erkennen und behauptete, er habe den Unfall nur als Fußgänger beobachtet. Dabei schilderte er zwar den Unfallhergang, ersetzte aber seine eigene Wahrnehmung durch die Schilderung des Geschehens eines vermeintlich unbekannten Fahrers. Es ließ sich nicht aufklären, ob der Angeklagte den Unfallort erst zu einem Zeitpunkt verließ, zu dem keine anderen Personen mehr anwesend waren.

Die bereits im Leitsatz anklingende Rechtsfrage, die die Entscheidung dabei erörterungswürdig macht, ist die nach dem genauen Umfang der Vorschrift des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB: Erfasst diese auch einen Unfallbeteiligten, der ohne Offenbarung dieser Eigenschaft so lange am Unfallort verharrt, bis alle feststellungsberechtigten Personen diesen wieder verlassen haben? Der BGH hat sich dieser seit geraumer Zeit umstrittenen Frage[3] angenommen und in vermeintlich zwingender Weise bejaht.[4] Ob die diesbezüglichen Ausführungen jedoch tatsächlich – wie teilweise angenommen[5] – inhaltlich "völlig richtig” sind und dogmatisch "auf festem Grund” stehen, soll neben einer Betrachtung der übrigen Tatbestandsvarianten des § 142 StGB Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sein.

II. Zur Frage der Strafbarkeit

1. Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB

a) Wortlaut

Der BGH beginnt seine Argumentation mit der Untersuchung des Wortlauts des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Das von ihm präferierte Ergebnis stehe in keinem Konflikt zum Wortlaut der Vorschrift: Dieser setze nicht voraus, dass der Feststellungsberechtigte noch am Unfallort ist, wenn sich der Täter von dort entfernt; vielmehr könne der verwendete Begriff "bevor” ohne Weiteres als "ohne zuvor” verstanden werden.[6] Dem anschließenden Sich-Entfernen vom Unfallort komme insofern lediglich der Charakter eines "faktischen” Zusatzes zu, wofür jedoch ohne Bedeutung sei, in welcher Reihenfolge die Unfallbeteiligten den Unfallort verlassen.[7] Dass auch derjenige, der als letzte Person den Unfallort verlässt, dies tut, "ohne zuvor” die Feststellungen ermöglicht zu haben, liegt auf der Hand. Fraglich ist indes, ob die Argumentation des BGH, die maßgeblich auf früheren Ausführungen von Küper beruht,[8] auch inhaltlich überzeugend ist.

Richtig an der semantischen Auslegungsweise des BGH ist zunächst, dass jedenfalls kein Verstoß gegen das objektive Begriffsverständnis vorliegt, für den "native speaker”[9] der Begriff "bevor” also als durchaus äquivalent zu der Formulierung "ohne zuvor” verstanden werden kann.[10] Etwas anderes ergibt sich jedoch, wenn man den Begriff im Lichte des subjektiven Verständnisses des Gesetzgebers, also seiner kontextualen Stellung im Normgefüge,[11] auslegt: Wie Berghäuser jüngst überzeugend dargelegt hat, bedient sich jener einer Konstruktion aus Präsens im Obersatz ("entfernt”) und Präsens-Perfekt im anschließenden Teilsatz ("ermöglicht hat”), wobei die Konjunktion ("bevor”) die Nachzeitigkeit des Teilsatzes ausdrückt.[12] Führt man sich dies vor Augen, so kann festgestellt werden, dass bei dem vom BGH unternommenen Begriffsaustausch der zeitliche Bezugspunkt wechselt: Die Beschreibung "zuvor” (und entsprechend die korrespondierende Negation "ohne zuvor”) bezieht sich stets auf eine in der Vergangenheit liegende Situation. So spielt etwa der Spitzensportler gerade Korfball, ohne sich zuvor aufgewärmt zu haben. Anders verhält es sich jedoch mit der Begrifflichkeit "bevor”: Damit wird auf eine in der Zukunft liegende (hypothetische) Situation verwiesen, so etwa, wenn sich der Spitzensportler aufgewärmt hat, bevor er Korfball spielt. Während dem Begriff "ohne zuvor” seine zeitliche Suggestion vollständig genommen werden kann, indem er durch die sinngleiche Bezeichnung "ohne dass” ersetzt wird, stellen beide keine Äquivalenzbegriffe zu dem Ausdruck "bevor” dar. Hat sich demnach der Spitzensportler verletzt, da er Korfball gespielt hat, "ohne dass” er sich zuvor aufgewärmt hat, so kann er auch nicht weiterspielen, wenn er sich jetzt aufwärmt. Der Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB gibt darüber hinaus vor, dass das eine Verhalten nicht nur die zeitliche, sondern vielmehr auch die logisch-notwendige Vorbedingung des anderen ist. Damit stehen beide nicht nur in einer "bevor”-, sondern auch einer "sodass”-Kausalrelation zueinander.[13] Die Vorschrift des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB stellt somit insgesamt syntaktisch auf die Verletzung des Anwesenheitsgebots durch das vorzeitig-pflichtwidrige Verlassen des Unfallorts ab, ohne dessen Einhaltung die Frage nach der Verletzung des Feststellungsgebots obsolet wird.[14] Die Verletzung des Anwesenheitsgebots wird insofern zur hinreichenden Bedingung für die Verletzung der Feststellungspflicht. Die diese Konzeption umkehrende Lösung des BGH hat mit dem Begriffsverständnis des Gesetzgebers nur noch wenig zu tun. Auch wenn mangels eines Verstoßes gegen das weitestmögliche objektive Begriffsverständnis keine Analogie im klassischen Sinne vorliegt, so zieht die subjektive Wortlautauslegung die Annahmen des BGH doch stark in Zweifel.

Letztlich muss auch dem verfassungsrechtlichen Kontext des § 142 StGB bei der Auslegung einer seiner Begriffe Rechnung getragen werden: Zwar hat das BVerfG die Vorschrift für verfassungsgemäß erklärt,[15] doch bewegt sich der gesamte Tatbestand aufgrund seiner zahlreichen unbestimmten Begriffe gleichwohl an der Grenze des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots.[16] Ebenso handelt es sich bei dem Begriff "bevor” zwar nicht um einen Begriff mit normativem Gehalt, der nicht in einem nicht-normativen Sinne ausgelegt werden kann – anders als dies nach Auffassung des BVerfG bei "berechtigt” und "entschuldigt” im Sinne von § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB der Fall ist[17] –, doch liegt eine restriktive und damit letztlich verfassungskonforme Interpretation der Vorschrift nahe. Andernfalls könnte die Unbestimmtheit der Rechtsbegriffe der Rechtsprechung – wie im hier zu betrachtenden Fall geschehen – die Möglichkeit eröffnen, den anderen Unfallbeteiligten nach Belieben einen übermäßigen Schutz zu Lasten des Täters zu gewähren.[18] Derart fragwürdige Auslegungen unter Hinweis auf einen vermeint-

lichen Willen des Gesetzgebers sind nicht ohne Grund vom BVerfG bereits in einem anderen Kontext für unzulässig erklärt worden.[19]

Die Wortlautinterpretation des BGH in Form einer schlichten Umdeutung des "bevor” in ein "ohne zuvor" und damit letztlich in ein "ohne dass” vermag mithin nicht zu überzeugen.[20]

b) Systematik

Der BGH führt sodann ein (vermeintlich) systematisches Argument zur Untermauerung seiner These an: Das Verhalten des Täters müsse nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar sein, da es von keiner anderen Tatbestandsvariante des § 142 StGB erfasst wäre.[21] Hierbei handelt es sich nicht wirklich um ein die Systematik betreffendes Argument; vielmehr argumentiert der BGH inhaltlich rechtspolitisch und methodisch zirkelschlüssig:[22] Das Verhalten soll bzw. muss strafbar sein, weil es ansonsten straflos wäre. Eine "fast schulmäßige”[23] systematische Auslegung dürfte dies wohl kaum darstellen. Darauf, ob das Verhalten tatsächlich von keiner anderen Variante des § 142 StGB gedeckt ist, kommt es demzufolge an dieser Stelle nicht an.

Daneben führt der BGH weiter aus, dass ein erheblicher Wertungswiderspruch bestünde, wenn sich ein Unfallbeteiligter, der sich nach Ablauf der Wartepflicht (§ 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB) oder berechtigt oder entschuldigt (§ 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB) vom Unfallort entfernt hat, bei nicht unverzüglicher nachträglicher Ermöglichung der Feststellungen strafbar machte, hingegen ein Unfallbeteiligter, der sich nach Verletzung seiner Vorstellungspflicht als Letzter vom Unfallort entfernt, endgültig straffrei bliebe.[24] Dieses Vorbringen kann nicht überzeugen: Aus Absatz 2 wird deutlich, dass § 142 StGB gerade keine Anspruchssicherung um jeden Preis garantiert. Sofern dort die "unverzügliche” nachträgliche Ermöglichung der Feststellungen eingefordert wird, können die Beweismöglichkeiten anderer Unfallbeteiligter durchaus beeinträchtigt werden. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn man mit guten Gründen[25] eine Unverzüglichkeit nur im Falle einer "schuldhaft vorwerfbaren Verzögerung” verneint, bei deren Prüfung auch Zumutbarkeitserwägungen einzubeziehen und zu berücksichtigen sind.[26]

Darüber hinaus haften der Argumentation des BGH weitere systematische Mängel an: So besteht die Konsequenz seiner Auffassung darin, dass sich der Unfallbeteiligte nach dem Verlassen der letzten feststellungsberechtigten Person nur dann nicht strafbar macht, wenn er es dauerhaft unterlässt, sich vom Unfallort zu entfernen.[27] Eine solche im Grundsatz unendliche Bleibeverpflichtung zur Vermeidung der eigenen Strafbarkeit lässt sich aber schwerlich als zumutbar begreifen. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass das Recht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG berührt wird, das die Freiheit, seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort verlassen zu können, schützt.[28] Eine derartige Ausblendung von Zumutbarkeitsgesichtspunkten lässt sich mit der Regelung des § 323c StGB kaum in Einklang bringen:[29] Die dort normierte Hilfeleistungspflicht ist durch die Zumutbarkeit der Hilfe begrenzt. In diesem Zusammenhang führt die Gefahr, sich selbst der Strafverfolgung auszusetzen, nach Ansicht des BGH zwar nicht "schlechthin und in jedem Falle” zur Unzumutbarkeit,[30] dürfte damit im Umkehrschluss aber doch zu berücksichtigen sein. Wieso nun dort, wo mitunter Leib und Leben gefährdet und damit geschützt sind,[31] ein großzügigerer Maßstab als im Rahmen des § 142 StGB gelten soll, der nach ganz herrschender Auffassung lediglich der Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche der (anderen) Unfallbeteiligten dient,[32] erschließt sich nicht, zumal innerhalb des § 142 Abs. 3 StGB ausweislich seines Wortlauts ebenfalls Zumutbarkeitserwägungen relevant werden.[33] Daneben überzeugt das mit den Ausführungen des BGH und Teilen der Literatur notwendig einhergehende Abstellen auf die bloße Verletzung der Vorstellungspflicht[34] nicht: Wenn § 49 Abs. 1 Nr. 29 StVO iVm § 24 StVG die Verletzung der

Vorstellungspflicht lediglich als Ordnungswidrigkeit qualifizieren, ist es verfehlt, an denselben Vorwurf zugleich eine Strafbarkeit zu knüpfen.[35] Dies ist im Übrigen mit der gesetzlichen Konzeption des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht zu vereinbaren, der explizit ein "Sich-Entfernen” verlangt und gerade davon die Tatbestandsmäßigkeit abhängig macht, wodurch deutlich wird, dass es sich bei dieser Vorschrift gerade nicht um ein Unterlassungsdelikt anknüpfend an die Nichterfüllung der Vorstellungspflicht,[36] sondern um ein Handlungsdelikt anknüpfend an die Verletzung der Anwesenheitspflicht als strafbarkeitsbegründendes Moment handelt.[37]

Auch die systematischen Erwägungen des BGH können demzufolge nicht überzeugen.

c) Telos
aa) Subjektive Teleologie

In subjektiv teleologischer Hinsicht führt der BGH aus, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch und gerade solche Verhaltensweisen pönalisiert werden sollten, bei denen der Schädiger zwar pflichtgemäß gewartet, sich aber nicht als Unfallbeteiligter zu erkennen gegeben hat, was aber auch dann der Fall sei, wenn der Täter so lange am Unfallort wartet, bis sich ein zunächst anwesender feststellungsberechtigter Unfallgegner entfernt hat.[38]

Daran ist zwar zutreffend, dass der Gesetzgeber der Verheimlichung der Eigenschaft als Unfallbeteiligter durch die Statuierung der aktiven Vorstellungspflicht entgegenwirken wollte,[39] doch hatte der Gesetzgeber insofern nicht die Konstellation vor Augen, in der sich die letzte feststellungsberechtigte Person bereits entfernt hat. So belegen die Gesetzesmaterialien eindrücklich, dass der Gesetzgeber gerade an der grundsätzlich passiven Ausgestaltung der Pflichten des Unfallbeteiligten festhalten wollte und lediglich die Vorstellungspflicht als diesbezügliche Ausnahme geschaffen hat.[40] Wenn demgegenüber der BGH ausführt, dass zur Vermeidung der bereits oben[41] aufgezeigten unbegrenzten Wartepflicht für den Täter die Möglichkeit bestünde, andere feststellungsbereite Personen – insbesondere die Polizei – herbeizurufen, um sich mittels nachgeholter Erfüllung seiner Vorstellungspflicht straffrei vom Unfallort entfernen zu können,[42] so wird dem Gesetzgeber an einer solchen Lösung ausgehend von dieser Pflichtenkonzeption keineswegs gelegen sein. Sie würde sie vielmehr konterkarieren.

bb) Objektive Teleologie

In objektiver Hinsicht versteht der BGH § 142 StGB als abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt und erkennt dessen Schutzgut dementsprechend im Einklang mit der ganz herrschenden Lehre[43] in der Sicherung bzw. Abwehr der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche.[44] Dieses Gut sei jedoch auch dann betroffen, wenn sich der Täter erst nach der feststellungsberechtigten Person vom Unfallort entfernt, sofern er zuvor seine Vorstellungspflicht verletzt hat.[45]

Es ist höchst zweifelhaft, inwiefern das spätere Verlassen des Unfallorts durch den Täter geeignet sein soll, die Interessen der feststellungsberechtigten Personen über das durch die Verletzung der Vorstellungspflicht bereits eingetretene Maß weiter zu beeinträchtigen.[46] Generell ist nicht ersichtlich, worin der strafbare Unwert des Sich-Entfernens liegen soll, wenn bereits alle feststellungsberechtigten Personen den Unfallort verlassen haben und das Eintreffen weiterer feststellungsbereiter Personen höchst unwahrscheinlich ist.[47] Zu diesem Zeitpunkt treffen den Täter keine der in § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB grundsätzlich normierten Pflichten mehr: Die Vorstellungspflicht kann nur solange existieren, wie sie noch erfüllt werden kann, sprich solange feststellungsberechtigte Personen anwesend sind,[48] woran auch eine möglicherweise verbleibende Restwahrscheinlichkeit des Eintreffens weiterer feststellungsbereiter Personen nichts ändert. Dies folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Der intendierte Rechtsgüterschutz wird andernfalls, sobald feststellungsberechtigte Personen abwesend sind, in keiner Weise mehr gefördert. Insofern sind dem Strafanspruch des Staates bereits von Verfassungs wegen Grenzen gesetzt. Geht die Vorstellungspflicht dann aber mit dem Verlassen der letzten feststellungsberechtigten Person unter, muss selbiges auch für die Anwesenheitspflicht[49] gelten, da diese ausschließlich den Zweck hat, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Unfallbeteiligte seiner Vorstellungspflicht nachkommt.[50] Mit dem Erlöschen der Anwesenheitspflicht steht wiederum fest, dass das Sich-Entfernen zu diesem Zeitpunkt selbst nicht mehr pflichtwidrig ist.[51] Da jedoch gerade das Sich-Entfernen entsprechend obiger[52] Ausführungen strafbar-

keitsbegründend wirkt und nicht lediglich an die vorherige Verletzung der Vorstellungspflicht angeknüpft werden kann, kann die Sichtweise des BGH auch insofern nicht überzeugen.

Schließlich ergeben sich aus der vom BGH postulierten Empfehlung des Herbeirufens anderer feststellungsbereiter Personen,[53] insbesondere der Polizei, neben systematischen[54] weitere verfassungsrechtliche Bedenken: § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB erlegt dem Unfallbeteiligten nur eine aktiv zu erfüllende Pflicht auf, nämlich die Vorstellung; die weiteren Pflichten (Anwesenheit und damit einhergehende Duldung von Feststellungen durch die anderen Unfallbeteiligten) stellen sich hingegen als lediglich passiv dar.[55] Würde man nun von dem Unfallbeteiligten verlangen, weitere feststellungsbereite Personen herbeizurufen, würde die damit ausgelöste (aktive!) Pflicht den Pflichtenkanon des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB sprengen. Neben der fehlenden gesetzlichen Anknüpfung wäre ein solches Verständnis mit dem nemo tenetur-Grundsatz nicht zu vereinbaren, bei dem es sich nach ganz überwiegender Auffassung[56] um einen Verfassungsgrundsatz handelt, der gerade vor Selbstbelastungen schützt, die mit dem Vorgehen nach Maßgabe des BGH notwendig einhergehen.

d) Zwischenergebnis

Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Kanones der Auslegung, die der BGH richtigerweise heranzieht, muss zu dem Ergebnis gelangen, dass die vom BGH propagierte Lösung in der Sache Mängel aufweist. Dies hat zur Folge, dass es überzeugend ist, eine Strafbarkeit desjenigen Unfallbeteiligten, der nach der letzten feststellungsberechtigten Person den Unfallort verlässt, nach § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu verneinen.[57] Ob daraus nun – wie der BGH feststellt – folgt, dass der Unfallbeteiligte "endgültig straffrei”[58] ist, bedarf der weiteren Überprüfung.

2. Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 StGB

a) Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 1 iVm Abs. 1 Nr. 2 StGB

Mit § 142 Abs. 1 Nr. 2 iVm Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt sich der BGH in seiner Urteilsbegründung nicht weiter auseinander, wenngleich sich in der Literatur teilweise für eine Anwendung auf den hiesigen Fall ausgesprochen wird.[59] Die Befürworter dieser Auffassung begründen dies wie folgt: In dem Moment, in dem die letzte feststellungsberechtigte Person den Unfallort verlässt, entstehe die Wartepflicht des § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB, die jedoch auf das denkbare Minimum reduziert sei, da mit einem erneuten Eintreffen feststellungsberechtiger Personen nicht ernstlich gerechnet werden könne.[60] Die Strafbarkeit des Unfallbeteiligten folge dann aus § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB, wenn er entsprechend der dort normierten Voraussetzungen die Feststellungen nicht unverzüglich ermöglicht.[61]

Zweifelhaft ist bereits, ob man – wovon diese Auffassung implizit auszugehen scheint – in den hier zu betrachtenden Fällen stets und generell von einer Reduktion der Warteverpflichtung (unterstellt, eine solche bestünde) auf das denkbare Minimum bzw. "auf Null”[62] ausgehen kann. Zwar bejaht die herrschende Meinung einen solchen gänzlichen Entfall der Wartepflicht in Fällen, in denen mit dem Eintreffen feststellungsbereiter Personen mit Sicherheit nicht zu rechnen ist;[63] die pauschale Annahme des Vorliegens dieses erforderlichen Grades an Gewissheit nach dem Weggang der letzten feststellungsbereiten Person überzeugt jedoch nicht.[64] Vielmehr bedarf es stets einer Betrachtung der Umstände des Einzelfalls, um die Interessen der von der Norm geschützten anderen Unfallbeteiligten nicht in unzulässiger Weise zu beeinträchtigen.

Größeren Bedenken unterliegt die vorgelagerte Annahme, die Wartepflicht des § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB könne in einer Situation entstehen, in der zunächst bereits feststellungsberechtigte Personen im Sinne von § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB anwesend waren – in den Worten Berghäusers werde "der Anwendungsbereich des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB von § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB abgelöst”[65]. Nach seinem Wortlaut greift § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur für den Fall, in dem niemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, mit anderen Worten also keine feststellungsbereiten Personen am Unfallort anwesend waren.[66] Im hier zu untersuchenden Fall wird dem jedoch nicht entsprochen: Hier gab es jemanden, der bereit war, die Feststellungen zu treffen.[67] Dass dies im konkreten Fall wegen des Verschweigens der Eigenschaft als Unfallbeteiligter nicht geschah, ändert daran nichts. Dies belegt ein Blick auf den Zweck der Wartepflicht: Diese dient dazu,

eine Situation zu ermöglichen, in welcher der Unfallbeteiligte seine Vorstellungs- und Feststellungsduldungspflicht am Unfallort erfüllen kann.[68] Eine solche Situation bestand zum Zeitpunkt des Verlassens der letzten feststellungsberechtigten Person jedoch bereits, sodass der Zweck der Wartepflicht erfüllt ist, mit der Folge, dass ein Bedarf für deren Anordnung nicht besteht. Insofern hat eine Art "Wiederaufleben” der Wartepflicht, wie es die Literaturansicht annimmt, auszuscheiden.[69] Andernfalls würde auch die gesetzliche Ausgestaltung des § 142 Abs. 1 StGB unterlaufen werden: Sowohl Nr. 1 als auch Nr. 2 knüpfen in zeitlicher Hinsicht unmittelbar an das Unfallgeschehen selbst an, indem sie in unmittelbarem Anschluss daran jeweils unterschiedliche Pflichten in Abhängigkeit davon statuieren, ob feststellungsbereite Personen anwesend sind oder nicht. Als nachgelagerte Auffangpflicht, die jederzeit reaktiviert werden kann, soll die Wartepflicht dagegen nicht fungieren.

Wird man nach alledem davon ausgehen müssen, dass eine Wartepflicht im Sinne des § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB wegen der anfänglichen Anwesenheit feststellungsberechtiger Personen nicht bestand (und demzufolge eine isolierte Strafbarkeit auf Grundlage dieser Vorschrift auszuscheiden hat)[70], fehlt es folgerichtig auch an einem Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 1 Nr. 2 iVm Abs. 2 Nr. 1 StGB.[71]

b) Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB

Auch eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB lehnt der BGH mit der Erwägung, ein "berechtigtes” oder "entschuldigtes” Entfernen liege nicht vor, ab.[72] Demgegenüber vertreten das BayObLG[73] und vereinzelte Stimmen in der Literatur[74] die Ansicht, dass auch denjenigen, der (lediglich) gegen die Vorstellungspflicht verstößt, die Nachholpflicht treffen soll. Dies ließe sich wohl nur dergestalt konstruieren, dass man das tatbestandslose Entfernen vom Unfallort als ein "berechtigtes” Entfernen ansieht.[75]

Derartige Überlegungen weisen indes eine gefährliche Nähe zur vormals vom BGH betriebenen Erweiterung des Tatbestands auf unvorsätzliches Verhalten auf,[76] dem nicht nur in der Literatur mit heftigem (und berechtigtem) Widerspruch begegnet,[77] sondern auch vom BVerfG eine klare Absage erteilt wurde.[78] Zwar ist einzugestehen, dass sich in der Alltagssprache – anders als im Falle des unvorsätzlichen Entfernens[79] – wohl keine Unterscheidung zwischen tatbestandslosem und berechtigtem bzw. entschuldigtem Verhalten finden wird; allerdings gilt auch hier, dass die Begriffe "berechtigt oder entschuldigt” aufgrund ihres normativen Gehalts streng in ihrem normativen Sinne ausgelegt werden müssen.[80] Die in diesen Begriffen enthaltene Wertung wird vom BVerfG dahingehend verstanden, dass das Verhalten für "zulässig” erachtet wird, da der Betroffene im Einzelfall "das Recht auf seiner Seite” hat oder die Konsequenzen "aus höherrangigen Gründen hinzunehmen sind”.[81] Geht man davon aus, dass bereits die Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit nicht wertfrei ist, sondern ein – wenn auch nur vorläufiges – Unrechtsurteil enthält,[82] so unterscheidet sich ein tatbestandsloses Verhalten grundlegend von "zulässigem” Verhalten, auf das nach Ansicht des BVerfG § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB allein Anwendung findet.[83] Dem "Sich-Entfernen” im Sinne des zweiten Absatzes muss die gleiche Bedeutung zugemessen werden wie im Sinne des ersten,[84] sodass auch hier eine – prima facie bestehende und dann ausnahmsweise außer Kraft gesetzte – Anwesenheitspflicht vorausgesetzt wird.

Mit dem BGH und der überwiegenden Auffassung in der Literatur[85] kommt eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB in der hiesigen Konstellation folglich nicht in Betracht.

III. Schlussbemerkungen

1. Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse

Zusammenfassend lassen sich drei entscheidende Argumente gegen die vom BGH vorgeschlagene Auslegung des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB vorbringen, die den verfassungsrechtlichen Vorgaben allesamt in größerem Umfang Rechnung tragen: (i) Die sprachlich-syntaktische Verknüpfung der beiden die Pflichten normierenden Satzteile durch die temporale Konjunktion "bevor”, welche die Nachzeitigkeit der Feststellungspflicht ausdrückt, lässt keine Umdeutung in Begriffskonstruktionen wie "ohne zuvor” oder "ohne dass” zu, die diese Aufeinanderfolge gerade vertauschen (Wortlaut). (ii) Auch vor dem Hinter-

grund von Zumutbarkeitserwägungen – entsprechend § 323c StGB – und des Verhältnisses zu § 142 Abs. 2 StGB überzeugen die Ausführungen des BGH nicht. Die alleinige Verletzung der Vorstellungspflicht ist – als gemindertes Unrecht – als Ordnungswidrigkeit und gerade nicht als Straftat ausgestaltet und wird auch nicht von § 142 Abs. 2 StGB erfasst (Systematik). (iii) Des Weiteren besteht die Anwesenheitspflicht nicht mehr, weil sie in der gegebenen Situation überhaupt nicht geeignet wäre, die intendierte Sicherung der zivilrechtlichen Ansprüche der anderen Unfallbeteiligten noch zu erreichen und eine Aufrechterhaltung somit unverhältnismäßig wäre (immanente Kritik der teleologischen Auslegung). Insgesamt hat eine Strafbarkeit desjenigen, der als sich als Letzter vom Unfallort entfernt, de lege lata auszuscheiden.

2. Verfassungsrechtlicher Ausblick

Dreistigkeit wird also (derzeit) belohnt – sofern man nur geduldig ist und lange genug wartet. Zwar mag der Gesetzgeber diesen Fall "übersehen” haben,[86] die Forderung nach einer weiteren Ausweitung der Vorschrift sollte nichtsdestotrotz zurückgewiesen werden. Auch wenn das BVerfG[87] die Vorschrift des § 142 StGB als für mit der Verfassung vereinbar erklärt hat, erging diese Entscheidung zur alten Rechtslage vor der Gesetzesänderung im Jahre 1975 und damit bezüglich einer Vorschrift, der aktive Pflichten vollständig fremd waren.[88] Auf die schwerwiegenden Bedenken, die hiergegen in der Literatur geäußert wurden,[89] wurde dann später vom BVerfG nicht weiter eingegangen, als dieses die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift durch einen bloßen Verweis auf die alte Entscheidung bekräftigte.[90] Gerade in der Einfügung der aktiven Vorstellungspflicht, die das Verhalten potenziell in die Kategorie der Selbstbelastungsfreiheit hineinzieht, liegt das Moment, das die Vorschrift in den verfassungsrechtlichen Graubereich rückt.[91] Letztlich dürfte auch die Kombination aus einem lediglich zivilrechtliche Interessen schützenden Rechtsgut und der Ausgestaltung als abstraktes Gefährdungsdelikt – und die damit einhergehende schwache Beziehung zwischen Tathandlung und Rechtsgut – die generelle Normierung als Straftat in Zweifel ziehen.[92] Dreistigkeit (allein) war noch nie hinreichende Bedingung der Strafbarkeitsbegründung.


[*] Die Autoren danken PD Dr. Kay H. Schumann für wertvolle Anregungen.

[1] BGH NStZ 2018, 600 = HRRS 2018 Nr. 712.

[2] Vgl. den Aufschrei bei Krumm NJW 2018, 2343.

[3] Tiefergehende Auseinandersetzungen zu dieser Frage setzten vor allem nach mehreren Entscheidungen des BayObLG aus den 80er-Jahren ein, in denen dieses die Frage verneint hatte, vgl. BayObLG NJW 1983, 2039, 2040; NJW 1984, 66, 67; NJW 1984, 1365, 1365 f.

[4] Ebenso OLG Hamm NJW 1979, 438 sowie die herrschende Auffassung in der Literatur, vgl. Burmann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, § 142 StGB Rn. 15; Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 142 Rn. 31 a; Jäger, in: Joecks/Jäger, Studienkommentar StGB, 12. Aufl. 2018, § 142 Rn. 47; Kretschmer, in: Nomos Kommentar Strafgesetzbuch, Band 2, 5. Aufl. 2017, § 142 Rn. 91, 123; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 142 Rn. 17; Pflieger/Quarch, in: Dölling/Duttge/Rössner/König, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl. 2017, § 142 StGB Rn. 13; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 142 Rn. 43; Zopfs, in: Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 3, 3. Aufl. 2017, § 142 Rn. 62; Eisele, Strafrecht Besonderer Teil I, 4. Aufl. 2017, Rn. 1198; ders. JuS 2018, 1011, 1012; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil II, 19. Aufl. 2018, § 46 Rn. 31; Bernsmann NZV 1989, 49, 53; Berz DAR 1975, 309, 311; Bosch Jura 2011, 593, 597; Hentschel NJW 1984, 1509, 1515; Horn/Hoyer JZ 1987, 965, 973; Janiszewski NStZ 1983, 402, 403 f.; ders. JR 1983, 506, 507; Krumm NJW 2018, 2343; Küper JuS 1988, 286, 288   f.; ders. GA 1994, 49, 68 f.; Loos JR 1985, 164, 165; Maier JZ 1975, 721, 724; Schwab MDR 1984, 639.

[5] Krumm NJW 2018, 2343.

[6] BGH NStZ 2018, 600, 601 = HRRS 2018 Nr. 712.

[7] BGH NStZ 2018, 600, 601 = HRRS 2018 Nr. 712; ähnlich bereits Horn/Hoyer JZ 1987, 965, 973: "rein formale[r]Umstand, ob nun der Täter oder das Opfer zuerst vom Unfallort davonfährt”; Küper JuS 1988, 286, 288 f. sowie ders. GA 1994, 49, 68: Sich-Entfernen als bloß "realer Akt”.

[8] Küper JuS 1988, 286, 289; ders. GA 1994, 49, 69; ebenso im Anschluss daran MüKo-StGB/Zopfs (Fn. 4), § 142 Rn. 62 sowie Rengier, BT II (Fn. 4), § 46 Rn. 31.

[9] Vgl. zu dieser Formulierung und Methodik Puppe, Kleine Schule des Juristischen Denkens, 3. Aufl. 2014, S. 120 ff.

[10] So lässt sich der im Althochdeutsch verwendete Begriff "bifora", aus dem sich das heutige "bevor" entwickelt hat, u.a. als "zuvor" verstehen, vgl. DUDEN – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 4. Aufl. 2012.

[11] Mit gleicher Methodik auch schon BVerfG NJW 2007, 1666, 1667 = HRRS 2007 Nr. 326 bzgl. der Begriffe "berechtigt” und "entschuldigt” iSv § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB: "Wortsinn[...], wie er sich aus dem Kontext des Gesetzes erschließt”.

[12] Berghäuser NStZ 2018, 602.

[13] Der Tatbestand würde dann etwa lauten: "Ein Unfallbeteiligter, der sich[...]entfernt, sodass er[...]die Feststellungen[...]nicht ermöglicht, wird[...]bestraft.”

[14] So jedenfalls im Ansatz auch Küper JuS 1988, 286, 289 sowie ders. GA 1994, 49, 69, der jedoch zum gegenteiligen Ergebnis gelangt.

[15] BVerfGE 16, 191, 193 f.: weder Verletzung des Rechtsstaatsprinzips noch der Menschenwürdegarantie.

[16] S. nur die eingehende Kritik bei Geppert Jura 1990, 78, 78 f.

[17] S. dazu BVerfG NJW 2007, 1666, 1667 = HRRS 2007 Nr. 326.

[18] Vgl. NK-StGB/Kretschmer (Fn. 4), § 142 Rn. 18.

[19] BVerfG NJW 2007, 1666, 1667 f. = HRRS 2007 Nr. 326.

[20] Ebenso Berghäuser NStZ 2018, 602; zweifelnd auch Kudlich JA 2018, 709, 711.

[21] BGH NStZ 2018, 600, 601 = HRRS 2018 Nr. 712.

[22] Vgl. zu diesem logischen Fehler des BGH auch in anderen Kontexten Puppe, Kleine Schule (Fn. 9), S. 230 ff.

[23] So die Bewertung bei Kudlich JA 2018, 709, 711.

[24] BGH NStZ 2018, 600, 601 = HRRS 2018 Nr. 712.

[25] NK-StGB/Kretschmer (Fn. 4), § 142 Rn. 145 führt insofern zutreffend aus, dass die unbestimmten Begriffe nur unter Zugrundelegung einer restriktiven Interpretation anwendungstauglich werden und eine Auslegung als "unverzüglichst” verfassungsrechtlich kaum vertretbar ist.

[26] So NK-StGB/Kretschmer (Fn. 4), § 142 Rn. 146; enger dagegen Kudlich, in: v. Heintschel-Heinegg, Beck’scher Online-Kommentar StGB, 40. Edition (Stand: 01.11.2018), § 142 Rn. 37: Unverzüglichkeit bereits dann abzulehnen, wenn Beweissituation "konkret und erheblich gefährdet ist”; ebenso Fischer (Fn. 4), § 142 Rn. 54; Lackner/Kühl/Kühl (Fn. 4), § 142 Rn. 26.

[27] So auch BayObLG NJW 1983, 2039, 2040; NJW 1984, 66, 67; NJW 1984, 1365, 1366; OLG Frankfurt a.M. NJW 1990, 1189, 1190; dies erkennen offenbar auch Horn/Hoyer JZ 1987, 965, 973 sowie Janiszewski, NStZ 1983, 402, 403.

[28] Vgl. dazu nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 112; Lang, in: Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar GG, 39. Edition (Stand: 15.11.2018), Art. 2 Rn. 84.

[29] Insofern stellt auch Fischer (Fn. 4), § 142 Rn. 5 fest, dass "ähnlich wie bei § 323c die Zumutbarkeit als ein regulatives Prinzip anzuerkennen ist”; ebenso S/S/Sternberg-Lieben (Fn. 4), § 142 Rn. 2.

[30] Vgl. BGHSt 11, 353, 354 f.

[31] Zu diesem Zusammenhang etwa BGH NStZ 2002, 385; Fischer (Fn. 4), § 323c Rn. 2; NK-StGB/Gaede (Fn. 4), § 323c Rn. 2.

[32] Vgl. nur BGHSt 12, 253, 258; Fischer (Fn. 4), § 142 Rn. 2; Geppert, in: Leipziger Kommentar Strafgesetzbuch, Band 5, 12. Aufl. 2009, § 142 Rn. 1; BeckOK-StGB/Kudlich (Fn. 26), § 142 Rn. 1.

[33] S. auch bereits oben II. 1. b) zur Unverzüglichkeit der nachträglichen Ermöglichung der Feststellungen iSd § 142 Abs. 2 StGB; ebenso zur Wartezeit iSd § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB BeckOK-StGB/Kudlich (Fn. 26), § 142 Rn. 29, 31.

[34] Wird in dem "Sich-Entfernen” nicht mehr als ein bloß formaler Umstand gesehen, der zur Verwirklichung der Verletzung der Vorstellungspflicht lediglich rein faktisch hinzutritt (s. dazu die Nachweise in Fn. 7), dann bildet nur letzteres den Gegenstand des strafbaren Unrechts; vgl. etwa Eisele, BT I (Fn. 4), Rn. 1198: "Unrechtskern liegt in der Nichterfüllung der Warte- und Vorstellungspflicht”.

[35] Dies verkennt Küper, wenn er davon ausgeht, die Tathandlung müsse "nicht mehr ‚unbedingt‘ pflichtwidrig” sein, vgl. ders. JuS 1988, 286, 288 f. sowie ders. GA 1994, 49, 68.

[36] So aber Janiszewski, NStZ 1983, 402, 403; ders. JR 1983, 506, 507.

[37] So auch BayObLG NJW 1984, 1365, 1366; vgl. auch OLG Frankfurt a.M. NJW 1990, 1189, 1190.

[38] BGH NStZ 2018, 600, 601 = HRRS 2018 Nr. 712; in diesem Sinne auch Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke (Fn. 4), § 142 StGB Rn. 15; S/S/Sternberg-Lieben (Fn. 4), § 142 Rn. 43; Janiszewski NStZ 1983, 402, 404; ders. JR 1983, 506, 507.

[39] BT-Drs. 7/2434, S. 7.

[40] BT-Drs. 7/2434, S. 7.

[41] II. 1. b).

[42] BGH NStZ 2018, 600, 602 = HRRS 2018 Nr. 712.

[43] S. bereits oben Fn. 32.

[44] BGH NStZ 2018, 600, 601 = HRRS 2018 Nr. 712.

[45] BGH NStZ 2018, 600, 601 = HRRS 2018 Nr. 712.

[46] BayObLG NJW 1984, 1365, 1366; OLG Frankfurt a.M. NJW 1990, 1189, 1190; Bauer NStZ 1985, 301, 302.

[47] Letzteres gilt zumindest für den Fall, dass diese nicht aktiv herbeigerufen werden, wie es etwa der BGH anregt, s. dazu bereits oben II. 1. c) aa).

[48] Vgl. BayObLG NJW 1983, 2039, 2040; NJW 1984, 66, 67; NJW 1984, 1365, 1366; OLG Frankfurt a.M. NJW 1990, 1189, 1190; insofern auch zutreffend Janiszewski JR 1983, 506, 507; Küper GA 1994, 49, 68.

[49] Gleiches gilt für die Feststellungsduldungspflicht, vgl. insofern MüKo-StGB/Zopfs (Fn. 4), § 142 Rn. 62.

[50] So Bauer NStZ 1985, 301, 302; ähnlich Rudolphi/Stein, in: Wolter, Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 3, 8. Aufl. 2012, § 142 Rn. 29.

[51] Bauer NStZ 1985, 301, 302.

[52] II. 1. b).

[53] S. dazu bereits oben II. 1. c) aa).

[54] Vgl. dazu Berghäuser NStZ 2018, 602, 603: Absatz 1 ist strukturell von Passivpflichten geprägt; aktive Mitwirkungspflichten sind dagegen Kennzeichnungsmerkmal von Absatz 2.

[55] Vgl. BT-Drs. 7/2434, S. 7; Fischer (Fn. 4), § 142 Rn. 26, 28; Kudlich JA 2018, 709.

[56] S. nur BVerfGE 133, 168, 201 = HRRS 2013, Nr. 222; BGHSt 36, 44, 48; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. 2018, Einl. Rn. 29a; Böse GA 2002, 98, 98 f.; gegen einen Verfassungsrang etwa Leitmeier JR 2014, 372, 375 ff.

[57] So auch BayObLG NJW 1983, 2039, 2040; NJW 1984, 66, 67; NJW 1984, 1365, 1365 f.; OLG Frankfurt a.M. NJW 1990, 1189, 1190; SK-StGB/Rudolphi/Stein (Fn. 50), § 142 Rn. 29; Klesczewski, Strafrecht Besonderer Teil, 2016, § 15 Rn. 89; Bauer NStZ 1985, 301, 302.

[58] BGH NStZ 2018, 600, 601 = HRRS 2018 Nr. 712.

[59] So etwa BeckOK-StGB/Kudlich (Fn. 26), § 142 Rn. 25; ders. JA 2018, 709, 711; SK-StGB/Rudolphi/Stein (Fn. 50), § 142 Rn. 29; Berghäuser NStZ 2018, 602, 603.

[60] Berghäuser NStZ 2018, 602, 603.

[61] Berghäuser NStZ 2018, 602, 603; iE auch SK-StGB/Rudolphi/Stein (Fn. 50), § 142 Rn. 29.

[62] So die Diktion bei Haft, Strafrecht Besonderer Teil II, 8. Aufl. 2005, S. 250 sowie Bauer NStZ 1985, 301, 302 f.

[63] Vgl. Fischer (Fn. 4), § 142 Rn. 35; BeckOK-StGB/Kudlich (Fn. 26), § 142 Rn. 30; Bosch Jura 2011, 593, 596.

[64] Vgl. insofern auch Hentschel NJW 1984, 1509, 1515.

[65] Berghäuser NStZ 2018, 602, 603.

[66] Vgl. Fischer (Fn. 4), § 142 Rn. 35; LK/Geppert (Fn. 32), § 142 Rn. 110; MüKo-StGB/Zopfs (Fn. 4), § 142 Rn. 76.

[67] Ebenfalls auf die Unvereinbarkeit mit dem Wortlaut abstellend NK-StGB/Kretschmer (Fn. 4), § 142 Rn. 135; Bauer NStZ 1985, 301, 302 f.

[68] MüKo-StGB/Zopfs (Fn. 4), § 142 Rn. 76.

[69] Ebenso iE Bauer NStZ 1985, 301, 302 f.

[70] Dies wird – soweit ersichtlich – auch nicht vertreten.

[71] Eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 Nr. 1 StGB ebenfalls explizit ablehnend NK-StGB/Kretschmer (Fn 4), § 142 Rn. 123, 135; Bauer NStZ 1985, 301, 302 f.

[72] BGH NStZ 2018, 600, 601 = HRRS 2018 Nr. 712.

[73] BayObLG NJW 1983, 2039, 2040; NJW 1984, 66, 67; NJW 1984, 1365, 1366; diesem folgend OLG Frankfurt a.M. NJW 1990, 1189, 1190.

[74] Mengler RÜ 2018, 643.

[75] Vgl. Mengler RÜ 2018, 643.

[76] Vgl. dazu BGHSt 28, 129.

[77] S. nur Fischer (Fn. 4), § 142 Rn. 52; Lackner/Kühl/Kühl (Fn. 4), § 142 Rn. 25; Rudolphi JR 1979, 210.

[78] BVerfG NJW 2007, 1666, 1667 f. = HRRS 2007 Nr. 326.

[79] BVerfG NJW 2007, 1666, 1667 = HRRS 2007 Nr. 326.

[80] BVerfG NJW 2007, 1666, 1667 f. = HRRS 2007 Nr. 326.

[81] BVerfG NJW 2007, 1666, 1667 = HRRS 2007 Nr. 326.

[82] Grundlegend zum Verhältnis von Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit NK-StGB/Puppe (Fn. 4), Vor § 13 Rn. 10: Wäre die Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit wertfrei, so würden sich Fragen nach einer möglichen Rechtfertigung überhaupt nicht stellen.

[83] Den Wortlaut für überschritten erachten für die hier zu betrachtende Fallkonstellation auch StuKo-StGB/Jäger (Fn. 4), § 142 Rn. 47; Rengier, BT II (Fn. 4), § 46 Rn. 54 f.; Bosch Jura 2011, 593, 597; Hentschel NJW 1984, 1509, 1515; Loos JR 1985, 164, 166.

[84] LK/Geppert (Fn. 32), § 142 Rn. 125.

[85] StuKo-StGB/Jäger (Fn. 4), § 142 Rn. 47; NK-StGB/Kretschmer (Fn. 4), § 142 Rn. 123; Lackner/Kühl/Kühl (Fn. 4), § 142 Rn. 17; Rengier, BT II (Fn. 4), § 46 Rn. 54 f.; Bauer NStZ 1985, 301, 303; Bosch Jura 2011, 593, 597; Hentschel NJW 1984, 1509, 1515; Janiszewski JR 1983, 506, 507 f.; Loos JR 1985, 164, 165 f.

[86] Küper JuS 1988, 286, 289.

[87] BVerfGE 16, 191, 193 f.

[88] Vgl. NK-StGB/Kretschmer (Fn. 4), § 142 Rn. 17.

[89] Vgl. dazu nur NK-StGB/Kretschmer (Fn. 4), § 142 Rn. 17 mwN.

[90] BVerfG BeckRS 2001, 30168011.

[91] S. dazu NK-StGB/Kretschmer (Fn. 4), § 142 Rn. 20; vgl. auch die Kritik bei Hilgendorf, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, 3. Aufl. 2015, § 38 Rn. 49, 52 f.

[92] Steenbock, Über die Unfallflucht als Straftat, 2004, S. 57 ff., 68.