HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2015
16. Jahrgang
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III. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

42. BGH 2 StR 137/14 (2 StR 337/14) – Beschluss vom 8. Oktober 2014 (BGH)

Anfragebeschluss; Vorlagebeschluss; Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten).

§ 132 Abs. 2, 3 GVG; § 253 Abs. 2 BGB

Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen.


Entscheidung

45. BGH 2 StR 137/14 (2 StR 337/14) – Beschluss vom 8. Oktober 2014 (BGH)

Anfragebeschluss; Vorlagebeschluss; Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten).

§ 132 Abs. 2, 3 GVG; § 253 Abs. 2 BGB

Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen.


Entscheidung

64. BGH 2 StR 137/14 – Beschluss vom 8. Oktober 2014 (LG Erfurt)

Anfrage- und Vorlageverfahren zu den Maßstäben der Adhäsionsentscheidung (Entschädigung der Verletzten; Höhe des Schmerzensgeldes; Teilerledigung und Teilrechtskraft bei rechtsstaatsgemäßer Verfahrensverlängerung).

§ 132 GVG; § 406 StPO; § 406a Abs. 2 Satz 1 StPO; Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK

1. Der Senat beabsichtigt, die Rechtsprechung aufzugeben, nach der die Erörterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten regelmäßig für die Bemessung des Schmerzensgeldes erforderlich ist. Nach seiner Auffassung kommt es bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) weder auf die Vermögenslage der Geschädigten noch die des Schädigers ankommen darf.

2. Eine Teilerledigung, die zur Herbeiführung von Teilrechtskraft führt, ist nur dann zulässig, wenn der rechtskräftige ebenso wie der nichtrechtskräftige Urteilsteil von dem übrigen Urteilsinhalt losgelöst, selbständig geprüft und rechtlich beurteilt werden kann; die Grenzen bestimmen sich nach denselben Grundsätzen, nach denen sich die Wirksamkeit der Teilanfechtung beurteilt.

Zur Anwendung auf ein bevorstehendes langwieriges Anfrage- und Vorlageverfahren und die Frage einer Entschädigung des Verletzten.


Entscheidung

66. BGH 2 StR 337/14 – Beschluss vom 8. Oktober 2014 (LG Meiningen)

Anfrage- und Vorlageverfahren zu den Maßstäben der Adhäsionsentscheidung (Entschädigung der Verletzten; Höhe des Schmerzensgeldes; Teilerledigung und Teilrechtskraft bei rechtsstaatsgemäßer Verfahrensverlängerung).

§ 132 GVG; § 406 StPO; § 406a Abs. 2 Satz 1 StPO; Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK

1. Der Senat beabsichtigt, die Rechtsprechung aufzugeben, nach der die Erörterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten regelmäßig für die Bemessung des Schmerzensgeldes erforderlich ist. Nach seiner Auffassung kommt es bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) weder auf die Vermögenslage der Geschädigten noch die des Schädigers ankommen darf.

2. Eine Teilerledigung, die zur Herbeiführung von Teilrechtskraft führt, ist nur dann zulässig, wenn der rechtskräftige ebenso wie der nichtrechtskräftige Urteilsteil von dem übrigen Urteilsinhalt losgelöst, selbständig geprüft und rechtlich beurteilt werden kann; die Grenzen bestimmen sich nach denselben Grundsätzen, nach denen sich die Wirksamkeit der Teilanfechtung beurteilt. Zur Anwendung auf ein bevorstehendes langwieriges Anfrage- und Vorlageverfahren und die Frage einer Entschädigung des Verletzten.


Entscheidung

34. BGH 1 StR 299/14 – Urteil vom 5. November 2014 (LG Würzburg)

Härtefallausgleich für bereits vollstrecke Haftstrafen (Voraussetzungen: Unmöglichkeit einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung, im Ausland erlittene Freiheitsentziehung; Verhältnis zur Anrechnung erlittener Freiheitsentziehung); Anrechnung von im Ausland erlittener Freiheitsentziehung (anrechnungsfähige Verurteilungen; Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs durch den Tatrichter).

§ 54 Abs. 1 StGB; § 55 StGB; § 51 StGB

1. Härteausgleich und Anrechnung bereits erlittener Freiheitsentziehung verfolgen dem Grunde nach verschiedene Regelungsziele.

2. Die Gewährung eines Härteausgleichs dient der Vermeidung eines schuldinadäquaten Gesamtstrafübels, weil eine bereits vollstreckte Strafe nicht mehr gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB zur Gesamtstrafenbildung herangezogen werden kann (BGHSt 43, 79, 80). Ob der Tatrichter den Härteausgleich durch die Bildung einer fiktiven Gesamtstrafe unter Einbeziehung der erledigten Verurteilung, die dann um die vollstreckte Strafe zu mindern ist, vornimmt, oder den Umstand, dass eine Gesamtstrafenbildung mit der früheren Strafe nicht mehr möglich ist, unmittelbar bei der neuen Festsetzung der Strafhöhe berücksichtigt, steht in seinem freien Ermessen (vgl. BGHSt 43, 79, 80).

3. Bei der Anrechnung bereits vollstreckter Haft gemäß § 51 StGB handelt es sich demgegenüber eher um eine Angelegenheit der Vollstreckung. Konstitutive Wirkung kommt alleine der in den Tenor aufzunehmenden Entscheidung über den Anrechnungsmaßstab gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB zu (vgl. BGH NJW 1994, 1484, 1485). Diese ermöglicht eine angemessene Berücksichtigung des Strafübels, das dem Angeklagten durch die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung widerfahren ist, und der Abwägung, wie viel dieses Übel von demjenigen bereits vorweg genommen hat, mit dem das inländische Urteil ihn belasten will (vgl. BGHSt 30, 282, 283). In dem für ihn spürbaren Strafübel soll der Angeklagte vergleichsweise so stehen, als sei der gesamte Strafvollzug im Inland erfolgt.

4. Liegen die Voraussetzungen sowohl für die Gewährung eines Härteausgleichs als auch für die Anrechnung von Auslandshaft vor, darf dies im Ergebnis aber keine ungerechtfertigte Privilegierung des Angeklagten zur Folge haben. Eine solche läge vor, wenn dem Angeklagten die im Ausland erlittenen Haftbedingungen über die Vornahme eines Härteausgleichs einen Strafrabatt einbringen und bei der Anrechnung der Auslandshaft abermals zu seinen Gunsten berücksichtigt würden.

5. Das Tatgericht hat deshalb die später zu treffende Anrechnungsentscheidung bereits bei Prüfung des Härteausgleichs in den Blick zu nehmen und die Bemessung der Gesamtstrafe daran auszurichten (vgl. BGHSt 43, 79, 82). Rechtsfehler im Rahmen der Anrechnungsentscheidung können deshalb zur Folge haben, dass die Gesamtstrafenbildung insgesamt rechtsfehlerhaft ist.

6. Die Vornahme eines Härteausgleichs ist nach den allgemeinen Grundsätzen immer dann geboten, wenn sich für den Angeklagten aus der Nichtberücksichtigung einer Vorverurteilung bei der Bemessung einer Gesamtstrafe eine unbillige Härte ergibt und die Summe der Strafen anderenfalls schuldunangemessen wäre. Ist nach § 55 StGB eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung an sich möglich, scheitert sie aber daran, dass die zunächst erkannte Strafe bereits vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, oder wird durch die Zäsurwirkung einer früheren Strafe die Bildung einer Gesamtstrafe verhindert, so ist die darin liegende Härte nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Bemessung der nunmehr zu verhängenden Strafe auszugleichen (vgl. BGHSt 43, 79, 80).

7. Im Ergebnis das gleiche gilt im Falle der Verurteilung des Angeklagten durch ein ausländisches Gericht, soweit hypothetisch eine Aburteilung der Auslandstat auch im Inland nach deutschem Recht möglich gewesen wäre (vgl. BGHSt 43, 79, 80). Zwar sind im Ausland verhängte Strafen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung über § 55 StGB nicht zugänglich, weil eine Gesamtstrafe mit einer von einem ausländischen Gericht verhängten Strafe schon wegen des damit verbundenen Eingriffs in deren Vollstreckbarkeit ausgeschlossen ist (vgl. BGHSt 43, 79). Die Grundsätze des Härteausgleichs greifen demgegenüber aber Platz.

8. Die Erwägung, den Täter durch die Anrechnung einer erlittenen Haftstrafe im Ausland so zu stellen, als sei die gesamte Vollstreckung in Deutschland erfolgt, hat die Auslegung des § 51 Abs. 3 Satz 1 StGB nach dem Vorbild des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB zur Folge, der die Anrechnung früherer im Inland erlittener Freiheitsentziehung regelt. Danach setzt die Anrechnung (nur) voraus, dass die Freiheitsentziehung aus Anlass einer Tat vollstreckt worden ist, die Gegenstand des Verfahrens war oder ist.

9. Nach § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB hat der Tatrichter den für die Anrechnung der im Ausland erlittenen Haft anzulegenden Maßstab nach seinem Ermessen zu bestimmen. Er hat dafür das im Ausland erlittene Strafübel zu schätzen und in ein dem inländischen Strafensystem zu entnehmendes Äquivalent umzusetzen (vgl. BGHSt 30, 282, 283). Maßgeblich hierfür ist die Bewertung, wie schwer das Übel wiegt, das dem Verurteilten durch die ausländischen Strafverfolgungsmaßnahmen widerfahren ist, und wieviel dieses Übel von demjenigen schon vorweggenommen hat, mit dem das inländische Urteil den Angeklagten belasten will; dabei ist der Maßstab zu berücksichtigen, der sich aus dem Vergleich der ausländischen mit der inländischen Strafenordnung ergibt (vgl. BGHSt 30, 282, 283).

10. Grundsätzlich ist bei Freiheitsentziehungen im Ausland, jedenfalls in Staaten der Europäischen Union, von einem Anrechnungsmaßstab 1 : 1 auszugehen; besondere Belastungen bei der ausländischen Freiheitsentziehung durch erheblich erschwerte Haftbedingungen können im

Einzelfall aber dazu führen, dass der Maßstab unter Berücksichtigung der besonderen Umstände in einem für den Angeklagten günstigeren Verhältnis zu wählen ist. Grundlage für die Vornahme dieser Bewertung sind die Haftbedingungen im Einzelfall, also in der konkreten Haftanstalt.

11. In einzelnen Ländern können die Haftbedingungen von Haftanstalt zu Haftanstalt unterschiedlich sein, so dass der Tatrichter im Einzelnen auch die konkrete Haftanstalt festzustellen hat, in der der Angeklagte inhaftiert war. Ist der Angeklagte an verschiedenen Haftorten inhaftiert gewesen, so hat das Tatgericht nicht nur die einzelnen Haftanstalten zu benennen und die dort vorherrschenden Haftbedingungen festzustellen; es hat auch die konkreten Zeiträume der jeweiligen Inhaftierung darzulegen und in seine Würdigung miteinzustellen.

12. Anhaltspunkte für die Bewertung der Relation der Hafterschwernis in ausländischen Vollzugsanstalten sind etwa die Einrichtung und Ausgestaltung der Haftzellen, die Belegungssituation, die Vorhaltung ärztlicher Betreuung, das Personal, Beschäftigungs- und Kontaktmöglichkeiten, das Essen und vor allem auch die hygienischen Verhältnisse.

13. Auf dieser Tatsachengrundlage hat der Tatrichter in einem zweiten Schritt für jede Inhaftierung des Angeklagten an einem anderen Haftort in eigenständiger Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände einen angemessenen Anrechnungsmaßstab zu bestimmen. Erweisen sich die Haftbedingungen auch bei verschiedener Unterbringung in derselben Haftanstalt als unterschiedlich stark belastend, kann im Einzelfall die Bestimmung unterschiedlicher Anrechnungsmaßstäbe – für dann konkret darzulegende Zeiträume – angezeigt sein.


Entscheidung

43. BGH 2 StR 240/14 – Urteil vom 15. Oktober 2014 (LG Köln)

Anordnung der Unterbringung in der Sicherheitsverwahrung (Begehung von mindestens drei Symptomtaten: Berücksichtigung von Jugendstrafen; Gefährlichkeitsprognose: Zeitpunkt, Berücksichtigung von zu erwartenden Wirkungen des Strafvollzugs).

§ 66 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 2 StGB

1. Das für die Verhängung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB erforderliche Vorliegen von drei vorsätzlichen Taten setzt nicht voraus, dass diese Taten gemeinsam in der Entscheidung abgeurteilt werden, in der die Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB angeordnet werden könnte. Vielmehr können eine oder zwei von diesen Taten schon vorher rechtskräftig abgeurteilt sein, sofern der Täter wenigstens eine der Symptomtaten als Erwachsener begangen hat (vgl. auch BGH NStZ-RR 2010, 142, 143).

2. Eine in einem früheren Verfahren ausgesprochene einheitliche Jugendstrafe nach § 31 JGG erfüllt indes die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Nr. 1 StGB nur, wenn zu erkennen ist, dass der Täter wenigstens bei einer der ihr zugrundeliegenden Straftaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hätte, sofern sie als Einzeltat gesondert abgeurteilt worden wäre (vgl. BGH NStZ 2002, 29). Dies festzustellen, ist tatrichterliche Aufgabe, die dem über die Sicherungsverwahrung entscheidenden Richter obliegt. Dabei hat der Tatrichter festzustellen, wie der Richter des Vorverfahrens die einzelnen Taten bewertet hat; er darf sich nicht an dessen Stelle setzen und im Nachhinein eine eigene Strafzumessung vornehmen (vgl. BGH NStZ 2002, 29 mwN). Entsprechende Feststellungen muss der Tatrichter so belegen, dass eine ausreichende revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist.

3. Die Beurteilung, ob ein Angeklagter infolge seines Hanges zur Begehung schwerer Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist, richtet sich nach der Sachlage zum Zeitpunkt der Aburteilung (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB iVm § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB). Soweit indes die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 StGB oder nach § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB in Betracht kommt, ist es dem Tatrichter grundsätzlich gestattet, bei der Ausübung seines Ermessens die zu erwartenden Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs auf die Gefährlichkeit des Angeklagten zu berücksichtigen. Ihm ist die Möglichkeit eröffnet, sich ungeachtet der hangbedingten Gefährlichkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Urteilsfindung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich der Angeklagte schon die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt (vgl. auch BGH NStZ 2013, 707).

4. Ein Absehen von der Verhängung der Sicherungsverwahrung bei Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn konkrete Anhaltspunkte erwarten lassen, dass dem Täter aufgrund der Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs und diesen begleitender resozialisierender sowie therapeutischer Maßnahmen zum Strafende eine günstige Prognose gestellt werden kann. Nur denkbare positive Veränderungen und Wirkungen künftiger Maßnahmen im Strafvollzug reichen nicht aus (st. Rspr.).


Entscheidung

32. BGH 1 StR 233/14 – Urteil vom 4. November 2014 (LG Augsburg)

Entziehung der Fahrerlaubnis (Begriff der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen); Strafzumessung (Strafzumessung bei Mittätern).

§ 69 Abs. 1 StGB; § 46 StGB; § 25 Abs. 2 StGB

1. Ungeeignetheit im Sinne des § 69 Abs. 1 StGB liegt vor, wenn eine Würdigung der körperlichen, geistigen oder charakterlichen Voraussetzungen und der sie wesentlich bestimmenden objektiven und subjektiven Umstände ergibt, dass die Teilnahme des Tatbeteiligten am Kraftfahrzeugverkehr zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde. Dabei muss sich die Ungeeignetheit gerade aus der verfahrensgegenständlichen Tat bzw. den Taten ergeben.

2. Kommt ausschließlich eine charakterliche Ungeeignetheit in Betracht, muss die Anlasstat selbst tragfähige Rückschlüsse auf die Bereitschaft des Täters zulassen, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zielen unterzuordnen (vgl. BGHSt 50, 93, 102 f.).


Entscheidung

54. BGH 4 StR 497/14 – Beschluss vom 19. November 2014 (LG Bochum)

Verminderte Schuldfähigkeit (Anforderung an die Urteilsbegründung; in dubio pro reo).

§ 21 StGB; § 267 Abs. 2 StGB

Die Frage, ob die Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung aufgrund der festgestellten Störung im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert war, ist eine Rechtsfrage, die der Tatrichter unter Darlegung der fachwissenschaftlichen Beurteilung durch den Sachverständigen, aber letztlich ohne Bindung an dessen Äußerungen, in eigener Verantwortung zu entscheiden hat (vgl. BGH NStZ-RR 2011, 4 mwN). Schließt er sich dabei der Beurteilung des Sachverständigen an, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.).


Entscheidung

53. BGH 4 StR 467/14 – Beschluss vom 4. November 2014 (LG Dortmund)

Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Begründung im Urteil).

§ 64 StGB; § 267 Abs. 6 Satz 1 StPO

Nach § 64 Satz 2 StGB ergeht die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nur, wenn die Voraussetzungen von § 64 Satz 1 StGB erfüllt sind und eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, den Täter durch die Behandlung zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor einem Rückfall in den Hang zu bewahren und vor der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen (st. Rspr). Damit das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob eine Erfolgsaussicht in dem vom Gesetzgeber geforderten Ausmaß besteht, bedarf es insoweit der hinreichenden Darlegung konkreter Umstände für einen die Behandlung im Maßregelvollzug überdauernden Therapieerfolg.


Entscheidung

35. BGH 1 StR 317/14 – Beschluss vom 7. Oktober 2014 (LG Bayreuth)

Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsklinik (Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen).

§ 64 StGB

1. Voraussetzung für eine Unterbringung gemäß § 64 StGB ist (unter anderem) ein Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Von einem Hang ist auszugehen, wenn eine eingewurzelte auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung besteht, immer wieder Rauschgift zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad psychischer Abhängigkeit erreicht haben muss. „Im Übermaß“ bedeutet, dass der Täter berauschende Mittel in einem solchen Umfang zu sich nimmt, dass seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird.

2. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betroffene auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Nicht erforderlich ist, dass beim Täter bereits eine Persönlichkeitsdepravation eingetreten ist. Dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum die Gesundheit sowie die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betroffenen beeinträchtigt sind, kommt nur eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen solcher Beeinträchtigungen schließt nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hangs aus, wenn auch diesem Umstand bei der Überzeugungsbildung vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 StGB einiges Gewicht zukommt.


Entscheidung

41. BGH 2 StR 134/14 – Beschluss vom 14. Oktober 2014 (LG Bonn)

Verfall (Vorliegen einer unbilligen Härte; nicht mehr im Vermögen des Täters befindliches Erlangtes).

§ 79c Abs. 1 StGB

Die Annahme einer „unbilligen Härte“ im Sinne des § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also schlechthin „ungerecht“ wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen; es müssen besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des Verfallszwecks liegende zusätzliche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann.


Entscheidung

44. BGH 2 StR 311/14 – Beschluss vom 27. November 2014 (LG Wiesbaden)

Strafmilderung wegen Aufklärungshilfe im Betäubungsmittelstrafrecht (Voraussetzungen; Darstellung im Urteil).

§ 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG; § 267 Abs. 2 StPO

1. § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG kommt nicht zur Anwendung, wenn der Tatrichter nicht die Überzeugung gewinnt, dass die Darstellung des Angeklagten über die Beteiligung anderer an der Tat zutrifft, wobei der Zweifelsgrundsatz dem Täter hier nicht zugute kommt. Die Begründung eines Verdachts und die damit verbundene Schaffung einer Aufklärungsmöglichkeit reicht nicht aus.

2. Sieht der Tatrichter von der Strafmilderung des § 31 BtMG ab, muss er die vom Angeklagten über den eigenen Tatbeitrag hinausgehenden Angaben vollständig wiedergeben und die Gründe eingehend erörtern, die ihn zur Verneinung der Strafmilderung gemäß § 31 BtMG bewogen haben.