HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Dezember 2014
15. Jahrgang
PDF-Download

III. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

1084. BGH 1 StR 320/14 – Beschluss vom 21. August 2014 (LG Augsburg)

Anordnung der Unterbringung in der Sicherheitsverwahrung (Gefährlichkeitsprognose: Berücksichtigung von Verhalten in der Hauptverhandlung, zulässige Verteidigung).

§ 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB; Art. 6 EMRK

1. Zulässiges Verteidigungsverhalten darf weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit eines Angeklagten verwertet werden (vgl. BGH NStZ 2001, 595, 596). Wenn der Angeklagte die Taten leugnet, bagatellisiert oder einem anderen die Schuld an der Tat zuschiebt, ist dies grundsätzlich zulässiges Verteidigungsverhalten.

2. Die Grenze ist erst erreicht, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers sich als Ausdruck besonders verwerflicher Einstellung des Täters darstellt, etwa weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwürdigung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung einhergeht (vgl. BGH StV 2011, 482).


Entscheidung

1085. BGH 1 StR 350/14 – Urteil vom 8. Oktober 2014 (LG Weiden)

Tatrichterliche Beweiswürdigung (Revisibilität); tatrichterliche Strafzumessung bei unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Vorliegen eines minderschweren Falls: Revisibilität).

§ 261 StPO; § 267 Abs. 1, Abs. 3 StPO; § 30a Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BtMG

Entscheidend für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiver Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten er-

scheint. Für die Prüfung dieser Frage ist daher eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen. Die Erschwerungsgründe und die Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Seine Wertung ist vom Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar (st. Rspr.).


Entscheidung

1119. BGH 5 StR 439/14 – Beschluss vom 21. Oktober 2014 (LG Göttingen)

Unzureichende Darlegung der Voraussetzungen der verminderten Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit; rechtsfehlerhafte Gefährlichkeitsprognose bei der Anordnung einer unbefristeten Unterbringung (unspezifische Gefahr weiterer „Drogendelikte“ trägt die Unterbringungsanordnung nicht).

§ 20 StGB; § 21 StGB; § 63 StGB

Eine Unterbringung nach § 63 StGB kommt nur in Betracht, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür besteht, dass der Täter infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird und deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Zwar ist das im Höchstmaß mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bedrohte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) bereits der mittleren Kriminalität zuzurechnen; ob es den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, hängt indes von den Umständen ab. Jedenfalls ist die nicht näher konkretisierte Gefahr weiterer „Drogendelikte“ nicht geeignet, die Unterbringung nach § 63 StGB zu tragen.


Entscheidung

1091. BGH 1 StR 474/14 – Beschluss vom 4. November 2014 (LG Passau)

Einziehung (Angabe der einzuziehenden Gegenstände im Urteil).

§ 74 StGB

Nach ständiger Rechtsprechung müssen einzuziehende Gegenstände so genau angegeben werden, dass bei allen Beteiligten und den Vollstreckungsorganen Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht. Die Bezugnahme auf die Anklageschrift oder ein Asservatenverzeichnis genügt dafür nicht (vgl. BGH StraFo 2010, 424 mwN).


Entscheidung

1095. BGH 2 StR 202/14 – Beschluss vom 15. Oktober 2014 (LG Aachen)

Nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe (Bestehen einer Gesamtstrafenlage).

§ 54 StGB; § 55 StGB

Für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung ist die tatsächlich gegebene materielle Gesamtstrafenlage maßgeblich, so dass eine fehlerhaft gebildete frühere Gesamtstrafe aufzulösen und die Gesamtstrafenbildung insgesamt neu vorzunehmen ist (vgl. BGHSt 35, 243, 244 f.).