HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2008
9. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Beweisverwertungsverbote und "Beweislastumkehr" bei unzulässigen Tatprovokationen nach der jüngsten Rechtsprechung des EGMR

Besprechung der Urteile EGMR HRRS 2008 Nr. 200 und EGMR HRRS 2008 Nr. 500 zu den Rechtsfolgen einer unzulässigen Tatprovokation und zu den Anforderungen an die Feststellung und die Verwerfung einer behaupteten Tatprovokation.

Von Wiss. Ass. Dr. Karsten Gaede (Bucerius Law School Hamburg) und Wiss. Mit. (BVerfG) Richter Ulf Buermeyer, Berlin/Karlsruhe

Wann der Einsatz eines agent provocateur unzulässig ist und welche Rechtsfolge eine Unzulässigkeit nach sich ziehen sollte, ist seit langem umstritten. In seiner jüngsten Rechtsprechung bekräftigt der EGMR, dass Art. 6 EMRK nach einer unzulässigen Tatprovokation auch die Verwertung von Beweisen untersagt, die auf Grund der Provokation erlangt worden sind. Dies zwingt zur Abkehr von der "Strafzumessungslösung" des BGH, mit der die deutsche Rechtsprechung bislang eine sehr angreifbare Interpretation der Rechtsprechung des EGMR verfolgt. Darüber hinaus hat der EGMR betont, dass eine Tatprovokation nicht mit dem Argument eines scheinbar

privaten Handelns neutralisiert werden kann und dass unverdächtige Personen nicht in eine an sich zulässige polizeiliche Aktion verwickelt werden dürfen. Erneut hat der EGMR klargestellt, dass die Ermittlungsbehörden die Aufklärung einer möglichen Tatprovokation nicht behindern dürfen: Die nationalen Gerichte sind vielmehr selbst zur Aufklärung plausibel behaupteter Tatprovokationen verpflichtet. Sie tragen die "Beweislast" dafür, dass in einem solchen Fall keine unzulässige Provokation geschehen ist. Der Beitrag stellt die Aussagen des EGMR dar und weist auf wesentliche Folgen und Folgefragen für die deutsche Praxis hin.

I. Ausgangspunkt: Grundaussagen der Rechtsprechung des BGH zur Tatprovokation

Auch der BGH hat vor allem durch den 1. Strafsenat eine Rechtsprechung zur unzulässigen Tatprovokation entwickelt. Zuletzt in Auseinandersetzung mit der Leitentscheidung des EGMR Teixeira de Castro vs. Portugal[1] hat er in BGHSt 45, 321 ff. und anschließend in BGHSt 47, 44 ff. folgende Grundsätze vertreten:

Ein konventionswidriger Lockspitzeleinsatz liegt vor, wenn eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch eine Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet wird und dies zu einem Strafverfahren führt.[2] Nach der "Quantensprungentscheidung" ist eine unzulässige Provokation auch dann anzunehmen, wenn eine von der Polizei angesonnene Straftat (konkret: ein Drogengeschäft) nicht mehr in einem angemessenen, deliktsspezifischen Verhältnis zu dem Tatverdacht steht, der gegen den konkret Provozierten besteht.[3] Allgemein soll aber ein "bloßes Ansprechen", ob eine Privatperson Drogen beschaffen könne, keine Provokation darstellen können, sondern vielmehr eine erhebliche Stimulierung des späteren Täters erforderlich sein.[4] Eine mittelbare Provokation über selbst provozierte Dritte, die der Staat nicht kontrolliert, soll nie einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK begründen können.[5] Ein nach diesen Maßstäben mangels eines Tatverdachtes[6] unzulässige Provokation ist dem Staat zuzurechnen, wenn die Provokation mit Wissen eines Amtsträgers geschieht oder er sie jedenfalls hätte verhindern können; dies kann auch bei der Provokation durch Privatpersonen der Fall sein.[7]

Rechtsfolgen soll der Verstoß gegen Art. 6 EMRK prinzipiell nur bei der Strafzumessung nach sich ziehen, indem die Provokation strafmildernd berücksichtigt wird. Hierzu ist der Verstoß im Urteil ausdrücklich festzustellen und das Maß der erforderlichen Kompensation exakt zu bestimmen.[8] Obwohl der EGMR im Fall Teixeira de Castro ein Verfahren, das auf Grund einer unzulässigen Tatprovokation betrieben wird, als von Anfang an und endgültig unfair deklassiert hat, soll bezüglich der provozierten Tat kein Verfahrenshindernis bestehen.[9] Der BGH will "aus Gerechtigkeitsgründen" insbesondere nach der Schuld des Betroffenen differenzierende Lösungen ermöglichen und nimmt deshalb nur dann ausnahmsweise ein Verfahrenshindernis an, wenn die Strafzumessungslösung keinen angemessenen Ausgleich herbeiführen könne.[10] Auch Beweisverwertungsverbote erkennt der BGH insbesondere deshalb nicht an, weil diese von der Rechtsprechung des EGMR nicht geboten seien: Wegen der gebotenen Gesamtbetrachtung des Verfahrens und weil Art. 6 EMRK im Allgemeinen keine Vorgaben über die Verwertbarkeit einzelner Beweise mache, sei eine Strafzumessungslösung ausreichend.[11] Diese Rechtsprechung des BGH wird etwa von Esser so interpretiert, dass der BGH tatsächlich eher die Rechtsprechung des EGMR in die deutsche Rechtsprechung eingefügt hat, anstatt das deutsche Recht dem europäischen Menschenrechtsstandard anzupassen.[12]

II. Bekräftigung und Vertiefung der menschenrechtlichen Standards zur Tatprovokation durch den EGMR

1. Die Entscheidung der Großen Kammer des EGMR Ramanauskas vs. Litauen

a) Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf.) Ramanauskas war zur Tatzeit Staatsanwalt.[13] AZ, ein Angehöriger einer speziellen Antikorruptionseinheit des Innenministeriums, trat Ende 1998 und Anfang 1999 über den Bekannten des Bf., VS, an den Bf. mit der Bitte heran, er möge den Freispruch eines Dritten gegen die Zahlung von 3.000 US-Dollar sichern.

Der Bf. weigerte sich zunächst, nahm später aber das mehrfach wiederholte Angebot an. AZ informierte die (übrigen) Behörden anschließend über die erklärte Bereitschaft des Bf. zur konkreten Tat. Daraufhin wurde der Gebrauch eines "Kriminalitätssimulationsmodells" autorisiert. Im Rahmen dieses Modells wurden dem Bf. 2.500 US-Dollar zur Umsetzung des eingangs verabredeten "Geschäfts" übergeben. Der Bf. wurde sodann aus seinem Amt entfernt und wegen Bestechlichkeit verfolgt. Er bekannte sich schuldig und behauptete, AZ und VS hätten ihn unzulässig zur Tat bestimmt. Das Tatgericht verurteilte den Bf. wegen Bestechlichkeit und stützte sich hauptsächlich auf die Aussage des AZ und auf die im Zuge des Simulationsmodells angefertigten Aufnahmen. VS war nicht auffindbar und wurde daher nicht persönlich vor Gericht vernommen. Das Protokoll einer früheren Vernehmung wurde verlesen. Die litauische Regierung geht davon aus, AZ und VS hätten auf eigene, private Initiative hin "Vorfeldermittlungen" gegen den von ihnen verdächtigten Bf. unternommen.

b) Entscheidung des EGMR

Der Bf. beschwerte sich besonders darüber, dass die Verwertung von Beweisen, die aus der geschehenen Tatprovokation stammten, sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt hätte. Der EGMR gab ihm Recht, wobei er sich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Verfahrens auf die folgenden Gründe stützte:[14]

Zunächst bestätigt er seine ständige Rechtsprechung, nach der jede Verwertung eines Beweismittels, das durch eine rechtswidrige Tatprovokation erlangt wurde, in einem fairen Strafverfahren auszuschließen sei. Sie würde anderenfalls den Betroffenen dem Risiko aussetzen, von Anfang an und endgültig keinen fairen Prozess zu erhalten. Auch die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege könne ihre Verwertung in einem fairen Strafverfahren nicht rechtfertigen.[15] Dies gelte bei jeder Tat, auch wenn diese wie im Fall der Korruption der organisierten Kriminalität zuzurechnen sei. Auch wenn der EGMR im Allgemeinen nicht als Selbstzweck die Beweiserhebung und -verwertung auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen habe, müsse er doch - wie hier - gewährleisten, dass keine rechtswidrige Beweiserhebung und Beweisverwertung erfolgen, die Art. 6 EMRK verletzen.

Eine unzulässige Tatprovokation liegt für den EGMR vor, wenn sich eine verdeckt ermittelnde Person, die der Polizei zuzurechnen ist, nicht auf eine in erster Linie passive Aufklärung von strafbaren Aktivitäten beschränkt, sondern - um eine spätere Verfolgung zu ermöglichen - einen solchen Einfluss auf den Betroffenen ausübt, dass sie diesen zur Begehung einer Straftat anstiftet, die anderenfalls nicht begangen worden wäre.[16] Dies gelte auch dann, wenn die Provokation von der Polizei organisiert wurde und durch eine von der Polizei geführte Privatperson begangen wird.[17] Eine latent vorhandene Tatgeneigtheit soll die Annahme einer unzulässigen Tatprovokation nicht ausschließen.[18] Der Gebrauch geheimer Ermittlungsmethoden wie der Tatprovokation stellt aber auch für den EGMR nicht per se eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren dar. Der Einsatz von V-Leuten (im weiten Sinne) müsse jedoch rechtsstaatlich überwacht werden und klaren Grenzen unterliegen, die verletzt sind, wenn eine unverdächtige Person zu einer Tat angestiftet wird.

Nach diesen Maßstäben liegt für den EGMR im vorliegenden Fall eine gegen Art. 6 EMRK verstoßende Tatprovokation vor.[19] Er folgert dies aus den anfänglichen Aktivitäten von AZ und VS vor der Implementierung des Simulationsmodells. Ebenso betont er, dass der Bf. insbesondere nicht wegen Korruptionsdelikten vorbestraft war und dass alle Treffen zwischen dem Bf. und AZ auf die Initiative des AZ stattfanden. Es bestand für den EGMR demnach der - hinreichende - Eindruck, dass AZ und VS den Bf. offenkundig stimulierten, eine Straftat zu begehen, ohne dass mehr als Gerüchte für eine Tatentschlossenheit gesprochen hätten. Die Zurechnung dieser Provokation zum Staat Litauen, die auch durch einen Bediensteten des Staates erfolgte, konnte sodann nicht mit der Behauptung ausgeschlossen werden, der - in Erfüllung dienstlicher Pflichten handelnde - Angehörige der Antikorruptionseinheit hätte auf seine Privatinitiative hin gehandelt. Dies gilt für den EGMR besonders dann, wenn diese Privatinitiative - wie hier - selbst strafrechtlich nicht verfolgt wird und vom Staat nicht substantiiert erklärt werden kann. Die anfänglichen Aktivitäten, die ohne Implementierung des staatlich geregelten Verfahrens den Tatentschluss des Bf. geweckt haben, waren dem Staat Litauen und seiner Justiz damit zuzurechnen.

Der EGMR greift auch den Umstand auf, dass der Vorwurf einer unzulässigen Tatprovokation im nationalen Verfahren nur eingeschränkt geprüft wurde. Der EGMR unterstreicht deshalb weitere Maßstäbe, die er neben der Teixeira de Castro-Rechtsprechung entwickelt hat: Wenn ein Angeklagter behauptet, durch die Polizei (den Staat) zu einer Tat provoziert worden zu sein, müssen die Gerichte diesen Vorwurf im Verfahren sorgfältig aufklären.[20] Dem Angeklagten muss es effektiv möglich sein, eine dem Staat zurechenbare Tatprovokation im Verfahren vorzutragen und zu belegen.[21] Sind die Behauptungen des Angeklagten nicht völlig unwahrscheinlich, trägt der Staat die

"Beweislast" dafür, dass keine unzulässige Tatprovokation erfolgt ist.[22] Kann das Gericht nach dem von den Strafverfolgungsbehörden offen gelegten Material eine Tatprovokation nicht bejahen, ist besonderes Gewicht darauf zu legen, dass die Verteidigungsrechte in dem Verfahren, in dem die Tatprovokation verneint wird, adäquat geschützt werden.[23] Ein späteres Geständnis des Provozierten, die provozierte Tat begangen zu haben, führt zu keinerlei Einschränkung der bestehenden Maßstäbe.[24]

Auch diese Maßstäbe sah der EGMR nicht als erfüllt an. Die nationalen Stellen hätten die sorgfältige justizielle Untersuchung der erhobenen Vorwürfe unterlassen, zu der sie durch Art. 6 EMRK in jedem Falle verpflichtet gewesen seien. Insbesondere hätten sie die konkrete Einflussnahme auf den Bf. und die Gründe für die heimliche Operation nicht hinreichend aufgeklärt. Es sei gar nicht erst versucht worden, die Rollen von AZ und VS zu klären. Dies erschien dem EGMR besonders bedeutsam und misslich, weil VS, der den Bf. erst mit AZ bekannt gemacht hatte, nicht als Zeuge geladen werden konnte.

2. Ergänzung durch das Urteil Pyrgiotakis vs. Griechenland

Die Rechtsprechung des EGMR, die mittlerweile in wesentlich mehr Entscheidungen als der in Deutschland oft allein herangezogenen Entscheidung Teixeira de Castro konkretisiert wurde,[25] kommt in einer besonderen Konstellation auch im Fall Pyrgiotakis zum Ausdruck.[26] Hier bemühte sich die griechische Polizei, P., der offenbar auf Grund von Tatsachen des Drogenhandels verdächtigt wurde, durch ein inszeniertes Geschäft zu überführen. Die Kontaktaufnahme muss - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Urteils ergibt - (auch) über T. erfolgt sein. Auf deren Bitten hin wurde der Bf. Pyrgiotakis als "Mittelsmann" tätig, indem er die verdeckt handelnden Beamten zu P. führte. Gegen den Bf. bestand zu diesem Zeitpunkt kein Verdacht, er sei in den illegalen Drogenhandel verwickelt. Auch der Bf. wurde wegen der Vermittlung eines Drogengeschäfts zu einer, wie der EGMR bemerkt, "schweren Strafe" verurteilt. Das Tatgericht stützte sich wesentlich auf die Aussage des Beamten, der als Scheinaufkäufer der Drogen aufgetreten war und das Scheingeschäft initiiert hatte.

Der EGMR sah auch hierin eine unzulässige Tatprovokation, die Art. 6 EMRK verletzt.[27] Er sah im Handeln der Polizeibeamten den entscheidenden, wenn nicht ausschließlichen Grund dafür, dass es zu der Vermittlung durch den Bf. gekommen ist, da keine Vorstrafe und auch kein anderes Indiz belegt, dass der Bf. seine Tat auch ohne die Inszenierung der Polizei begangen hätte. Eine mit Art. 6 EMRK unvereinbare Tatprovokation kann danach mit dem EGMR schon dann angenommen werden, wenn das Einschreiten von Beamten als derjenige Faktor "gelten kann"[28], der die Straftat provoziert hat - wobei also eine hohe Wahrscheinlichkeit der Provokation genügt - und nichts dafür spricht, dass sie ohne deren Einwirkung begangen worden wäre. Die Feststellung einer qualifizierten, also besonders erheblichen Einwirkung auf den Bf. durch den Staat war folglich ebenso wenig erforderlich wie der strikte Nachweis der Kausalität. Es genügte sogar eine nur mittelbare Provokation über T. Man kann der Entscheidung daher entnehmen, dass Ermittlungsbehörden, die einen bereits Tatverdächtigen durch eine Provokation überführen wollen, dabei weder direkt noch mittelbar eine unverdächtige Person als Mittelsmann in die Tat verstricken dürfen, der seine Tat ohne die Provokation der Behörden nicht begangen hätte. Der EGMR betont darüber hinaus auch in dieser Entscheidung, dass selbst das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung der organisierten Kriminalität den Gebrauch von Beweisen nicht rechtfertigen könne, die aus einer unzulässigen Tatprovokation stammen.

III. Folgerungen für die deutsche Praxis (Rechtsprechung)

Will die deutsche Rechtsprechung der Völkerrechtsfreundlichkeit der deutschen Rechtsordnung entsprechen, die bekanntlich einen verfassungsrechtlichen Hintergrund besitzt,[29] muss sie die nun kaum noch anders interpretierbaren Entscheidungen des EGMR aufgreifen und eigene Positionen überdenken. Dass eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung oder Grundrechte Dritter dem widerstreiten würden, lässt sich nicht überzeugend vertreten. Der Beitrag möchte die praktisch wichtigsten Folgen und Folgefragen ansprechen, die mit der nun bekräftigten Rechtsprechung des EGMR aufgeworfen sind: den gebotenen Umgang mit der Gesamtbetrachtung des EGMR (1.), das Ausmaß und die Form der nötigen staatlichen Einwirkung auf den Provozierten (2.), die Abkehr von der Strafzumessungslösung (3.) und das Gebot, behauptete Tatprovokationen sorgfältig und unbehindert aufzuklären, einschließlich der Frage nach der "Beweislast" (4.).

1. Unzureichende Rezeption der EGMR-Rechtsprechung infolge eines Fehlverständnisses der Gesamtbetrachtung

Der BGH geht davon aus, dass seine Rechtsprechung nicht in einem Konflikt mit der Judikatur des EGMR steht, weil der EGMR auch in der grundlegenden Entscheidung Teixeira de Castro eine Gesamtbetrachtung angestellt hat, welche die Aussagen des EGMR interpretationsbedürftig und - will man einen Konflikt vermeiden - interpretationsfähig macht.[30] Die vorliegenden jüngeren Entscheidungen des EGMR verdeutlichen, dass problemvermeidende Interpretationen der gesamtbetrachtenden Rechtsprechung des EGMR oft nur den Aufschub und nicht die Lösung eines Problems bedeuten. Da es nicht nur für die Tatprovokation wichtig, sondern letztlich für jeden Fall zu Art. 6 EMRK entscheidend ist, wie die Gesamtbetrachtung des EGMR zu verstehen und wie mit ihr praktisch umzugehen ist, ist zum Umgang mit Entscheidungen des EGMR Folgendes vorauszuschicken:

Der EGMR sieht in Art. 6 I 1 EMRK ein Gesamtrecht auf ein faires Verfahren ausgeprägt. Er folgt einem integralen Verständnis des Art. 6 EMRK, in dem also die einzelnen Teilrechte wie z.B. die in Art. 6 II, III EMRK genannten Rechte stets dazu beitragen, ein faires Verfahren zu verwirklichen.[31] Wenn der EGMR fordert, dass ein Verfahren "insgesamt fair sein muss", dann fordert er, dass sowohl die benannten Teilrechte der Absätze I bis III des Art. 6 EMRK als auch diejenigen Rechtspositionen erfüllt sein müssen, die der EGMR unmittelbar aus dem Gesamtrecht des Art. 6 I 1 EMRK abgeleitet hat (z.B.: das Verbot der Tatprovokation). Die benannten Teilrechte der Abs. I bis III unterliegen indes zum Teil verhältnismäßigen Einschränkungen, was erhellt, warum der EGMR etwa beim Konfrontationsrecht letztlich oft auf das Gesamtrecht abstellt.[32] Zur Prüfung dieser Rechtspositionen stellt der EGMR stets eine Betrachtung des gesamten Verfahrens (Gesamtbetrachtung) an, die eine aus diversen Gründen unverzichtbare Prüfungsmethode darstellt, von der die mit ihr jeweils geprüften Maßstäbe (Teilrechte und Gesamtrecht im Übrigen) zu trennen sind.[33] Eine Verletzung ist in Anwendung dieser Gesamtbetrachtung immer dann anzunehmen, wenn ein benanntes Teilrecht der Art. 6 I 1, II oder III EMRK verletzt wurde[34] oder wenn das Gesamtrecht im Übrigen missachtet wurde, indem unbenannte Rechtspositionen beeinträchtigt wurden, die der EGMR aus dem Gesamtrecht abgeleitet hat.[35]

Die gesamtbetrachtende Prüfung schlägt sich sodann auch in einer gesamtbetrachtenden Entscheidungsbegründung nieder: Vor allem wenn der EGMR eine Verletzung annimmt, begründet er seine Entscheidung - mit der er immerhin einen souveränen Staat verurteilt - additiv mit allen ihm verfügbaren Erwägungen, um der Verurteilung größtmögliche Plausibilität zu verleihen.[36] Er zieht also oft die Plausibilität seines Gesamtergebnisses der dogmatischen Klarstellung seiner Aussagen vor. Nur selten stellt er bei der Rüge mehrerer Verletzungen des Art. 6 EMRK in einem Fall klar, dass einer der gerügten Verfahrensmängel bereits für sich genommen Art. 6 EMRK verletzt.[37]

Dass die gesamtbetrachtende Begründung des EGMR kritikwürdig ist, weil sie der Verwirklichung der EMRK schadet und die Interpretation seiner Entscheidungen erschwert, wurde bereits oft ausgeführt.[38] Von größtem Übel ist dabei, dass die nicht selten fehlgedeutete Gesamtbetrachtung oft als probates Mittel benutzt wird, in einem "spirit of minimalism"[39] die menschenrechtlichen Standards der EMRK zu reduzieren: Man interpretiert die aus der Rechtsprechung des EGMR folgenden Verpflichtungen bis zuletzt eng, solange der EGMR nicht jeden Zweifel selbst beseitigt. Die Gesamtbetrachtung wird so zum Schlupfloch,

um die national gewünschten Ergebnisse vor konventionsrechtlich längst gebotenen Änderungen zu "retten".

Derartige Interpretationen übergehen aber unzulässigerweise, dass nicht der EGMR, sondern die nationalen Gerichte die wichtigsten Interpreten der EMRK sein müssen:[40] Im Sinne der Subsidiarität der EMRK sind gerade die nationalen Gerichte aufgefordert, die Konvention umzusetzen und fortzuentwickeln. Der Rechtsweg zum EGMR ist subsidiär. Die Gerichte haben gerade nicht abzuwarten, bis der EGMR ihnen unzweideutige Vorgaben macht, die jeden Interpretationsspielraum nehmen. In jedem Falle dürfen die nationalen Gerichte die Entscheidungen des EGMR nicht als "Störfaktor" wahrnehmen, der möglichst für die eigene Entscheidung auszuschalten ist. Sie müssen sich vielmehr auf die vom EGMR vertretenen Positionen und Denkweisen tatsächlich einlassen.[41] Denn anderenfalls kann die viel beschworene völkerrechtsfreundliche Haltung Deutschlands zur EMRK - auch im Wissen um mehrdeutige und problematische Begründungen und Positionen des EGMR - nicht Wirklichkeit werden.

Für eine ausgewogene Interpretation sollte daher bei aller gebotenen Vorsicht in der Praxis insbesondere das Folgende beachtet werden, um zu vermeiden, dass die Konventionsrechte im deutschen Strafprozess wegen fehlgehender Interpretationen nur verzögert verwirklicht werden: Die Gerichte dürfen nicht dabei stehen bleiben, Entscheidungen des EGMR stets so zu interpretieren, dass aus ihnen nur dann belastbare Rechtspositionen folgen, wenn alle vom EGMR im Fall einer Verletzung angesprochenen Kriterien und Sachverhaltsumstände in einem zweiten Fall wieder vorliegen. Der Hintergrund der "addierende Methode" des EGMR muss den Gerichten vor Augen stehen, damit die Begründungen des EGMR richtig interpretiert werden. Die Reichweite einzelner Teilaussagen einer Entscheidung ist dabei vor allem aus dem Gesamtsystem der Rechtsprechung zu ermitteln.

Ein Beispiel mag dies verdeutlichen: Würde man auch die jüngste Entscheidung der Großen Kammer des EGMR nach Art des BGH aus BGHSt 45, 321 ff. interpretieren, so könnte man annehmen, dass die Maßgabe, Beweismittel aus einer unzulässigen Tatprovokation nicht zu verwerten, diesmal nur dann gelten soll, wenn zugleich auch die Pflicht zur Aufklärung des Provokationsvorwurfs nicht voll erfüllt worden sei. Dies aber kann schwerlich richtig sein, denn in anderen Entscheidungen hat schon die Behinderung der Aufklärung eine eigenständige Verletzung ausgemacht, ohne dass eine unzulässige Provokation vom EGMR überhaupt angenommen wurde.[42]

Und auch dann, wenn andere Entscheidungen für einen Abgleich gerade noch fehlen, wie es zum Zeitpunkt von BGHSt 45, 321 ff. zur Tatprovokation der Fall war, ist nicht notorisch aus der Gesamtbetrachtung des EGMR zu folgern, dass klare Teilaussagen des EGMR[43] nicht beim Wort zu nehmen sind und nur in Ergänzung mit anderen Umständen zu einer Verletzung führen: Schon zu diesem Zeitpunkt war die Aussage, dass Art. 6 EMRK den nationalen Prozessen keine Vorgaben für die Verwertung von Beweisen macht, von jeher mit dem Vorbehalt ausgestattet, dass dies nur in der Regel der Fall sei (z.B. " as a general rule "/ " par principe", "primarily by the rules of domestic law"/ "matière qui relève au premier chef du droit interne" ).[44] Wenn der EGMR dann aber einmal eine exakte Aussage trifft, die diesen Vorbehalt wegen der dem EGMR zustehenden Prüfung des Art. 6 EMRK in Anspruch nimmt, spricht zunächst alles dafür, die Aussage ernst zu nehmen und sie nicht durch den Verweis auf im Übrigen und in anderen Fallgestaltungen (!) fehlende Maßstäbe zum Beweisrecht zu zerstreuen. Dies gilt im Beispiel von BGHSt 45, 321 um so mehr, als sich Tendenzen des EGMR, Verfahrensfehler mit dem Verweis auf milde Strafen "zu heilen" und damit Verletzungen abzulehnen, überhaupt nicht feststellen lassen. Damit hatte sich der BGH in jedem Fall für die Lösung entschieden, die sich am wenigsten an die Rechtsprechung des EGMR anknüpfen ließ.

2. Der Tatbestand der unzulässigen Provokation

Überprüfungs- und Veränderungsbedarf besteht bei der Frage, wann eine unzulässige Tatprovokation vorliegt. Hier zeigt sich, dass BGH und EGMR mindestens in der Tendenz divergierenden Provokationsbegriffen folgen: Der EGMR legt Gewicht auf die Hypothese, ob die konkrete Tat durch den Betroffenen auch ohne die staatliche Aktion begangen worden wäre. Spricht dafür nichts und bestand also kein konkreter Tatverdacht gegen den Provozierten, geht der EGMR offenbar von einem Verstoß bereits aus, ohne dass er zusätzlich eine besonders erhebliche Einwirkung auf die Willensbildung des Provozierten oder einen strengen Nachweis der Kausalität konstitutiv fordern würde. Obschon hierzu noch keine restlose Klärung angenommen werden kann, spricht doch z.B. die Annahme einer Provokation des Bf. Pyrgiotakis stark dafür, dass eine besonders erhebliche Einwirkung auf den Willen des Bf. keine zwingende Voraussetzung darstellt.[45] Der BGH hin-

gegen legt erkennbar Wert darauf, dass der dem Staat zurechenbare Provokateur gerade auf den Tatbeteiligten, der sich auf die Provokation berufen will, qualifiziert zur Begehung der Tat eingewirkt haben muss ("erhebliche Stimulierung").[46] Es soll also nicht schon das schlichte "In-Versuchung-Führen" genügen, selbst wenn die konkrete Tat ohne die Aktion des Staates nicht begangen worden wäre. Eine Definition des Maßes nötiger Einwirkungen ist indes auch der BGH bislang schuldig geblieben.

Vor diesem Hintergrund wird in Zukunft mindestens Vorsicht bei der Einforderung einer "erheblichen Stimulierung" angemessen sein, wenn nichts dafür spricht, dass die konkrete Tat auch ohne die Polizeiaktion begangen worden wäre, wofür der EGMR weder Gerüchte, noch eine allgemeine Tatbereitschaft genügen lässt.[47] Es spricht mehr dafür, dass für den EGMR allein die Hypothese einer ohne die Polizei nicht begangenen Tat auf der Grundlage eines nicht substantiiert begründeten Tatverdachts ausschlaggebend ist,[48] so dass die Ablehnung einer Tatprovokation allein wegen einer zu geringen Stimulierung kaum "ruhigen Gewissens" erfolgen kann. Diese Interpretation ist auch in der Sache angemessen, da Druck oder Täuschung die staatliche Herbeiführung einer Straftat nur noch problematischer machen würden. Fehlen Druck oder Täuschung, lässt dies das Grundproblem aber gerade nicht entfallen, das nicht erst in der Willensbeeinträchtigung des Provozierten, sondern schon in der staatlichen Unrechtsbegehung und in der eintretenden Anstiftung eines Bürgers liegt. Es muss erstaunen, dass die Strafbarkeit wegen Anstiftung den Bürger bei jedem kommunikativen Hervorrufen eines Tatentschlusses treffen soll,[49] der Staat seine Mitverantwortung aber nur bei erheblichen Einwirkungen zur Kenntnis nehmen will. Auch das BVerfG hat genau genommen nur die "Steuerung" krimineller Aktivitäten gestattet, nicht indes die Anstiftung zu anderenfalls nicht begangenen Taten akzeptiert.[50]

In jedem Fall ist die pauschale Vorstellung aufzugeben, nur bei direkten Einwirkungen auf Tatbeteiligte könne eine unzulässige Provokation vorliegen.[51] Der Fall Pyrgiotakis zeigt, dass auch für Provokationen, die über Dritte vermittelt werden, die nicht wissentlich als V-Leute des Staates handeln und weitere Personen in die Tat verwickeln, die strengen Maßgaben des EGMR gelten. So wird auch die "mittelbare Tatprovokation" dann anzuerkennen sein, wenn z.B. eine Person provoziert wird, die sodann Mittäter gewinnt und diese bei der Tat mitwirken. Auch hier kann die staatliche Aktion Dritte in Schuld und Unrecht verstricken, ohne dass dies gegenüber diesen Dritten in einem Rechtsstaat noch zu rechtfertigen wäre. Darüber hinaus sollte der BGH mindestens beim Angebot eines konkreten, gewinnbringenden Drogengeschäfts eine hinreichende Einwirkung annehmen, denn den darin liegenden finanziellen Anreiz hat auch der EGMR bereits betont:[52] Schon hierin kann eine - will man sie denn weiter fordern - qualifizierte Stimulierung gesehen werden.

3. Neue Rechtsfolgen des Verstoßes gegen Art. 6 EMRK

Wie schon vielfach in Kritiken der Entscheidung BGHSt 45, 321 ff. dargelegt wurde, ist eine Abkehr von der Strafzumessungslösung des BGH geboten.[53] Unbeschadet der Frage, ob auch sie auf die "Vollstreckungslösung" umzustellen wäre,[54] sind die Aussagen des EGMR zur unzulässigen Beweisverwertung spätestens nach der Entscheidung der Großen Kammer des EGMR beim Wort zu nehmen. Dies ist dabei nicht nur im Wege eines "blinden Vollzuges" der EGMR-Entscheidungen berechtigt, sondern auch in der Sache geboten:

Ein Verfahren kann nur fair sein, wenn es nicht als solches durch den Staat von vornherein desavouiert wird, indem es gar nicht mehr als selbständiger Prüfstein einer gerechten Strafe betrachtet, sondern als reines Aburteilungsinstrument eingesetzt wird.[55] Ein solches Verfahren kann nach einer unzulässigen Provokation aber gar nicht mehr geführt werden, weil die Tat in Art, Ausmaß und Beweis von Beginn an durch den Staat geplant ist. Dadurch trägt das in einem rechtswidrigen staatlichen Verhalten seinen Ursprung nehmende Verfahren den Charakter einer Farce, bei der das substantielle Ergebnis nicht offen ist, sondern vielmehr von Anfang im Konflikt mit dem Recht feststeht. Dieser kennzeichnende und singuläre Umstand verdeutlicht, weshalb hier auch ohne eine explizite Regelung des Gesetzgebers[56] bei den Rechtsfolgen eine harte Reaktion auch im Vergleich etwa mit § 136a StPO angemessen ist. Die Reaktion kann hier nicht in einer "heilenden Strafmilderung" bestehen, denn diese ist als Ausgleich für eine Verletzung von Verfahrensrechten des Art. 6 EMRK stets verfehlt, da sie nicht dazu beiträgt, das Verfahren selbst fair sein zu lassen, das die Strafe überhaupt erst legitimieren müsste.[57] Eine Strafzumessungslösung findet zudem

- wie bereits bemerkt - auch kein Pendant in der maßgeblichen Rechtsprechung des EGMR: Es macht die Tatprovokation für den Betroffenen zwar besonders einschneidend, wenn sie auch noch zu einer schweren Strafe führt. Deshalb stützt der EGMR Verurteilungen eines Staates auch auf diese Erwägung.[58] Es macht die wegen Art. 6 EMRK unzulässige Tatprovokation aber nicht im Nachhinein zulässig, wenn sie nur zu einer vergleichsweise milden Strafe führt.

Orientiert man sich an den unmittelbaren Ausführungen des EGMR, ist mindestens ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der Beweise zu fordern, die aus der Provokation folgen.[59] Dies führt freilich tatsächlich zu einer - oft kritisch gegen diese Lösung eingewendeten - immensen und schwer abgrenzbaren Reichweite dieses Verbots,[60] weil die Provokation nahezu alle Beweise von Anfang an nicht nur mittelbar vorprogrammiert.[61] Es wären Fortwirkungen etwa bezüglich des Geständnisses anzunehmen, zumal das Geständnis auch nach dem EGMR gerade keine veränderte Verfahrensrechtslage herbeiführen soll.[62] Auch das Geständnis erscheint vorprogrammiert, mindestens solange keine Belehrung erfolgt, welche die weitreichenden Verwertungsverbote dem Provozierten umgehend illustriert. Die immense Reichweite bzw. die aufgeworfenen Fragen der Fortwirkung und der Fernwirkung liegen bei alledem schon in der das ganze Verfahren umfassenden Natur der Tatprovokation begründet. Sie erfasst das gesamte Geschehen und so auch umfassend die erstrebten Beweise, denn das ist ja das Programm, die innere Logik der staatlichen Überführungsprovokation!

Berechtigt ist sodann aber zu fragen, was ein Verfahren denn noch sollte, wenn es durch Beweisverwertungsverbote umfassend "torpediert" wird. Gerade an diesem Punkt wird - freilich anders als vom BGH durchgeführt - maßgeblich, dass der EGMR die Art und Weise der Umsetzung seiner Anforderungen gerade nicht abschließend vorgibt. Wenn die Beweisverwertungsverbote nach der deutschen Prozessordnung gerade praktisch bedeuten, dass das Verfahren gar nicht mehr sinnvoll durchgeführt werden kann, dann ist dies mit einem Verfahrenshindernis umzusetzen, das nach nationalem Recht eine angemessene und auch für den EGMR qualitativ gleichwertige Lösung darstellt.[63] Dass der EGMR nicht ohne jeden Zweifel ein Verfahrenshindernis eingefordert hat, wofür aber Passagen seiner Rechtsprechung sehr wohl sprechen,[64] ist dabei kein Gegenargument, denn der EGMR denkt und erklärt sich gerade nicht in den Kategorien eines einzelnen Vertragsstaates der EMRK.

Gegen die prinzipielle Annahme eines Verfahrenshindernisses, das auch von Senaten des BGH bereits vertreten wurde,[65] spricht auch nicht ein offensichtlicher Verstoß gegen die Gerechtigkeit.[66] Ist es denn wirklich aus Gerechtigkeitsgründen zwingend geboten, eine staatlich produzierte Mitschuld zu bestrafen? Kein Argument räumt den Umstand aus, dass die Mitschuld des Provozierten eine künstliche ist, die im realen Zusammenleben so überhaupt nicht entstanden wäre. Das vermeintlich verfehlte Prinzip des "Alles oder Nichts", das mit einem Verfahrenshindernis anerkannt wäre, ist in Wirklichkeit nur dem Unterschied zwischen dem realen Geschehen und dem staatlich produzierten Geschehen entlehnt: Ohne die staatliche Mitschuld gäbe es die konkrete Tat eben nicht halb, sondern gar nicht.

Aber selbst wenn man noch von Schuld reden kann, insbesondere dann, wenn der Staat den Betroffenen nur versuchen und nicht drängen musste, bleibt stets das Argument, dass das aus einem Unrecht geborene Verfahren hier keine legitimierende Kraft entfalten kann:[67] Nicht nur die materielle Schuld legitimiert die Strafe. Es gilt auch der Satz nulla poena sine judicium, dem nicht mehr entsprochen werden kann, wenn das legitimierende Verfahren durch die staatliche Tat- und Verfahrensplanung nur ein Bestrafungsinstrument bzw. eine Farce darstellen kann. Extrembeispiele, dass der Staat etwa zu einem Mord anstiftet, sind dabei keine wirklich praktikablen Einwände. Denn wenn ein Staat zu solchen Mitteln greift, wäre eher an dessen jeweils handelnden Repräsentanten und - soweit sie eine solche Provokation tatsächlich legitimieren sollte - an seiner Rechtsordnung fundamental zu zweifeln, als dass der versuchte Wille des Einzelnen hier das vordringliche Problem der Gerechtigkeit darstellen würde.

4. Sorgfältige Aufklärung und Beweislast hinsichtlich der unzulässigen Tatprovokation

Der EGMR hat in der Entscheidung der Großen Kammer zum wiederholten Male betont, dass Art. 6 EMRK nicht nur zu beachten ist, wenn eine unzulässige Tatprovokation belegt ist. Vielmehr muss der Angeklagte seine Verteidigungsrechte effektiv einsetzen können, um eine Provokation belegen zu können. Der Staat trägt - wie der EGMR nun

deutlicher hinzufügt - die "Beweislast" dafür, dass keine Tatprovokation vorlag. Eine Rezeption dieser Rechtsprechung durch deutsche Gerichte steht bislang noch aus. Eine erklärte Rechtsprechung des BGH, im Verfahren besonders abzusichern, dass unzulässige staatliche Tatprovokationen auch belegt werden können, existiert nicht.[68] Dazu besteht aber vor allem dann Anlass, wenn der Angeklagte V-Leute als Entlastungszeugen zum Beleg einer Tatprovokation heranziehen möchte: Hier wird die deutsche Rechtsprechung ihren Umgang mit der Sperrung von Akten und Zeugen überdenken müssen.[69] Es geht insoweit nicht mehr "nur" darum, die Aussage von Belastungszeugen effektiv angreifen zu können. Vielmehr wird hier ein ganz entscheidender Entlastungsvortrag besser als bisher zu ermöglichen oder im Fall seiner Verhinderung im Verfahren selbst wirksam zu kompensieren sein.[70]

Diese Rechtsprechung dürfte in der Praxis sogar noch wichtiger sein als die Abkehr von der Strafzumessungslösung. Denn in der Regel dürfte der Verteidigungsvortrag einer Provokation regelmäßig schon daran scheitern, dass die unzulässige Provokation nicht zur Überzeugung des Gerichts belegt werden kann und damit im Verfahren keine Rolle mehr spielt. Die Behauptungen des Angeklagten genügen nicht für einen Beweis und die Akteure auf Seiten des Staates sind nicht selten von der Aussage in der Hauptverhandlung befreit. Hier greift nun ein, dass der EGMR mit seinen Ausführungen zur Beweislast letztlich eine der eher seltenen Fallgruppen geschaffen haben dürfte, in denen zur Absicherung verfahrensrechtlicher Maßstäbe das Prinzip in dubio pro reo auch für das Verfahrensrecht gilt. Im Allgemeinen wird die Geltung dieses Grundsatzes eher abgelehnt, wenngleich sich hier ein Wandel andeutet[71] und seine Geltung zum Teil bereits angenommen wird, was insbesondere "Zwischenbereiche" von materiellem und prozessualem Recht wie die Verjährung betrifft.[72] Die Tatprovokation, die ebenfalls für viele Autoren eher oder auch eine Frage des materiellen Rechts darstellt,[73] erfordert nach der Entscheidung der Großen Kammer des EGMR nun, dass eine nicht völlig unwahrscheinliche Behauptung ("defendant's allegations are not wholly improbable") zu einer unzulässigen Tatprovokation durch den Staat positiv widerlegt wird.[74] Es genügt also nicht mehr, dass der Angeklagte die Tat nicht belegen konnte. Bei unterbreiteten ernsthaften Anhaltspunkten für eine nicht rein passive Ermittlung muss das Gericht ohne verbleibende ernsthafte Zweifel überzeugt sein, dass tatsächlich keine Provokation vorgelegen hat und dementsprechend verstärkte Aufklärungsbemühungen dazu entfalten.

Besonders wesentlich ist damit, wann die Behauptung einer unzulässigen Tatprovokation lediglich eine "Schutzbehauptung" darstellt, die völlig unwahrscheinlich ist und wann hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte gegeben sind, welche die "Beweislast umkehren". Der EGMR hat dazu noch keine abschließende Klärung herbeigeführt. Zum Teil hat er keine besonders hohen Maßstäbe an die Behauptung konkreter Anhaltspunkten für eine Provokation gestellt.[75] Diese Frage bedarf in Zukunft weiterer Klärung. Als grobe Leitlinie wird hier gelten können, dass Fallbesonderheiten vorliegen müssen, um eine derartige Maßstabsverschiebung zu bewirken. Eine irgendwie geartete routinierte Behauptung bei jedem V-Mann-Einsatz, der V-Mann habe die konkrete Tat vorgeschlagen, wird nicht genügen können, denn anderenfalls wäre dies nahezu gleichbedeutend mit der Aussage, dass V-Mann-Einsätze im Vorfeld einer Straftat doch stets ausgeschlossen sind, was auch der EGMR gerade nicht vertritt. Überdies wäre der Angeklagte zu pauschal begünstigt. Richtig wird aber auch sein, durchaus sehr verschiedene Umstände als besondere Fallumstände zuzulassen. So könnten z.B. Unregelmäßigkeiten im Vorgehen der V-Leute, wie Verstöße gegen Vorgaben der Polizei, Zweifel daran begründen, ob die V-Leute auch ihre Vorgaben hinsichtlich der unzulässigen Tatprovokation eingehalten haben. Hierunter wird auch Fehlverhalten gegenüber anderen Beschuldigten und in anderen Verfahren zu zählen sein. Ebenso können besondere Interessen beteiligter Personen Anhaltspunkte für eine Provokation begründen.[76] Schließlich könnten auch gehäufte und plausible Aussagen mehrerer Betroffener (Beschuldigter) im Einzelfall die besonderen Maßstäbe auslösen. Jedenfalls darf die Rechtsprechung die Anforderungen an die plausible Geltendmachung einer unzulässigen Tatprovokation nicht überspannen und damit diese Fallgruppe entgegen Buchstaben und Geist der jüngsten Entscheidungen des EGMR gleichsam austrocknen. Der Staat, der heikle verdeckte Ermittlungen bei der "Verbrechensbekämpfung" einsetzt, muss bis zu einem gewissen Grad hinnehmen, dass sein selbst gewähltes Operieren in der Heimlichkeit unter Umständen auch Raum für Schutzbehauptungen schafft. Dies gilt umso mehr, als er es in der Hand hat, durch geeignete Auswahl und Lenkung der eingesetzten Personen die Grundlage für die Beweisführung zu legen, dass gerade keine unzulässige Tatprovokation vorliegt.


[1] Siehe die Übersetzung in StV 1999, 127 f. m. Anm. Kempf = NStZ 1999, 47 m. Anm. Sommer.

[2] BGHSt 45, 321, 335; 47, 44, 47.

[3] BGHSt 47, 44 ff.; Fischer, StGB, 55. Aufl. (2008), § 46 Rn. 67.

[4] BGHSt 45, 321, 338 f.; 47, 44, 47; BGH vom 30.05.2001, 1 StR 116/01; Fischer (Fn. 3), § 46 Rn. 67; noch enger BGHSt 32, 345, 348; BGH NJW 1981, 1626; großzügiger nun aber BGH NStZ 2008, 39, 40.

[5] So BGH HRRS 2004 Nr. 827 = NStZ 2005, 43 für den Fall, in dem Mittäter durch eine polizeiliche Aktion gegen einen der Täter provoziert worden sind.

[6] Der BGH versteht darunter hier indes nicht exakt den Tatverdacht i.S. der §§ 152 II, 160 StPO und fasst auch zukünftige Taten unter diesen Begriff, vgl. BGHSt 47, 44, 47 f.

[7] BGHSt 47, 44, 48.

[8] BGHSt 45, 321, 332 ff., 339; 32, 345, 355; m.w.N. Fischer (Fn. 3), § 46 Rn. 67a, 68.

[9] Vgl. schon BGHSt 32, 345, 350 ff. und 45, 321, 324 f., 332 ff.; zust. etwa Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. (2007), Einl. Rn. 148a; Beulke, Strafprozessrecht, 10. Aufl. (2008), Rn. 288, wobei er in Extremfällen einen Schuldausschließungsgrund annehmen will.

[10] BGHSt 45, 321, 333; in diesem Sinne auch m.w.N. BVerfG NJW 1995, 651, 652: nur im Ausnahmefall.

[11] Vgl. BGHSt 45, 321, 328 f., 332 f., 334 f.

[12] Esser, Auf dem Weg zu einem europäischen Strafverfahren (2002), S. 170 ff., 175 ff.; abl. ebenfalls Kempf StV 1999, 128, 129 f.; Sinner/Kreuzer StV 2000, 114 ff.; Fischer/Maul NStZ 1992, 7, 12 f.; Roxin JZ 2000, 369 f.; Kinzig StV 1999, 288, 292; treffend auch Kühne, 7. Aufl. (2006), Rn. 537.

[13] Vgl. zum Sachverhalt EGMR, Ramanauskas vs. Litauen, HRRS 2008 Nr. 200, §§ 9 ff.

[14] Vgl. zu den wesentlichen Entscheidungsgründen EGMR HRRS 2008 Nr. 200, §§ 49 ff.

[15] EGMR HRRS 2008 Nr. 200, §§ 54, 60, 73. In § 60 heißt es: "for the trial to be fair within the meaning of Article 6 § 1 of the Convention, all evidence obtained as a r esult of police incitement must be excluded" .

[16] EGMR HRRS 2008 Nr. 200, §§ 55 ff. m.w.N. zu den einzelnen Feststellungskriterien.

[17] EGMR HRRS 2008 Nr. 200, § 57 m.w.N.; siehe auch schon BGHSt 45, 321, 324 ff.

[18] EGMR HRRS 2008 Nr. 200, § 56.

[19] Zum Folgenden vgl. EGMR HRRS 2008 Nr. 200, §§ 62 ff.

[20] Siehe EGMR HRRS 2008 Nr. 200, §§ 60 f. und 69 ff. m.w.N.; dazu bereits EGMR, Edwards and Lewis vs. UK [GC], ECHR 2004-X, §§ 46 ff. = HRRS 2005 Nr. 1; Meyer-Goßner (Fn. 9), Einl. Rn. 148a; ausführlich Gaede StV 2006, 599, 601 f., 603 ff.; siehe zuvor schon EGMR, Edwards and Lewis vs. UK [Kammer], §§ 49 ff., StraFo 2003, 360 m. Anm. Sommer; dazu auch Gaede HRRS 2004, 44, 45 ff.

[21] EGMR HRRS 2008 Nr. 200, § 69 m.w.N.; zu früheren Entscheidungen auch Gaede HRRS 2004, 44, 45 ff.

[22] EGMR HRRS 2008 Nr. 200, § 70.

[23] Vgl. dazu besonders schon EGMR HRRS 2005 Nr. 1, §§ 46 ff.; ausführlich Gaede StV 2006, 599, 601 ff.

[24] Siehe EGMR HRRS 2008 Nr. 200, § 72.

[25] Vgl. insbes. EGMR, ZE Sequeira vs. Portugal, Nr. 73557/01, ECHR 2003-VI; EGMR, Edwards u. Lewis vs. Großbritannien [Kammer], §§ 49 ff., StraFo 2003, 360; EGMR, Vanyan vs. Russland, Nr. 53203/99, Urt. v. 15. Dezember 2005, §§ 46 ff. (dazu schon Kühne[Fn. 12], Rn. 537); EGMR, Khudobin vs. Russland, Nr. 59696/00, Urt. v. 26. Oktober 2006, §§ 128 ff.; EGMR, ZE Eurofinacom vs. Frankreich, Nr. 58753/00, ECHR 2004-VII.

[26] Vgl. EGMR, Pyrgiotakis vs. Griechenland, HRRS 2008 Nr. 500, §§ 6 ff.

[27] Dazu und zum Folgenden vgl. EGMR HRRS 2008 Nr. 500, §§ 18 ff.

[28] Im französischen Original: " … lorsque l'activité des agents en question peut passer pour avoir provoqué l'infraction …" (§ 20).

[29] Vgl. BverfGE 111, 307, 322 ff., 327 f. = HRRS 2004 Nr. 867 m. Anm. Gaede HRRS 2004, 387; Esser StV 2005, 348 ff., 355; Jahn NJW 2006, 652, 654: Vorbehalt nur für den Extremfall.

[30] BGHSt 45, 321, 332 f.

[31] Vgl. aus der Vielzahl der Entscheidungen etwa EGMR, Quaranta vs. Schweiz, Serie A, Nr. 205, § 30; EGMR, Vaudelle vs. Frankreich, Rep. 2001-I, § 57; EKMR, R.D. vs. Spanien, Nr. 15921/89, DR 71, 236, 243 f.; m.w.N. erläuternd Gaede, Fairness als Teilhabe - Das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung (2007), S. 159 ff., 290 f.; 326 ff., 383 ff., 427 ff., zum Beweisrecht 807 ff.; zusf. ders. JR 2006, 292 f.

[32] Vgl. zu den beiden vorherigen Sätzen bereits näher Gaede JR 2006, 292 f.; ders., Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 447 ff.; zust. Neuhaus HRRS 2007, 373, 376.

[33] Dazu vertiefend Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 326 ff., 427 ff., 442 ff.

[34] Als Beispiele vgl. für derartige selbständige Begründung von Verletzungen über einzelne Gesichtspunkte des Art. 6 EMRK etwa EGMR, Öcalan vs. Türkei, Urt. vom 12.3.2003, §§ 111 ff., 139 ff.; EGMR, Vanyan vs. Russland (Fn. 25), §§ 43 ff. und §§ 51 ff.; EGMR, Jalloh vs. Deutschland, §§ 103 ff., 109 ff., NJW 2006, 3117 ff. = HRRS 2006 Nr. 652; vgl. auch schon EGMR, Deweer vs. Belgien, Serie A, Nr. 35, § 56: Mindestrechte des Art. 6 III EMRK als "constituent elements".

[35] Dazu vgl. etwa EGMR, De Haes u. Gijsels vs. Belgien, Rep. 1997-I, § 59; EGMR StV 1999, 127 f.; EGMR HRRS 2005 Nr. 1, §§ 46 ff.; siehe auch zur Fallgruppe additiv begründeter Verletzungen EGMR, Barberà u.a. vs. Spanien, Serie A, Nr. 146, §§ 67 ff.; 89; Nack, NJW-Sonderheft Gerhard Schäfer (2002), S. 46, 50, 52; m.w.N. Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 430 f., 447 f.

[36] Vgl. neben Ramanauskas vs. Litauen auch EGMR, Jalloh vs. Deutschland, §§ 94 ff., 103 ff., 109 ff., NJW 2006, 3117 ff. = HRRS 2006 Nr. 652; EGMR, Van de Hurk vs. Niederlande, Serie A, Nr. 288, § 61; EGMR, Edwards vs. Grußbritannien, Serie A, Nr. 236, §§ 33 ff.; siehe auch den Fall Pyrgiotakis mit dem Bezug auf die "schwere Strafe" EGMR HRRS 2008 Nr. 500, §§ 18 ff.; vgl. näher zur Begründungsweise Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 146 ff., 447 f.

[37] So z.B. in EGMR, Lobo Machado vs. Portugal, Rep. 1996-I, § 31; EGMR, Öcalan vs. Türkei, 12.3.2003, §§ 139 ff.; aus jüngerer Zeit auch zur Tatprovokation EGMR, Vanyan vs. Russland (Fn. 25), §§ 43 ff. und §§ 51 ff.

[38] Vgl. zur Kritik etwa Esser (Fn. 12), S. 860 ff.; Nack, Sonderheft-NJW Gerhard Schäfer (2002), S. 46, 51; Kühne StV 2001, 73, 77; Schürmann ZStR 119 (2001), 352, 359 ff.; m.w.N. Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 147 ff., 448; siehe auch das Sondervotum Bonello zu EGMR, Van Geyseghem vs. Belgien, Rep. 1999-I.

[39] So treffend in Auseinandersetzung mit der - früheren - englischen Judikatur Ashworth, Human Rights and Serious Crimes (2002), S. 4 f., 94 ff.: "avoiding human rights"; zu weiterer Kritik vgl. näher Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 134 ff., 141 ff.: problematische Deutung der EMRK als reiner Mindeststandard.

[40] Vgl. etwa EGMR, Handyside vs. Großbritannien, Serie A, Nr. 24, § 48; EGMR, Kudla vs. Polen, NJW 2001, 2694 ff., § 152; im gleichen Sinne auch Esser StV 2005, 348, 355; näher m.w.N. Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 93 f., 132 f., 137.

[41] Vgl. auch schon BVerfGE 111, 307, 324 ff.

[42] Siehe nur erneut EGMR HRRS 2005 Nr. 1, §§ 46 ff.

[43] Vgl. nochmals im Original Teixeira de Castro vs. Portugal, Rep. 1998-IV, § 36: "The public interest cannot justify the use of evidence obtained as a result of police incitement." und § 39: "That intervention [= die Tatprovokation] and its use in the impugned criminal proceedings meant that, right from the outset, the applicant was definitively deprived of a fair trial." Bestätigend z.B. EGMR, Khudobin vs. Russland, §§ 133 f.

[44] Vgl. für diese stRspr. z.B. EGMR, Saidi vs. Frankreich, Nr. 261-C, § 43; EGMR, Dowsett vs. Großbritannien, Rep. 2003-VII, § 43; EGMR, Rachdad vs. Frankreich, 13.11.2003, § 23; schon deutlicher wird die mögliche Durchbrechung der Zulässigkeitsbeurteilung des nationalen Rechts gekennzeichnet in EGMR, Khudobin vs. Russland (Fn. 25), § 133; zu weiteren Durchbrechungen Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 321 ff., 808 ff.

[45] Vgl. EGMR HRRS 2008 Nr. 500, §§ 18 ff. und etwa schon Kinzig StV 1999, 288, 291: geringe Einwirkung.

[46] Siehe neben BGHSt 45, 321, 338 f.; 47, 44, 47 vor allem BGH HRRS 2004 Nr. 827.

[47] Vgl. EGMR HRRS 2008 Nr. 200, § 67 und § 56 m.w.N.; EGMR, Vanyan vs. Russland (Fn. 25), § 49; EGMR, Khudobin vs. Russland (Fn. 25), §§ 134 f.; vgl. auch schon Sommer StraFo 2003, 363, 364.

[48] Vgl. nur m.w.N. EGMR, Khudobin vs. Russland (Fn. 25), §§ 129 ff.; EGMR HRRS 2008 Nr. 200, §§ 67, 56.

[49] Vgl. statt vieler m.w.N. Fischer (Fn. 3), § 26 Rn. 3 ff.

[50] Vgl. BVerfG NJE 1987, 1874, 1875 m.w.N.; vgl. auch BVerfGE 107, 339, 366 ff.; mehrdeutig BVerfG NJW 1995, 651 f.

[51] So aber BGH HRRS 2004 Nr. 827; implizit auch BGHSt 45, 321, 333.

[52] Vgl. mit Bezug auf die Teixeira de Castro-Entscheidung EGMR, Khudobin vs. Russland (Fn. 25), § 129: "tempted by the money"; vgl. auch die ZE Miliniené vs. Litauen vom 26.4.2005, The LAW, 1.

[53] Dafür etwa auch schon Esser (Fn. 12), S. 170 ff., 177: eindeutig konventionswidrige Entscheidung; Sinner/Kreuzer StV 2000, 114 ff.; Kempf StV 1999, 128, 130.

[54] Zu den "Vollstreckungslösungen" vgl. BGH GS JZ 2008, 416 ff. m. Anm. Gaede; BGH NJW 2008, 307 ff.

[55] So etwa Lagodny NStZ 2007, 347, 348 im Anschluss an Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 404 ff., 407.

[56] Zu den tradierten Gegenargumenten dieser Art, die aber der Singularität der staatlich geplanten Tat nicht gerecht werden, vgl. BGHSt 32, 345, 350 ff., 354 f.; 45, 321, 334; Beulke (Fn. 9), Rn. 288.

[57] Vgl. wie hier im Prinzipiellen schon BGH NJW 2008, 1090, 1093; Sinner/Kreuzer StV 2000, 114, 116; Weigend StV 2008, 39, 44; Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 728 ff., 451 ff.; ders. JZ 2008, 422 f.

[58] So etwa in Pyrgiotakis EGMR HRRS 2008 Nr. 500, § 22. Vgl. aber auch EGMR, Vanyan vs. Russland (Fn. 25), § 41 f.: kein Verlust des Opferstatus nach Art. 34 EMRK wegen einer strafmildernd wirkenden Amnestie.

[59] So z.B. auch bereits Kinzig StV 1999, 288, 292; Kühne (Fn. 12), Rn. 537.

[60] Siehe die Kritik bei BGHSt 45, 321, 335; treffend dazu schon Esser (Fn. 12), S. 177.

[61] Zur geradezu notwendig großen Reichweite vgl. auch Fischer/Maul NStZ 1992, 7, 12 f.; Kinzig StV 1999, 288, 292. Vgl. auch BGHSt 45, 321, 335: Beweisaufnahme über die Tat ist praktisch untersagt. Genau das aber bedeutet nach deutschem Recht ein Verfahrenshindernis!

[62] Siehe EGMR HRRS 2008 Nr. 200, § 72.

[63] Für ein Verfahrenshindernis etwa schon Esser (Fn. 12), S. 177; Kempf StV 1999, 128, 130; Sinner/Kreuzer StV 2000, 114, 116 f.; Kolb HRLJ 2000, 348, 356; Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 322, 407, 419 f., 424 f., 209 ff.

[64] Vgl. beispielgebend EGMR StV 1999, 127, 128 (§ 39).

[65] BGH NJW 1981, 1626 f.; BGH NStZ 1981, 70, 71: Verwirkung; m.w.N. dazu BGHSt 32, 345, 349.

[66] So aber BGHSt 45, 321, 333 f.

[67] Zur Sicht des fairen Verfahrens als Legitimationsgebot vgl. etwa Marxen, Straftatsystem und Strafprozess (1984), S. 309 ff., 345; Renzikowski, FS-Lampe (2003), S. 791, 800; näher zu Art. 6 EMRK Gaede, Fairness als Teilhabe (Fn. 31), S. 373 ff.; für eine legitimierende Sinngebung des Verfahrens im Anschluss daran auch Eschelbach HRRS 2008, 190, 198.

[68] In diese Richtung könnte aber z.B. BGH HRRS 2004 Nr. 827 verstanden werden.

[69] Siehe näher schon Sommer StraFo 2003, 363 f.; SK-StPO-Wohlers, 56. Lfg., § 96 Rn. 34 f.; Renzikowski, Die EMRK in Privat-, Straf- und öffentlichem Recht (2004), S. 97, 100; ausführlich Gaede StV 2006, 599, 603 ff.; tendenziell auch Meyer-Goßner (Fn. 9), Einl. Rn. 148a.

[70] Vgl. dazu zur Vermeidung von Wiederholungen schon m.w.N. SK-Wohlers (Fn. 70), § 96 Rn. 34 f., 48, 52 f.; Gaede StV 2006, 599, 603 ff.

[71] Siehe m.w.N. Meyer-Goßner (Fn. 9), § 261 Rn. 34 und Beulke (Fn. 9), Rn. 273.

[72] Vgl. statt vieler für die stRspr. BGHSt 18, 274, 275 ff.; Fischer (Rn. 3), Vor § 78 Rn. 3.

[73] Siehe Roxin JZ 2000, 369 f.; Fuchs ÖJZ 2001, 495, 497; Trechsel, Human Rights in Criminal Proceedings (2005), S. 113; vgl. auch Beulke (Fn. 9), Rn. 288: ausnahmsweise Schuldausschließungsgrund.

[74] Siehe EGMR HRRS 2008 Nr. 70 mit §§ 60 f.

[75] Vgl. etwa die Sachverhalte in EGMR HRRS 2005 Nr. 1, §§ 12 ff., die wesentlich nur von Behauptungen des Angeklagten ausgehen.

[76] Zu möglichen Eigeninteressen der V-Leute im Einzelfall etwa m.w.N. Sinner/Kreuzer StV 2000, 114, 115, 117; Wohlers, FS-Trechsel, S. 813, 822, 828; siehe auch EGMR HRRS 2005 Nr. 1, § 18.