HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

März 2008
9. Jahrgang
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III. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

229. BGH 5 StR 365/07 – Beschluss vom 10. Januar 2008 (LG Berlin)

Verfall von Wertersatz (Bestimmung des Erlangten bei Mittäterschaft, Erlangung der faktischen Verfügungsgewalt bei Betäubungsmittelgeschäften; Erörterungsmangel hinsichtlich der Härtefallvorschrift); Erstreckung des Revisionserfolgs auf Mitangeklagte.

§ 73 StGB; § 73a StGB; § 73c StGB; § 357 StPO

1. Bei einem Betäubungsmittelgeschäft ist ein Vermögensvorteil erlangt, wenn der Tatbeteiligte die faktische Verfügungsgewalt über den Erlös erworben hat (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 121 m.w.N.). Es spielt für die Bestimmung des Erlangten keine Rolle, welchem Tatbeteiligten welcher Anteil an den Erlösen letztlich verbleiben sollte.

2. Zwar ist die Vorschrift des § 357 StPO grundsätzlich auch auf identische sachlich-rechtliche Fehler bei Verfallsentscheidungen anzuwenden (vgl. BGHR StGB § 73 Gewinn 2; BGH, Beschlüsse vom 22. Dezember 2004 – 2 StR 498/04 –, vom 13. Februar 2004 – 3 StR 501/03 – und vom 9. Juli 2002 – 5 StR 30/02). Dies gilt jedoch nicht, soweit der Rechtsfehler lediglich in der Nichterörterung der Härtevorschrift des § 73c StGB besteht.


Entscheidung

191. BGH 1 StR 644/07 - Beschluss vom 8. Januar 2008 (LG München)

Vorwegvollzug der Maßregel nach neuem Recht (Geltung in der Revision; Ermöglichung einer Aussetzung zur Bewährung).

§ 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 StGB; § 354a StPO

Gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB ist ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen, wenn nicht aus gewichtigen Gründen des Einzelfalls eine andere Entscheidung eher die Erreichung eines Therapieerfolges erwarten lässt. Liegen keine Gründe vor, die gegen eine Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe sprechen, so hat der Tatrichter im Erkenntnisverfahren bei der Bemessung des vorweg zu vollziehenden Teils der Strafe keinen Beurteilungsspielraum mehr. Dieser Teil ist so zu berechnen, dass nach seiner Vollstreckung und einer anschließenden Unterbringung eine Bewährungsentscheidung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nF möglich ist.


Entscheidung

250. BGH 5 StR 610/07 – Urteil vom 6. Februar 2008 (LG Frankfurt)

Strafzumessung bei Geständnis (Revisibilität; schuldangemessenes Strafen; Aussetzung zur Bewährung).

§ 46 StGB; § 56 StGB

Die Strafzumessung ist auch bei der Würdigung eines Geständnisses Aufgabe des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. In die tatrichterliche Strafzumessung kann nur eingegriffen werden, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil sie einseitig, widersprüchlich und unvollständig ist. Dabei ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGHSt 34, 345, 349).


Entscheidung

241. BGH 5 StR 508/07 – Urteil vom 9. Januar 2008 (LG Berlin)

Grenzen der Revisibilität der Strafzumessung beim minder schweren Fall; Strafzumessung (Berücksichtigung des öffentlichen Eindrucks und des Handeltreibens im öffentlichen Nahverkehr).

§ 46 StGB; § 30a Abs. 1, Abs. 3 BtMG

1. Bei unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln darf der Umstand strafschärfend Berücksichtigung finden, dass der Handel im – auch von Jugendlichen – vielfrequentierten öffentlichen Nahverkehrs stattfindet.

2. Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimisst, ist im Wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall Gesamtwürdigung 7). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 5 StR 530/07 Rdn. 8).


Entscheidung

206. BGH 4 StR 530/07 - Beschluss vom 15. Januar 2008 (LG Saarbrücken)

Wertungsfehler bei der Strafzumessung (Doppelverwertungsverbot; Zweifelsgrundsatz).

§ 46 Abs. 1, Abs. 3 StGB

Die Erwägung, der Angeklagte habe sich „ohne Not“ zur Beteiligung an der Tat bereit gefunden, einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB, denn damit wertet das Gericht im Ergebnis zu Lasten des Angeklagten, dass er die Tat überhaupt begangen hat (vgl. BGH wistra 2000, 463, 464).


Entscheidung

201. BGH 4 StR 500/07 - Beschluss vom 15. Januar 2008 (LG Halle)

Rechtsfehlerhafter Ausschluss einer verminderten Schuldfähigkeit bei einer Brandstiftung durch den 69jährigen Bewohner der angezündeten Wohnung bei fehlendem Motiv (Steuerungsfähigkeit; Hinzuziehung eines Sachverständigen).

§ 21 StGB; § 244 Abs. 2 StPO

Nach ständiger Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Fähigkeit eines alternden Menschen, der Einsicht in das Unerlaubte seines Tuns gemäß zu handeln, durch einen Altersabbau beeinträchtigt sein kann, ohne dass Intelligenzausfälle oder das äußere Erscheinungsbild auf ein Schwinden der geistigen und seelischen Kräfte hindeuten (vgl. BGH NStZ 1983, 34; BGHR StGB § 21 Sachverständiger 5 und 6).


Entscheidung

164. BGH 2 StR 426/07 - Beschluss vom 23. Januar 2008 (LG Aachen)

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Zustand); Schuldunfähigkeit (Steuerungsunfähigkeit; unwiderstehlicher Drang).

§ 63 StGB; § 20 StGB

Zur Annahme eines Zustands im Sinne des § 63 StGB ist nicht erforderlich, dass der Täter ununterbrochen schuldunfähig oder vermindert schuldfähig ist. Vielmehr genügt es, dass seine Befindlichkeit aufgrund einer länger dauernden seelischen Störung derart beschaffen ist, dass bereits alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit in Bezug auf eine konkrete Tat auslösen können.