HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Februar 2004
5. Jahrgang
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IV. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

BGH 2 StR 164/03 - Urteil vom 14. November 2003 (LG Erfurt)

Bestechung; Amtsträger (Geschäftsführer einer privatrechtlich organisierten Einrichtung); kommunale Steuerung (Anschluss- und Benutzungszwang, Inhaberschaft, Gesellschafterstellung, städtischer Alleinbesitz); verlängerter Arm des Staates; Behörde; Gewinnerzielungsabsicht; Vertrauen in die Sachlichkeit staatlicher Entscheidungen.

§ 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB; § 334 StGB; § 2 Abs. 3 StGB; § 78 Abs. 4 StGB

1. Der Geschäftsführer einer GmbH, die sich in städtischem Alleinbesitz befindet und deren wesentliche Geschäftstätigkeit die Versorgung der Einwohner mit Fernwärme ist, ist Amtsträger gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB, wenn die Stadt die Geschäftstätigkeit im öffentlichen Interesse steuert. (BGHR)

2. Liegen wegen einer Veränderung der Strafdrohung die Voraussetzungen der Ruhensvorschrift des § 78 b Abs. 4 StGB vor, so ist § 2 Abs. 3 StGB zu beachten. (BGHR)

3. Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c) StGB ist, wer sonst dazu bestellt ist, bei oder im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Unter "sonstigen Stellen" sind - ohne Rücksicht auf ihre Organisationsform - behördenähnliche Institutionen zu verstehen, die zwar keine Behörden im organisatorischen Sinne sind, aber rechtlich befugt sind, bei der Ausführung von Gesetzen und Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken (vgl. BGHSt 43, 370, 376 = BGH 2 StR 521/97 - Urteil vom 19. Dezember 1997). (Bearbeiter).

4. Auch als juristische Personen des Privatrechts organisierte Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand sind als "sonstige Stellen" den Behörden gleichzustellen, wenn bei ihnen Merkmale vorliegen, die eine Gleichstellung rechtfertigen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie bei ihrer Tätigkeit öffentliche Aufgaben wahrnehmen und dabei derart staatlicher bzw. hier kommunaler Steuerung unterliegen, dass sie bei einer Gesamtbewertung der sie kennzeichnenden Merkmale als "verlängerter Arm" des Staates erscheinen (vgl. BGHSt 43, 370, 377; BGHSt 46, 310, 312). (Bearbeiter)

5. Wenn die §§ 331 ff. StGB das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität von Trägern staatlicher Funktionen und damit zugleich in die Sachlichkeit staatlicher Entscheidungen schützen (vgl. BGHSt 15, 88, 96 f.; 43, 370, 377), so gilt gleichartiges Vertrauen auch den Funktionsträgern einer staatlich gesteuerten Privatrechtsorganisation. Dieses Vertrauen wird durch die Erfahrung der Käuflichkeit der Funktionsträger in gleicher Weise enttäuscht wie bei anderen Amtsträgern (vgl. BGHSt 43, 370, 377). (Bearbeiter)

7. Zwar steht nach ständiger Rechtsprechung das Rückwirkungsverbot der nachträglichen Verlängerung von Verjährungsfristen, die bloße verfahrensrechtliche Regeln darstellen, nicht entgegen (vgl. BGHSt 2, 300, 307; 26, 288, 289; 46, 310, 318). Resultiert jedoch die Verlängerung der Verjährungsfrist bzw. der Eintritt des Ruhens der Verjährung nicht aus der Änderung der Verjährungsvorschrift, sondern aus der Veränderung einer Strafdrohung und damit einer materiellrechtlichen Vorschrift, so ist § 2 Abs. 3 StGB zu beachten. Dies hat zur Folge, dass sich die Verjährung nach dem für den Angeklagten günstigeren Recht der Tatzeit richtet (vgl. BGH GA 1954, 22). (Bearbeiter)


Entscheidung

BGH 2 ARs 383/03 2 AR 249/03 - Beschluss vom 3. Dezember 2003

Jugendgericht (sachliche Zuständigkeit; örtliche Zuständigkeit; Verweisung an ein Erwachsenengericht); Strafbann des Amtsgerichts.

§ 8 StPO; § 47a JGG; § 269 StPO; § 270 Abs. 1 StPO; § 24 Abs. 2 GVG; § 25 GVG

1. Stellt sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Jugendgericht heraus, dass nicht das Jugendgericht, sondern ein Erwachsenengericht zuständig gewesen wäre, so verbleibt es nach § 47 a Satz 1 JGG bei der Zuständigkeit des Jugendgerichts, auch wenn eigentlich die Zuständigkeit eines Erwachsenengerichts gleicher oder niedrigerer Ordnung gegeben gewesen wäre. Das Gesetz geht davon aus, dass Jugendgerichte ebenso wie Erwachsenengerichte in der Lage sind, Strafsachen gegen Erwachsene zu verhandeln. Die fortbestehende Zuständigkeit des Jugendgerichts liegt im Interesse der zügigen Erledigung anhängiger Verfahren.

2. Die Abgabe an ein Erwachsenengericht höherer Ordnung hindert § 47 a JGG hingegen grundsätzlich nicht. Allerdings hat der Jugendrichter bei Anwendung des allgemeinen Strafrechts die gleiche Rechtsfolgenkompetenz wie der Strafrichter. Dieser kann nach Eröffnung des Hauptverfahrens jede in die Strafgewalt des Amtsgerichts fallende Strafe verhängen (BGHSt 16, 248; 42, 205, 213), daher kommt eine Verweisung vom Strafrichter an das Schöffengericht nicht in Betracht, wenn der Strafrichter eine höhere Strafe als von zwei Jahren Freiheitsstrafe (aber von nicht mehr als vier Jahren Freiheitsstrafe) verhängen will Dies gilt im Interesse einer zügigen Erledigung der Verfahren auch im Verhältnis Jugendrichter zum (Erwachsenen)Schöffengericht.


Entscheidung

BGH 3 StR 397/03 - Beschluss vom 27. November 2003 (LG Hannover)

Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Eigeninteresse); Bandenmitglied (Täterschaft; Teilnahme; Beihilfe).

§ 30 Abs. 1 BtMG; § 30a Abs. 1 BtMG; § 27 StGB; § 25 Abs. 2 StGB

Auch beim Bandendelikt des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gelten die allgemeinen Teilnahme- und Zurechnungsregeln (BGHSt - GSSt - 46, 321, 338; 47, 214). Ein Bandenmitglied kann je nach den Umständen des Einzelfalls als Mittäter oder als Gehilfe handeln (BGH, Beschl. vom 17. Januar 2002 - 3 StR 450/01).