HRR-Strafrecht

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2000
1. Jahrgang
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II. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

BGH 1 StR 221/99 - Urteil v. 18. November 1999 (LG München)

Verleitung zu einer Straftat in einer dem Staat zuzurechnenden Weise; Grundsatz des fairen Verfahrens; Tatprovokation durch Lockspitzel; Agent provocateur; Vertrauensperson der Polizei; Schuldunabhängiger Strafmilderungsgrund; Voraussetzungen für den Einsatz von Vertrauenspersonen; Rechtswirkung der MRK

Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK, § 46 StGB

1. Wird eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person durch die von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet und führt dies zu einem Strafverfahren, liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK. Dieser Verstoß ist in den Urteilsgründen festzustellen. Er ist bei der Festsetzung der Rechtsfolgen zu kompensieren. Das Maß der Kompensation für das konventionswidrige Handeln ist gesondert zum Ausdruck zu bringen. (BGHSt)

2. Selbst die Überschreitung der Grenzen zulässigen Lockspitzeleinsatzes führt nicht zu einem Verfahrenshindernis eigener Art "wegen Verwirkung des staatlichen Strafanspruchs" aufgrund widersprüchlichen Verhaltens (St. Rspr., Bearbeiter).

3. Die MRK ist als Bundesgesetz Bestandteil des deutschen Rechts und ist als Auslegungshilfe bei der Anwendung nationalen Rechts zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bei den in einem Strafverfahren angewendeten Gesetzen stets zu prüfen, ob die Anwendung und Auslegung im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland steht. (Bearbeiter)

4. Die Vorschriften der StPO zum Einsatz Verdeckter Ermittler (§§ 110a bis 110e) sind auf Vertrauenspersonen, deren Einsatz auf die Generalklauseln der §§ 161, 163 StPO gestützt wird, nicht entsprechend anwendbar (BGHSt 41, 42, 44).

5. Zu den Voraussetzungen des staatlich zurechenbaren Einsatzes von Vertrauenspersonen. (Bearbeiter)