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HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 838

Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: AG_Nürnberg, 46_Ds_513_Js_1382/11, Urteil v. 02.08.2012, HRRS 2013 Nr. 838


AG Nürnberg 46 Ds 513 Js 1382/11 - Urteil vom 2. August 2012

Beweiswert von Steuer-CDs für den Nachweis einer Steuerhinterziehung (LGT-Bank; Erträge; Stiftungen; Beweiswürdigung: ungenügende Vermutung).

§ 370 AO; § 261 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Zum Beweiswert der Informationen, die sich auf einer Steuer-CD hinsichtlich eines im Ausland bei der LGT-Bank geführten Kontos befinden, unter dem Gesichtspunkt der Steuerhinterziehung.

2. Lässt sich einer Daten-CD letztlich allenfalls ein bestimmter Kontostand zu einem bestimmten Zeitpunkt und die Berechtigung der Angeklagten hieran entnehmen, genügt dies allein - unabhängig von der Frage, ob die auf dem Datenträger vorhandenen Unterlagen verwertbar sind -, nicht für den Tatnachweis einer Steuerhinterziehung. Dies gilt jedenfalls dann, wenn eine Überführung des Vermögens in andere, nicht steuerpflichtige Werte möglich ist. Eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass nicht benötigte Gelder zinsträchtig angelegt werden, genügt für die Überzeugungsbildung nicht. Letztlich ist nur eine recht wahrscheinliche, für eine Verurteilung indes nicht ausreichende Vermutung der Steuerhinterziehung begründet.

Entscheidungstenor

I. Die Angeklagten werden freigesprochen.

II. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt

Gründe

I.

Den Angeklagten lag folgender Sachverhalt zur Last:

Der Angeklagte *** wird gemeinsam mit seiner Ehefrau der Angeklagten *** beim Finanzamt *** unter der Steuernummer *** steuerlich erfasst.

In den Jahren 2002 bis 2006 verfügten die Angeklagten über Kapitalvermögen, das im Rahmen einer Stiftung bei der LGT Bank in Liechtenstein angelegt war. Aus diesem Kapitalvermögen erzielten sie Einkünfte, erklärten diese aber nicht in ihren gemeinsamen Einkommensteuererklärungen, um Einkommensteuer zu sparen. Das ursprüngliche Kapitalvermögen in Höhe von *** DM, das von einem bei der LGT Bank in Liechtenstein geführtem Nummernkonto stammte, wurde vom Angeklagten am 17.01.2001 nach Widmungserklärung vom 10.01.2001 abzüglich 30.000 CHF Stiftungskapital in die gegründete *** Stiftung überführt. Die Angeklagten sind diesem Vermögen Erstbegünstigte zu ungeteilter Hand. Die Stiftung unterhält bei der LGT Bank in Liechtenstein unter Nummer *** ein Konto, deren letztlich wirtschaftlich Berechtigte die Angeklagten sind. Unter dem 25.07.2011 widmete der Angeklagte *** der Stiftung einen weiteren Betrag über 91.000 DM, den er bereits zuvor dem genannten Konto gutgebracht hatte.

Den Angeklagten war und ist bekannt, dass sie in den von ihnen abzugebenden Einkommensteuererklärung wahrheitsgemäße Angaben zu machen haben.

In den Jahren 2002 bis 2006 gaben die Angeklagten gemeinsam bei dem Finanzamt *** Steuerklärungen wie folgt ab, die wie nachfolgend angegeben verbeschiedenen wurden:

Jahr

Erklärungseingang

Datum
Steuerbescheid

2002

28.08.2003

12.02.2004

2003

24.08.2004

27.12.2004

2004

10.08.2005

05.09.2005

2005

21.12.2006

16.01.2007

2006

29.11.2007

28.03.2008

In den vorbezeichneten Steuerbescheiden wurde Einkommensteuer in folgender Höhe festgesetzt:

Jahr

Steuer

2002

***

2003

***

2004

***

2000

***

2006

***

Hätten die Angeklagten ihre im Rahmen der LGT Bank in Liechtenstein erzielten Einkünfte wahrheitsgemäß angegeben, wäre es aufgrund folgender Einkünfte zu einer Einkommensteuerfestsetzung in folgender Höhe gekommen, woraus sich folgende verkürzten Steuern ergeben

Jahr

Zu versteuernde Einkünfte in €

Zutreffende Steuer in €

Verkürzte Steuer
in €

2002

 

 

15.090

2003

 

 

18.544

2004

 

 

17.872

2005

 

 

12.104

2006

 

 

12.489

Insgesamt beläuft sich die hinterzogene Steuer somit auf 76.099,00 €.

II.

Ein Tatnachweis war aus tatsachlichen Gründen nicht möglich.

1. Die Angeklagten selbst äußerten sich nicht zur Sache.

2. Der vernommene Zeuge H., ermittelnder Finanzbeamter des Finanzamtes Wuppertal, gab an, im August 2007 Material bekommen zu haben, das von einem Datenträger mit Unterlagen von Personen gestammt habe, die in Liechtenstein Vermögenswerte bei der LGT besessen hätten. Über den Datenträger selbst oder dessen Herkunft könne er keine weiteren Angaben machen. In-soweit wisse er auch nicht mehr, als in Zeitungen zu lesen sei. Im Rahmen der folgenden Prüfung seien die jeweiligen Steuerakten der Steuerpflichtigen angesehen worden und Verdachtprüfungsvermerke gefertigt worden. Im Wesentlichen habe es sich um Stiftungen gehandelt. Je nachdem, ob die Stiftungen in den Steuererklärungen erklärt worden waren oder nicht, seien Strafverfahren eingeleitet worden. Bei den Angeklagten *** habe die Besonderheit bestanden, dass sie ein LGT-Konto erklärt hätten, wobei allerdings aus der Steuererklärung nicht ersichtlich gewesen sei, um welches Konto es sich gehandelt habe. Das zuständige Finanzamt *** sei deswegen gebeten worden, bei der nächsten Erklärung Kopien zu fertigen. Dabei habe man gesehen, das dieses Konto nichts mit der Stiftung aus den Unterlagen zu tun hat. Es sei daraufhin eine Durchsuchung durchgeführt worden. Hierbei sei allerdings nichts gefunden worden, außer Unterlagen zu dem bereits erklärten Konto. Aus den von dem Datenträger stammenden Unterlagen habe sich ein Konto einer *** Stiftung in Liechtenstein ergeben, auf dem ca. *** Millionen DM vorhanden gewesen sei. Der Zeuge erläuterte im Folgenden die auf Blatt 2 - 9 der Ermittlungsakte abgehefteten Unterlagen, die vom Datenträger gewonnen worden seien. Ausgehend hiervon habe er die hinterzogenen Steuern unter Annahme der Umlaufrendite ermittelt, Kosten in Höhe von 1.500,00 Euro sowie einen Sicherheitsabschlag abgezogen. Die Berechtigung der Angeklagten an der Stiftung hätte sich aus den Unterlagen vom Datenträger ergeben.

Der Zeuge H. führte weiter aus, dass auf dem Datenträger Unmengen von Material vorhanden gewesen sei. Es habe sich um 867 deutsche Steuerpflichtige sowie zahlreiche Ausländer gehandelt. 169 der Fälle seien eingestellt worden, weil entweder die entsprechenden Erträge in der Steuererklärung erklärt gewesen seien oder weil es etwa zu Selbstanzeigen gekommen war. Es habe letztlich keine einzige falsche Enttarnung gegeben, soweit er dass beurteilen könne. Auch die Staatsanwaltschaft Bochum habe ihm eine entsprechende Auskunft erteilt. Die Leute hätten auch selbst die auf dem Datenträger vorhandenen Unterlagen vorbeigebracht, woran man sehen gekonnt habe, dass dies zutreffende Unterlagen waren. Es habe aber nur zwei Verfahren gegeben, in dem letztlich nur die Unterlagen des Datenträgers vorhanden gewesen seien. In dem anderen Verfahren, wo dies der Fall gewesen sein, habe der Verteidiger mittlerweile die Berechtigung an der entsprechenden Stiftung eingeräumt. Der Zeuge H. gab an, selbst ca. 25 - 30 Verfahren betreut zu haben. Er könne keine näheren Angaben zur konkreten Anlagestruktur der Angeklagten machen. Er wisse auch nicht, ob die auf Blatt 2 - 9 ersichtlichen Unterlagen vollständig sind. Über die weitere Verwendung der Gelder sei ihm ebenfalls nichts bekannt.

3. Unabhängig von der Frage, ob die auf dem Datenträger vorhandenen Unterlagen verwertbar sind, lässt sich hieraus jedenfalls der Tatnachweis einer Steuerhinterziehung nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen.

Letztlich lässt sich hieraus nämlich allenfalls ein bestimmter Kontostand zu einem bestimmten Zeitpunkt und die Berechtigung der Angeklagten hieran entnehmen. Über den weiteren Verlauf der Anlage oder deren Inhalt ist ebenso wenig bekannt wie über die konkrete Anlagedauer. Es ist nicht auszuschließen, dass die genannten Gelder in andere Anlageformen, etwa Immobilien, überführt wurden. Die Angeklagten verfügen ausweislich der Ermittlungsakte nämlich über zahlreiche Immobilien im In- und Ausland. Es lässt sich auch nicht sicher feststellen, welche Fonds ggf. über welchen Zeitraum gehalten wurden und ob hieraus - ggf. in welcher Höhe - Erträge erzielt wurden. Insgesamt ergeben sich letztlich keine gesicherten Ansatzpunkte über das Anlageverhalten und die Anlagedauer durch die Angeklagten.

Es spricht zwar ein gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass nicht benötigte Gelder zinsträchtig angelegt werden. Einen dahin gehenden, allgemein gültigen Grundsatz gibt es indes nicht. Insoweit ist zudem bereits nicht feststellbar, ob die Gelder kurz-, lang- oder mittelfristig benötigt wurden oder nicht, bzw. ob und in welcher Höhe andere Mittel vorhanden waren. Zudem gibt es keinen Anhalt dafür, ob die bereits im Jahr 2000 gewidmeten Beträge auch im Jahr 2006 noch Zinserträge ermöglichten bzw. für welchen Zeitraum eine entsprechende Anlage bestand.

Über den vorliegenden Anfangsverdacht hinaus haben sich keine weiteren Anhaltspunkte für eine Steuerhinterziehung ergeben.

Letztlich handelt es sich nur um eine (zwar naheliegende und insgesamt recht wahrscheinliche, für eine Verurteilung indes nicht ausreichende) Vermutung der Steuerhinterziehung. Die bestehen gebliebenen Zweifel gingen zu Gunsten der Angeklagten. Diese waren aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

HRRS-Nummer: HRRS 2013 Nr. 838

Bearbeiter: Karsten Gaede