HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1018
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 53/25, Beschluss v. 18.03.2025, HRRS 2025 Nr. 1018
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 29. Oktober 2024
a) im Fall II.5 der Urteilsgründe aufgehoben;
b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften und mit Besitz jugendpornographischer Schriften sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften und mit Besitz jugendpornographischer Schriften und in einem Fall in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Inhalte, schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sichverschaffen kinderpornographischer Inhalte, und wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Inhalte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jah 1 ren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner allgemein auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der Angeklagte am 27. Januar 2020 gemeinsam mit der damals sechsjährigen J., der Tochter seiner Lebensgefährtin, in seiner Wohnung auf. Der Angeklagte und das Kind waren unbekleidet. Um sich hierdurch sexuell zu erregen, veranlasste er J., „Turnübungen“ zu machen und hierbei ihr Geschlechtsteil zu präsentieren. Von dem Geschehen fertigte er ein Video an (Fall II.1 der Urteilsgründe).
Am 3. Juni 2020 trat er an das Bett der nunmehr siebenjährigen J. und nahm Manipulationshandlungen an ihrer Scheide vor, wobei er mit zwei Fingern zumindest in den Scheidenvorhof eindrang. Auch dieses Geschehen filmte er (Fall II.2 der Urteilsgründe).
Am 11. August 2020 befanden sich der Angeklagte und J. gemeinsam in einer Badewanne. Beide waren unbekleidet. Der Angeklagte forderte J. auf, seinen erigierten Penis „zu waschen“. Unter diesem Vorwand veranlasste er sie, mit beiden Händen an seinem Penis bis zum Samenerguss zu manipulieren. Auch von diesem Geschehen mit Ausnahme des Samenergusses fertigte er ein Video an (Fall II.3 der Urteilsgründe).
Im März und April 2021 kommunizierte der Angeklagte über die Online-Plattform „Knuddels“ mit der damals zehnjährigen L., deren Alter ihm bekannt war. Im Verlauf des Chats forderte er sie auf, Nacktbilder von sich aufzunehmen und ihm zu schicken. Im Gegenzug versprach er, ihr einen Hundewelpen zu schenken. L. übersandte ihm daraufhin mindestens acht Bilder, die sie mit entblößtem Intimbereich oder vollständig entkleidet zeigten und die auf ihre Geschlechtsorgane fokussiert waren (Fall II.4 der Urteilsgründe).
Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 3. September 2021 wurden mehrere Festplatten und Smartphones sichergestellt, auf denen sich insgesamt 152 Bild- und 106 Videodateien mit kinderpornographischen Inhalten sowie 102 Bild- und fünf Videodateien mit jugendpornographischen Inhalten befanden (Fall II.5 der Urteilsgründe).
2. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht uneingeschränkt stand. Die konkurrenzrechtliche Würdigung der festgestellten Taten durch das Landgericht begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:
„Der Schuldspruch in den Fällen II. 1 bis II. 3 der Urteilsgründe bedarf insoweit der Änderung, als der Angeklagte in diesen Fällen tateinheitlich auch des Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornographischer Schriften schuldig ist.
Aus der Gesamtschau der Urteilsgründe ergibt sich, dass die Videoaufnahmen, welche der Angeklagte hinsichtlich der Fälle II. 1 bis II. 3 der Urteilsgründe anfertigte (…), zum Zeitpunkt der Durchsuchung am 3. September 2021 noch im Besitz des Angeklagten waren. Dies ergibt sich daraus, dass Screenshots der Videoaufnahmen in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurden (…).
Den gleichzeitigen Besitz der selbsthergestellten Videoaufnahmen (Fälle II. 1 bis II. 3 der Urteilsgründe) und der weiteren - auf verschiedenen Datenträgern aufgefundenen - Bilder und Videos am Tag der Durchsuchung (Fall II. 5 der Urteilsgründe) hat das Landgericht im Rahmen der konkurrenzrechtlichen Bewertung erkennbar nicht bedacht.
Der gleichzeitige Besitz verschiedener Datenträger mit kinder- bzw. jugendpornographischen Schriften stellt grundsätzlich nur eine Tat dar. Die ihrerseits in Tatmehrheit zueinander stehenden Herstellungsakte im Sinne von § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F. - in Tateinheit mit § 176 Abs. 1 StGB a.F. bzw. § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F. - werden jedoch nicht durch den nachfolgenden Besitz nach § 184b Abs. 3 StGB a.F. zu einer Tat verklammert, weil es aufgrund der erheblich unterschiedlichen Strafdrohungen an der insoweit vorausgesetzten annähernden Wertgleichheit der Delikte fehlt (vgl. dazu etwa BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2024 - 4 StR 132/24, juris Rn. 4, und vom 29. November 2023 - 3 StR 301/23, juris Rn. 5).
Die tatmehrheitliche Verurteilung im Fall II. 5 der Urteilsgründe hat demgegenüber zu entfallen. Bei gleichzeitigem Besitz von selbst hergestellten kinderpornographischen Schriften und weiterem, darüberhinausgehend gespeichertem, verbotenem Material bleibt für eine tatmehrheitliche Verurteilung wegen Besitzes kinder- bzw. jugendpornographischer Schriften kein Raum mehr (vgl. dazu etwa BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2024 - 4 StR 132/24, juris Rn. 5, und vom 29. November 2023 - 3 StR 301/23, juris Rn. 6).“
Dem schließt sich der Senat an. Dies führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II.1 bis II.3 der Urteilsgründe (§ 354 Abs. 1 StPO analog) und zur Aufhebung der Verurteilung im Fall II.5 der Urteilsgründe. Die Vorschrift des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe wird vom Entfall der im Fall II.5 der Urteilsgründe verhängten Freiheitsstrafe von sechs Monaten nicht berührt. Der Senat schließt mit Blick auf die verbleibenden Einzelstrafen von zwei Jahren und acht Monaten, einem Jahr und acht Monaten und zweimal acht Monaten Freiheitsstrafe aus, dass das Landgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Würdigung auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1018
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede