HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1016
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 38/25, Beschluss v. 05.03.2025, HRRS 2025 Nr. 1016
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 23. August 2024
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bandenmäßigen öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornographischer Inhalte in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Inhalte, des Drittbesitzverschaffens kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen, jeweils in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften, sowie des Zugänglichmachens kinderpornographischer Inhalte, jeweils in Tateinheit mit Zugänglichmachen pornographischer Inhalte und mit Besitz kinderpornographischer Inhalte, schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben in den Fällen II.1b und II.2c der Urteilsgründe.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornographischer Inhalte in zehn Fällen, wegen Drittbesitzverschaffung kinderpornographischer Schriften in sieben Fällen, wegen Zu 1 gänglichmachens kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Zugänglichmachen pornographischer Inhalte „an eine Person unter 18 Jahren“, wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften und wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, eine Kompensationsentscheidung getroffen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils führt zum Entfallen der tatmehrheitlichen Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften bzw. wegen Besitzes kinderpornographischer Inhalte in den Fällen II.1b und II.2c der Urteilsgründe. Im Übrigen hat die Überprüfung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Nach den Feststellungen bewahrte der Angeklagte im Juli 2018 in seiner Wohnung mehrere Datenträger mit etwa zehntausend Dateien kinderpornographischen Inhalts auf (Fall II.1b der Urteilsgründe); darunter waren auch solche, die er bereits im Jahre 2017 mittels eines Messenger-Dienstes in sieben Fällen an Dritte versandt hatte (Fälle II.1a der Urteilsgründe). In der Zeit von Februar bis Mitte März 2021 stellte der Angeklagte in zehn Fällen als registriertes Mitglied verschiedener zugangsbeschränkter Internetforen im „Darknet“ Dateien mit kinderpornographischen Inhalten ein (Fälle II.2a der Urteilsgründe). Ebenfalls im März 2021 zeigte er im Rahmen von Videochats seinen überwiegend kindlichen Chatpartnern Dateien kinderpornographischen Inhalts (Fälle II.2b der Urteilsgründe). Sämtliche Dateien befanden sich bei einer im Juli 2021 durchgeführten Wohnungsdurchsuchung noch in seinem Besitz (Fall II.2c der Urteilsgründe). Das Landgericht hat den Besitz der Datenträger im Zeitpunkt der Durchsuchungen als zu den jeweils vorherigen Taten in Tatmehrheit stehende selbständige Taten gewertet.
b) Die Verurteilung wegen tatmehrheitlichen Besitzes kinderpornografischen Schriften bzw. Inhalte in den Fällen II.1b bzw. II.2c der Urteilsgründe hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Denn nach den Feststellungen verfügte der Angeklagte im Zeitpunkt der Durchsuchungen am 4. Juli 2018 und am 1. Juli 2021 noch über die Dateien, die er in den Fällen II.1a bzw. II.2a und 2b zuvor Dritten verschafft bzw. öffentlich zugänglich gemacht hatte.
Der Generalbundesanwalt hat zu Fall II.1b der Urteilsgründe - und entsprechend zu Fall II.2c der Urteilsgründe - in seiner Antragsschrift das Folgende ausgeführt:
„Zwar verdrängt die Tathandlung des „Drittbesitzverschaffens“ kinderpornographischer Schriften im Sinne von § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB grundsätzlich diejenige des „Besitzes“ solcher Dateien im Sinne von § 184b Abs. 3 StGB als subsidiären Auffangtatbestand (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2022 - 1 StR 424/21, Rn. 6). Dies betrifft jedoch lediglich den Moment des Verschaffens, nicht auch die Zeit danach. Geht der Besitz - wie hier - in zeitlicher Hinsicht über den für das Drittbesitzverschaffen erforderlichen Besitz hinaus, tritt das Dauerdelikt des verbotenen Besitzes kinderpornografischer Schriften tateinheitlich neben das Verbreitungsdelikt (vgl. BGH, a.a.O).
Da sich im vorliegenden Fall auf den sichergestellten Datenträgern des Angeklagten noch weitere inkriminierte Dateien (Fall B.II.1b) der Urteilsgründe, UA S. 11 f.) befanden und sich diese mit den Dritten verschafften und weiterhin besessenen Schriften zu einer Tat verbinden, wobei unbeachtlich ist, dass sich das inkriminierte Material auf verschiedenen Datenträgern befand (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 3 StR 264/19, Rn. 23), ist für eine tatmehrheitliche Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften - Tat B.II.1b) der Urteilsgründe - zudem kein Raum (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2024 - 1 StR 239/24, Rn. 3). Sie ist aufzuheben.“
Dem schließt sich der Senat an und ändert in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen; der Senat schließt aus, dass sich der geständige Angeklagte wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
2. Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung der in den Fällen II.1b und II.2c der Urteilsgründe verhängten Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr nach sich; diese entfallen. Die Gesamtstrafe bleibt hiervon unberührt; mit Blick auf die in den verbliebenen Fällen verhängten Strafen (mehrere Einzelstrafen von drei und zwei Jahren sowie vier Einzelstrafen von mindestens einem Jahr) schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung auf eine niedrigere Gesamtstrafe erkannt hätte.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO; der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten insgesamt mit dessen Kosten zu belasten.
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1016
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede