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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1059

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 684/24, Beschluss v. 14.05.2025, HRRS 2025 Nr. 1059


BGH 6 StR 684/24 - Beschluss vom 14. Mai 2025 (LG Neuruppin)

Entscheidung bei Gesetzesänderung, Schuldspruchänderung; Meistbegünstigungsprinzip (milderes Gesetz); Betäubungsmittelgesetz; Konsumcannabisgesetz.

§ 2 Abs. 3 StGB; § 354a StPO; § 354 StPO

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 30. August 2023

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass er des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen und des Handeltreibens mit Cannabis in 21 Fällen schuldig ist;

b) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den Fällen II.1 bis II.3, II.5 bis II.17, II.20, II.22, II.23, II.26 und II.28 der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 26 Fällen und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt, von der es drei Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für bereits vollstreckt erklärt hat, und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Während die Verfahrensbeanstandungen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts erfolglos bleiben, hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der im Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils rechtsfehlerfreie Schuldspruch bedarf im Hinblick auf die Fälle II.1 bis II.3, II.5 bis II.17, II.20, II.22, II.23, II.26 und II.28 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte mit Cannabis Handel trieb, der Änderung, weil am 1. April 2024 das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG; BGBl. I Nr. 109) in Kraft getreten ist. Das KCanG regelt den Umgang mit Konsumcannabis abschließend und ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der Revisionsentscheidung zu berücksichtigen, weil es sich hier jeweils als das mildere Gesetz erweist.

Dies gilt auch für die Fälle II.1 bis II.3, II.5, II.6, II.11 und II.28 der Urteilsgründe. Zwar hat das Landgericht hier jeweils einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen, dessen Strafrahmen (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) demjenigen der Strafzumessungsregel des § 34 Abs. 3 KCanG entspricht. Der Senat schließt aber in Ansehung der Strafzumessungserwägungen des Landgerichts aus, dass es in diesen Fällen einen besonders schweren Fall des Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 KCanG angenommen hätte.

Danach hat sich der Angeklagte in den Fällen II.1 bis II.3, II.5 bis II.17, II.20, II.22, II.23, II.26 und II.28 der Urteilsgründe jeweils des Handeltreibens mit Cannabis schuldig gemacht (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG). Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte insoweit nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

2. Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung der in den Fällen II.1 bis II.3, II.5 bis II.17, II.20, II.22, II.23, II.26 und II.28 der Urteilsgründe verhängten Strafen, weil der Senat mit Blick auf die niedrigeren Strafrahmen des KCanG und die konkreten Strafzumessungserwägungen des Landgerichts nicht ausschließen kann, dass es in diesen Fällen niedrigere Strafen verhängt hätte. Die Aufhebung der 21 Einzelstrafen entzieht zugleich der Gesamtstrafe die Grundlage.

3. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das neue Tatgericht die nach Urteilsverkündung im ersten Rechtsgang eingetretene Verfahrensverzögerung im Rahmen einer (weiteren) Kompensationsentscheidung in den Blick zu nehmen haben wird.

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 1059

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede