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HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 361

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 258/24, Beschluss v. 05.11.2024, HRRS 2025 Nr. 361


BGH 6 StR 258/24 - Beschluss vom 5. November 2024 (LG Regensburg)

Besondere gesetzliche Milderungsgründe, Versuch (fakultative Strafmilderung; Gesamtschau, sorgfältige Abwägung); durch Unterlassen begangene Beihilfe zum Mord (Beweiswürdigung; fehlende Feststellungen zur subjektiven Tatseite; Beihilfe: irgendwie geartete, die Haupttat objektiv fördernde Unterstützungshandlung oder ein hierauf gerichtetes Unterlassen; Unterlassen: Garantenstellung, Ingerenz, Gefahrerhöhung).

§ 211 StGB; § 22 StGB; § 23 StGB; § 49 StGB; § 27 Abs. 1 StGB; § 13 Abs. 1 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Für die Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen bedarf es einer Garantenstellung. Diese kann sich unter anderem aus einem Vorverhalten ergeben, wenn der Hilfeleistende dadurch die Gefahr eines Schadens geschaffen oder mitgeschaffen hat (Ingerenz). Allerdings führt ein sozial übliches und von der Allgemeinheit gebilligtes Vorverhalten regelmäßig nicht zu einer Garantenstellung aus Ingerenz; vielmehr muss das Vorverhalten objektiv pflichtwidrig sein (st. Rspr.). Eine etwa erforderliche Abgrenzung des neutralen vom pflichtwidrigen Vorverhalten kann nur anhand der Feststellungen zur subjektiven Tatseite erfolgen (vgl. BGH NJW 2024, 3246, 3248; wistra 2014, 176, 178).

Entscheidungstenor

1. Die Revision des Angeklagten M. gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 19. Dezember 2023 wird auf seine Kosten verworfen.

2. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung sowie wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit Verstrickungsbruch zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Den Angeklagten S. hat es wegen „durch Unterlassen begangener Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit durch Unterlassen begangener Beihilfe zum versuchten Raub mit Todesfolge und mit durch Unterlassen begangener Beihilfe zur Freiheitsberaubung“ zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten M. hat keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO). Die Revision des Angeklagten S. führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils, soweit es ihn betrifft (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

1. Die Angeklagten M. und S. waren seit vielen Jahren miteinander befreundet. Im März 2023 entschloss sich der beruflich und finanziell gut situierte und intellektuell überlegene Angeklagte S., dem M., der ihm aus einer zu seinem Nachteil begangenen Straftat Geld schuldete, einen Einstieg in sein berufliches Tätigkeitsfeld als Außendienstmitarbeiter bei einem Telekommunikationsunternehmen zu ermöglichen.

a) Bei ihrem ersten gemeinsamen Kundentermin am 10. März 2023 suchten die Angeklagten den 97-jährigen, allein und zurückgezogen lebenden Geschädigten in seinem Wohnhaus auf und rieten ihm zur Umstellung seines Telefonanschlusses, womit der Geschädigte einverstanden war. Im Rahmen der anschließenden Vertragsumstellung legte der Geschädigte einen Kontoauszug vor. Aus einer daraus ersichtlichen Barabhebung einer Summe von 150.000 Euro schlossen die Angeklagten, dass der Geschädigte über erhebliche Vermögenswerte verfügte. Der Angeklagte M., der sich in Geldnot befand, überlegte in der Folgezeit, wie „er und S.“ an die Vermögenswerte des Geschädigten gelangen könnten. Zunächst schlug er vor, sich gegenüber dem Geschädigten hilfsbereit zu zeigen und ihn zu unterstützen, um sein Vertrauen zu gewinnen und ihn dazu zu veranlassen, sie zu seinen Erben einzusetzen. Zwei Tage später regte er an, S. solle den Geschädigten zu einem Kaffee einladen, damit er während ihrer Abwesenheit das Haus nach Wertgegenständen durchsuchen könne. Am 23. März 2023 installierten beide einen Router und sagten dem Geschädigten zu, das dabei verwendete Verlängerungskabel zeitnah auszutauschen. Während der Arbeiten entdeckte M. im Keller des Hauses zwei Tresore. Am Nachmittag des 27. März 2023 waren die Angeklagten gemeinsam mit dem Pkw des M. unterwegs. Um 16.33 Uhr rief der Angeklagte S. den Geschädigten an und kündigte an, dass sein „Kollege“ kommen und das gewünschte Kabel austauschen werde. Wenig später kontaktierte M. seinerseits den Geschädigten und kündigte sein Kommen für 19.30 Uhr an. Gegen 18.20 Uhr hielt M. sein Fahrzeug an einem Baumarkt an und kaufte ein Stromkabel mit Dreifachsteckdose, ein Gipserbeil sowie ein Nageleisen; dies nahm der im Auto verbliebene Angeklagte S. wahr. Als M. den Angeklagten S. im Anschluss hieran nach Hause fuhr, kündigte er an, dass er den Geschädigten „heute noch ausrauben“ werde. Gegen 19.13 Uhr meldete sich der Angeklagte M. telefonisch bei dem Geschädigten und teilte ihm mit, dass er sich verspäten werde. Gegen 19.30 Uhr schrieb der Angeklagte M. dem Angeklagten S., dass es ihm noch zu hell sei und er mit dem Überfall warten werde, bis es dunkel sei.

Gegen 20 Uhr traf M. bei dem Geschädigten ein und tauschte das Stromkabel aus. Anschließend gab er vor, sich noch einmal in den Keller begeben zu müssen, und forderte den Geschädigten auf, er solle vorausgehen. Auf der Kellertreppe schlug M. mit dem Nageleisen in Tötungsabsicht von hinten mehrfach wuchtig auf den Geschädigten, der nicht mit einem erheblichen Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit oder auf sein Leben rechnete, ein. Er traf ihn mindestens viermal am Kopf und einmal an der rechten Schulter. Der Geschädigte erlitt stark blutende Kopfschwartenverletzungen und mehrere Schädelfrakturen, sank zu Boden und verlor das Bewusstsein. M. verließ den Keller und verschloss die Tür von außen, um dem Geschädigten eine potentielle Flucht und Rettung unmöglich zu machen. Dabei nahm er an, dass der Geschädigte zeitnah verbluten werde und er anschließend den Inhalt des Tresors an sich bringen könne. Gegen 20.03 Uhr rief M. den Angeklagten S. an und teilte ihm mit, dass er dem Geschädigten dreimal mit der „Axt“ von hinten auf den Kopf geschlagen habe, die Tatwaffe nunmehr in der Donau versenke und nach Eintritt des Todes des Geschädigten, der „hoffentlich verblute“, in das Haus zurückkehren und den Tresor ausräumen werde. Dem Geschädigten, der zwischen 20.15 Uhr und 21 Uhr wieder zu Bewusstsein kam, gelang es, die Kellertür von innen aufzubrechen und Nachbarn zu verständigen, mit deren Hilfe er in ein Krankenhaus verbracht wurde. Gegen 21 Uhr informierte M. den S. telefonisch darüber, dass im Haus des Geschädigten Licht brenne, er den Safe daher nicht mehr aufbrechen, sondern heimfahren und in den nächsten Tagen noch einmal zurückkommen werde.

b) Am frühen Morgen des 29. März 2023 entwendeten M. und der nicht revidierende Mitangeklagte Mu. einen der beiden Tresore aus dem polizeilich versiegelten Haus des Geschädigten. Anders als von M. erhofft, befanden sich im Tresor keine Bargeldbestände, sondern Waffen.

2. Das Landgericht hat die Feststellungen zum äußeren Geschehen am Tattag und zur Kommunikation der beiden Angeklagten wesentlich auf die als glaubhaft erachteten Angaben des S. gestützt. Dieser habe unmittelbar nach der Tat mit seiner Freundin zahlreiche Text- und Sprachnachrichten ausgetauscht, in denen er einerseits daran gezweifelt habe, dass M. die Tat wirklich begangen habe, sich andererseits aber auch gesorgt habe, weil er für diesen Fall „Mitwisser“ sei, und am Abend des 29. März 2023 bei einer Polizeidienststelle den Sachverhalt angezeigt habe. Die Einlassung des Angeklagten werde auch im Übrigen in vielerlei Hinsicht durch das Ergebnis der Beweisaufnahme gestützt und in objektiver Hinsicht in keinem Punkt widerlegt. Insbesondere habe seine Behauptung, es habe keinen gemeinsamen Tatplan gegeben, die Initiative und die Überlegungen zum Überfall seien ausschließlich vom Angeklagten M. ausgegangen, eine Stütze in den zwischen den beiden Angeklagten ausgetauschten Chats, Sprachnachrichten und Telefongesprächen gefunden. Für nicht glaubhaft hielt die Strafkammer allein seine Behauptung, er habe die Äußerungen M. s zur Planung und Ausführung der Tat nicht ernst genommen.

3. Die Taten des Angeklagten M. hat das Landgericht als versuchten Mord (§§ 211, 22 StGB) in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge (§§ 251, 22 StGB), gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2, 5 StGB) und Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) sowie als Wohnungseinbruchdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 StGB) in Tateinheit mit Verstrickungsbruch (§ 136 Abs. 1 StGB) gewertet. Das Verhalten des Angeklagten S. hat das Landgericht als jeweils durch Unterlassen begangene Beihilfe (§ 27 StGB) zum versuchten Mord (§§ 211, 22 StGB), zum versuchten Raub mit Todesfolge (§§ 251, 22 StGB) und zur Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) gewertet. S. habe die von M. begangene Tat zunächst aktiv gefördert, indem er diesen in die Vertriebstätigkeit einbezogen und am Tattag um 16.33 Uhr telefonisch mit dem Geschädigten vereinbart habe, dass M. bei ihm erscheinen und das Kabel austauschen werde. Dadurch habe er ihm eine günstige Tatgelegenheit verschafft. Er habe zu diesem Zeitpunkt bereits gewusst, dass M. an das Geld des Geschädigten gelangen wolle und plane, diesen zu „bestehlen“. Im weiteren Verlauf habe der Angeklagte S. durch das „Offenhalten der von ihm verschafften Tatgelegenheit“ und damit in erster Linie durch Untätigkeit die Wirkung seines ursprünglich aktiven Unterstützungsbeitrags in Form des „Terminarrangements“ intensiviert, indem er M. die Sicherheit vermittelt habe, ungeachtet seiner kriminellen Absichten nach wie vor den Servicetermin beim Geschädigten wahrnehmen zu dürfen. Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit habe auf dem unterbliebenen Bemühen gelegen, den Erfolg der Tat des M. zu verhindern.

II.

1. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten M. bleibt ohne Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO).

a) Die Verfahrensrüge ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bereits unzulässig.

b) Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.

aa) Zwar hat das Schwurgericht die Frage des Rücktritts vom Versuch nicht erörtert. Die Feststellungen tragen jedoch die Annahme, dass der Versuch aus der maßgeblichen Sicht des Angeklagten („Rücktrittshorizont“) beendet war und er durch bloßes Abstandnehmen von weiteren Ausführungshandlungen nicht mehr strafbefreiend im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 StGB vom Versuch zurücktreten konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. August 2023 - 4 StR 215/23, NStZ-RR 2024, 40, 41; vom 13. März 2024 - 2 StR 77/24, NStZ-RR 2024, 170; Urteil vom 4. Juni 2024 - 5 StR 37/24, Rn. 10).

bb) Die Versagung der fakultativen Strafmilderung wegen Versuchs nach § 23 Abs. 2 StGB, § 49 StGB mit der Folge, dass gemäß § 211 Abs. 1 StGB lebenslange Freiheitsstrafe zu verhängen war, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

(1) Ob eine Strafrahmenverschiebung wegen Versuchs gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB in Betracht kommt, ist vom Tatgericht auf der Grundlage einer Gesamtschau zu entscheiden, die neben der Persönlichkeit des Täters die Tatumstände im weitesten Sinne und dabei insbesondere die versuchsbezogenen Gesichtspunkte, wie die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die eingesetzte kriminelle Energie, umfasst. Eine sorgfältige Abwägung dieser Umstände, auch soweit sie für den Täter sprechen, ist namentlich dann geboten, wenn von der Entschließung über die versuchsbedingte Milderung die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe abhängt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 1. Februar 2024 - 4 StR 287/23, Rn. 20; vom 25. Januar 2023 ? 1 StR 284/22, Rn. 16; Beschluss vom 22. Oktober 2019 ? 5 StR 449/19, Rn. 8, NStZ 2020, 599, 600).

(2) Diesen Maßstäben ist das Landgericht gerecht geworden. Es hat im Rahmen der Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände insbesondere darauf abgestellt, dass das Vorgehen des Angeklagten, das bei dem Geschädigten zu erheblichen Kopfverletzungen führte, aufgrund des hohen Alters des Geschädigten und der Anzahl und Wucht der Schläge eine große Vollendungsnähe aufwies. Erschwerend hat die Strafkammer ferner die tateinheitliche Verwirklichung weiterer Delikte sowie den Umstand gewertet, dass der Angeklagte die Tat während laufender Bewährungszeit beging. Die zugunsten des Angeklagten in die Abwägung eingestellten Gesichtspunkte, insbesondere seine geständigen Angaben, hat das Landgericht nicht als ausreichend erachtet. Dies ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

2. Die Revision des Angeklagten S. hat mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

a) Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

aa) Das Landgericht hat seine Überzeugung, dass der Angeklagte die Haupttat des M. maßgeblich gefördert habe, indem er ihm ? zunächst durch aktives Tun ? dadurch eine Tatgelegenheit eröffnet hat, dass er den Geschädigten um 16.33 Uhr anrief und das Erscheinen seines Kollegen zum Austausch des Kabels ankündigte, auch eingedenk des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 18. Mai 2022 - 6 StR 441/21, NStZ-RR 2022, 252; Beschluss vom 12. August 2021 - 3 StR 441/20, NJW 2021, 2896, 2897), beweiswürdigend nicht tragfähig belegt.

Zwar hatte S. in seiner ersten Vernehmung bei der Polizei angegeben, er sei es gewesen, der den Geschädigten am Tattag kontaktiert und mitgeteilt habe, M. werde kommen. In der Hauptverhandlung hat er sich jedoch abweichend dahin eingelassen, nicht er, sondern M. habe den Geschädigten angerufen und sein Kommen angekündigt. Eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit diesem für den festgestellten Tatbeitrag des S. maßgeblichen Umstand lässt das Urteil ? worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat ? indes vermissen. Hierzu hätte Anlass bestanden, weil die Auswertung der Verkehrsdaten ergab, dass der am 27. März 2023, um 16.33 Uhr beim Geschädigten eingegangene Anruf von dem Telefonanschluss des M. erfolgte. Bei dieser Sachlage hätte die Annahme, dass S. das Telefonat gleichwohl unmittelbar mit dem Geschädigten geführt hat, jedenfalls eingehender Erörterung bedurft, an der es hier fehlt.

bb) Überdies fehlt es an Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Das Landgericht hat weder bei der Beschreibung des Tatgeschehens ausdrücklich Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Angeklagten S. im Zeitpunkt der rechtlich als Beihilfe gewürdigten Förderungshandlung getroffen, noch lassen sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe tragfähige Ausführungen zur subjektiven Tatseite entnehmen. Auch die Ausführungen in der rechtlichen Würdigung, S. habe zum Zeitpunkt der Terminvereinbarung gewusst, dass M. „unbedingt an das Geld des A. gelangen wollte“, stellen keine ausreichenden Feststellungen zur inneren Tatseite dar.

cc) Auf diesen Rechtsfehlern beruht das Urteil (§ 337 Abs. 1 StPO). Sie führen zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen gemäß § 353 StPO. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine Verurteilung des Angeklagten S. wegen der angeklagten Tat rechtfertigen.

3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Die Annahme einer Beihilfe erfordert eine irgendwie geartete, die Haupttat objektiv fördernde Unterstützungshandlung oder ein hierauf gerichtetes Unterlassen; das bloße Geschehenlassen oder Dulden einer fremden Tat ohne eigene fördernde Handlung genügt hingegen nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 2020 - 6 StR 227/20, StV 2021, 423; vom 28. März 2019 - 1 StR 598/18, Rn. 9; vom 7. November 2018 - 2 StR 361/18, Rn. 14). Das Verschaffen einer Tatgelegenheit kann - sofern die subjektiven Voraussetzungen zweifelsfrei vorliegen sollten - eine strafbare Beihilfe sein.

b) Sollte das Tatgericht in der neuen Hauptverhandlung eine solche fördernde Handlung feststellen und dabei den Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit wiederum nicht in einem aktiven Tun, sondern in dem Unterlassen der Hilfeleistung für den Geschädigten sehen, bedarf es für die Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen einer Garantenstellung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. Oktober 2020 - 6 StR 227/20, Rn. 5; vom 19. Dezember 2018 - 1 StR 597/18, NStZ-RR 2019, 74). Diese kann sich unter anderem aus einem Vorverhalten ergeben, wenn der Hilfeleistende dadurch die Gefahr eines Schadens geschaffen oder mitgeschaffen hat (Ingerenz). Allerdings führt ein sozial übliches und von der Allgemeinheit gebilligtes Vorverhalten regelmäßig nicht zu einer Garantenstellung aus Ingerenz; vielmehr muss das Vorverhalten objektiv pflichtwidrig sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 2. August 2023 - 5 StR 80/23, NStZ 2024, 222, 223; vom 19. Juli 1973 - 4 StR 284/73, BGHSt 25, 218, 220 f.). Eine etwa erforderliche Abgrenzung des neutralen vom pflichtwidrigen Vorverhalten kann nur anhand der Feststellungen zur subjektiven Tatseite erfolgen (vgl. BGH, Urteile vom 20. August 2024 - 5 StR 326/23, NJW 2024, 3246, 3248; vom 22. Januar 2014 - 5 StR 468/12, wistra 2014, 176, 178; Beschluss vom 26. Januar 2017 - 1 StR 636/16, NStZ 2017, 461 f. mwN).

c) Sollte das neue Tatgericht zur Annahme einer Garantenstellung aufgrund von Ingerenz gelangen, wäre in den Blick zu nehmen, ob das Vorverhalten zu einer Gefahrerhöhung im Sinne einer naheliegenden Gefahr des Erfolgseintritts geführt hat. Dies ist bei der Beteiligung an Gewaltdelikten im Hinblick auf weitere Gewalteinwirkungen bis hin zur Tötung durch andere Beteiligte regelmäßig der Fall, bei anders gearteten Folgetaten - wie etwa einer versuchten räuberischen Erpressung nach einem Betrug - jedoch nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. Mai 2018 - 3 StR 130/18, Rn. 16; vom 29. November 2012 - 3 StR 293/12, NStZ-RR 2013, 137, 138; vom 15. April 1997 - 4 StR 116/97, NStZ-RR 1997, 292 f.; Urteil vom 12. Juli 2017 - 5 StR 134/17, NStZ 2018, 209, 210).

HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 361

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede