HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 381
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 589/23, Beschluss v. 06.11.2024, HRRS 2025 Nr. 381
1. Die Revision des Angeklagten H. gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 13. September 2023 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten M. und Y. wird das vorbezeichnete Urteil ? unter Erstreckung auf den Mitangeklagten H. ?
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert, dass die Angeklagten im Fall II.3 der Urteilsgründe der Beihilfe zum schweren Wohnungseinbruchdiebstahl schuldig sind,
b) unter Aufrechterhaltung der zugehörigen Feststellungen aufgehoben
aa) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen im Fall II.3 der Urteilsgründe,
bb) in den Gesamtstrafaussprüchen sowie
cc) in den jeweiligen Einziehungsaussprüchen.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten M. und Y., an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
4. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten M. und Y. werden verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls und Diebstahls in zwei Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten Y. hat es wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls unter Einbeziehung von Strafen aus zwei Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt und ein durch einbezogenen Strafbefehl angeordnetes Fahrverbot aufrechterhalten. Ferner hat es den Angeklagten H. wegen schweren Wohnungseinbruchdiebstahls und wegen versuchten Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Gegen sämtliche Angeklagte hat das Landgericht überdies Einziehungsentscheidungen getroffen. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen.
Die Revision des Angeklagten H. ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO). Die rechtzeitig durch seine Verteidigerin eingelegte Revision ist nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO entsprechenden Weise begründet.
1. Aus der Revisionsbegründung muss hervorgehen, ob das Urteil wegen der Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen einer Verletzung des materiellen Rechts angefochten wird. Nicht unbedingt erforderlich ist, dass die Rüge als Sachrüge bezeichnet wird. Es genügt, wenn sich das Begehren auf Nachprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht aus dem Zusammenhang des Vorbringens ergibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. August 1991 - 3 StR 296/91, NStZ 1991, 597; vom 17. Januar 1992 - 3 StR 475/91, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 1 Revisionsbegründung 2; vom 8. Mai 1996 - 3 StR 132/96). Das bloße Ersuchen, das angegriffene Urteil „auf rechtliche Fehler hin“ zu überprüfen, stellt demgegenüber keine auslegungsfähige Revisionsbegründung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 21. April 2022 - 3 StR 49/22, NStZ-RR 2022, 208, 209).
2. Ein nach den vorgenannten Maßstäben konkretisiertes Begehren kann dem Verteidigerschriftsatz auch bei wohlwollender Auslegung nicht entnommen werden. Die Rechtsmittelschrift enthält lediglich die Erklärung, dass „um Überprüfung des Urteils […] auf rechtliche Fehler hin im Rahmen der Revision ersucht“ wird. Dem ist nicht zweifelsfrei eine eindeutige Prozesserklärung dahin zu entnehmen, dass die Sachrüge erhoben werden soll. Auch einen Antrag enthält der Verteidigerschriftsatz nicht.
Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten M. und Y. haben - unter Erstreckung auf den Mitangeklagten H. (§ 357 Satz 1 StPO) - in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und führen zur Änderung des Schuldspruchs im Fall II.3 der Urteilsgründe (nachstehend 1.), zur Aufhebung der hierfür festgesetzten Einzelstrafen, der Gesamtfreiheitsstrafen (nachstehend 2.) und der Einziehungsentscheidungen (nachstehend 3.). Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch im Fall II.3 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht hat insoweit folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
aa) Die Angeklagten M., Y. und H. spähten am Abend des 23. Oktober 2020 das Wohnhaus des Zeugen G. aus, in das später eingebrochen werden sollte. In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November 2020 brachen unbekannte Täter in das Haus ein, entwendeten Gegenstände im Wert von 158 Euro und verursachten einen erheblichen Sachschaden. Ob die Angeklagten M., Y. und H. daran beteiligt waren, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen.
bb) Das Landgericht hat die Tat als gemeinschaftlich begangenen schweren Wohnungseinbruchdiebstahl gewertet (§ 244 Abs. 4, § 25 Abs. 2 StGB). Dabei hat es abgestellt auf ihr Tatinteresse und die von den Angeklagten in der „Vortatphase durch das Auskundschaften des Hauses und das Einklemmen des Nagels“ erbrachten „wesentlichen Tatbeiträge“.
b) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen eines mittäterschaftlich begangenen Wohnungseinbruchdiebstahls nicht.
aa) Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat das Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 29. Juni 2023 - 3 StR 343/22, NStZ-RR 2023, 315, 316; vom 29. Juli 2021 - 1 StR 83/21, NStZ 2022, 95, 96).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Annahme (mit-)täterschaftlichen Handelns durchgreifenden Bedenken. Dies gilt selbst dann, wenn dem Tatgericht ein revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zustünde (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1984 - 1 StR 169/84, NStZ 1984, 413; Beschluss vom 7. November 2018 - 4 StR 292/18, NStZ-RR 2019, 72; offengelassen von BGH, Urteile vom 29. Juni 2023 - 3 StR 343/22, NStZ-RR 2023, 315, 316; vom 23. März 2023 - 3 StR 363/22, NStZ-RR 2023, 169; Beschluss vom 12. August 2021 - 3 StR 441/20, BGHSt 66, 226, 243). Ein solcher wäre hier jedenfalls überschritten. Die Urteilsgründe belegen weder eine Tatherrschaft der Angeklagten noch ihren Willen hierzu. Die gebotene Gesamtbetrachtung auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen lässt allein die Wertung zu, dass die Angeklagten als Gehilfen handelten. Sie selbst haben an der Wegnahme nicht unmittelbar mitgewirkt. Ihre Tatbeiträge beschränkten sich lediglich auf das Auskundschaften und damit auf unterstützende Tätigkeiten, die in erheblichem zeitlichen Abstand zur Tat erbracht worden waren (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2012 - 4 StR 665/11, StV 2012, 669; Beschluss vom 9. Februar 2016 - 3 StR 538/15, StV 2019, 104). Schließlich belegen die Urteilsgründe kein wesentliches eigenes Tatinteresse der Angeklagten; denn das Landgericht vermochte nicht festzustellen, dass sie an der Tatbeute beteiligt werden sollten.
cc) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme von Mittäterschaft tragen könnten. Er ändert deshalb die Schuldsprüche entsprechend § 354 Abs. 1 StPO und erstreckt diese Entscheidung gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten H. Dem steht § 265 Abs. 1 StPO nicht entgegen, weil sich die Angeklagten gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
2. Die Schuldspruchänderung im Fall II.3 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der betreffenden Einzelstrafen für die Angeklagten M., Y. und H. Dies entzieht den jeweiligen Gesamtstrafen die Grundlage. Die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten, weil sie von dem zugrundeliegenden Wertungsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen sind möglich. Damit entfällt hinsichtlich des Angeklagten Y. auch die Entscheidung über die Aufrechterhaltung des mit Strafbefehl vom 28. Juli 2022 verhängten Fahrverbots (§ 44 StGB), die auch für sich genommen einer rechtlichen Überprüfung nicht stand gehalten hätte. Die Urteilsgründe belegen, dass die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 StGB insoweit nicht vorlagen. Denn das Fahrverbot war spätestens einen Monat nach Eintritt der Rechtskraft des Strafbefehls - hier am 16. August 2022 - wirksam geworden (§ 44 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 StGB) und damit vor Urteilsverkündung im Sinne des § 55 Abs. 2 Halbsatz 2 StGB bereits abgelaufen.
3. Die Einziehungsentscheidungen betreffend die Angeklagten M. und Y. halten einer revisionsgerichtlichen Nachprüfung insgesamt nicht stand. Die Urteilsausführungen zur Begründung der angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB leiden unter durchgreifenden Darstellungsmängeln.
a) Das angefochtene Urteil enthält bereits keine Feststellungen dazu, dass die beiden Angeklagten aus der Tat II.3 der Urteilsgründe etwas erlangt haben.
aa) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB setzt voraus, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat. Einem von mehreren Tatbeteiligten kann die Gesamtheit des aus der Tat Erlangten - mit der Folge einer gesamtschuldnerischen Haftung - nur dann zugerechnet werden, wenn sich die Beteiligten einig sind, dass jedem die Mitverfügungsgewalt hierüber zukommen soll, und er diese auch tatsächlich hatte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2024 - 6 StR 6/24, NStZ-RR 2024, 139; vom 17. Mai 2022 - 6 StR 156/22, Rn. 3). Mittäterschaft für sich betrachtet belegt keine tatsächliche Verfügungsgewalt im Sinne von § 73 StGB (vgl. Fischer/Lutz, StGB, 72. Aufl., § 73 Rn. 29 f. mwN).
bb) Nach den Feststellungen waren die Angeklagten an der Wegnahmehandlung nicht beteiligt. Dass sie zu einem späteren Zeitpunkt eigene Verfügungsgewalt über das Stehlgut erhielten, ist nicht festgestellt. Solches lässt sich auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnehmen.
b) Ferner hat das Landgericht den Wert der im Fall II.1 der Urteilsgründe durch den Angeklagten M. erlangten Taterträge fehlerhaft berechnet. Es hat selbst darauf hingewiesen, dass Schmuckstücke in nicht unerheblichen Umfang an den Eigentümer zurückgelangt sind. Ein Abzug in Höhe des entsprechenden Wertes ist indes unterblieben.
c) Hinsichtlich des Angeklagten Y. hat die Einziehungsentscheidung auch deshalb keinen Bestand, weil die Voraussetzungen einer einheitlichen Einziehungsentscheidung (§ 55 Abs. 2 StGB) nicht belegt sind. Zwar ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass eine einheitliche Einziehungsentscheidung zu treffen ist, sofern in einem gesamtstrafenfähigen Urteil - wie hier - der Wert von Taterträgen eingezogen wurde und auch im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen des § 73c Satz 1 StGB gegeben sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2022 - 6 StR 597/21, Rn. 8; vom 9. Februar 2021 - 6 StR 459/20, Rn. 2). Ferner hat es in den Blick genommen, dass die Einbeziehung bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen - trotz des auf die Aufrechterhaltung der früheren Entscheidungen gerichteten Wortlauts des § 55 Abs. 2 StGB - durch die Addition der Beträge aus der früheren und der aktuellen Einziehungsentscheidung geschieht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2021 - 3 StR 203/21, Rn. 6; vom 1. August 2019 ? 4 StR 477/18, Rn. 17 f.). Dies gilt jedoch nicht, wenn die frühere Einziehungsanordnung bereits vollstreckt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. März 2023 - 3 StR 497/22, Rn. 2; vom 9. März 2022 - 1 StR 498/21; vom 6. Februar 2024 - 6 StR 352/23, Rn. 6). Feststellungen zum Vollstreckungsstand des Strafbefehls des Amtsgerichts Hannover vom 14. April 2022 enthalten die Urteilsgründe aber nicht, sodass eine revisionsgerichtliche Nachprüfung dieser Entscheidung nicht möglich ist.
d) Der Senat hebt die für die Angeklagten M. und Y. getroffenen Einziehungsentscheidungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht eine jeweils in sich stimmige Entscheidung zu ermöglichen; die Aufhebung betreffend Fall II.3 der Urteilsgründe ist gemäß § 357 StPO auf den insoweit als Gesamtschuldner haftenden Mitangeklagten H. zu erstrecken. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StGB). Ergänzungen sind möglich, soweit diese den bisherigen Feststellungen nicht widersprechen. Vor diesem Hintergrund kann hier dahinstehen, ob - wie der Generalbundesanwalt meint - der Einziehungsbetrag im Fall II.1 der Urteilsgründe um den Wert des Tresors, den die Angeklagten nach dessen Abtransport aufbrachen und zerstört zurückließen, zu reduzieren ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 StR 26/19).
HRRS-Nummer: HRRS 2025 Nr. 381
Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede