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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1007

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 298/21, Beschluss v. 14.07.2021, HRRS 2021 Nr. 1007


BGH 6 StR 298/21 - Beschluss vom 14. Juli 2021 (LG Ansbach)

Raub (finale Verknüpfung von Nötigungsmittel und Wegnahme).

§ 249 Abs. 1 StGB

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 11. Februar 2021 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung verurteilt worden ist;

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

c) im Maßregelausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Raubes mit Körperverletzung, mit Sachbeschädigung und mit Beleidigung“ sowie wegen Beleidigung in drei weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Raubes hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen hielten sich der alkoholisierte Angeklagte und der Nebenkläger am Tattag auf einer öffentlichen Grünfläche auf. Der Angeklagte forderte den Nebenkläger zum Gehen auf, anderenfalls werde er ihn schlagen. Nachdem der Nebenkläger erwidert hatte, er habe das Recht, sich dort aufzuhalten, schlug der Angeklagte ihm mit der Faust gegen die Schläfe, forderte ihn nochmals zum Gehen auf und versetzte ihm einen Fußtritt. Als nun der Nebenkläger seine Sachen aufnahm und die Örtlichkeit verlassen wollte, erblickte der Angeklagte das am Boden liegende Mobiltelefon des Nebenklägers und nahm dieses an sich, um es zu behalten. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass der durch die vorangegangenen Tätlichkeiten eingeschüchterte Nebenkläger im Falle einer Gegenwehr gegen die Wegnahme des Telefons mit erneuten Tätlichkeiten rechnete, und er machte sich diese Fortwirkung seiner Gewalttätigkeiten als Drohung mit gegenwärtiger Leibesgefahr gegenüber dem Nebenkläger zunutze. Aus Angst vor weiteren Schlägen unterließ der Nebenkläger den Versuch, sein Mobiltelefon gewaltsam zurückzuerlangen.

b) Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB nicht.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. Deshalb fehlt es an einer solchen Verknüpfung, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zweck der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 1995 - 4 StR 27/95, BGHSt 41, 123, 124; Beschluss vom 18. Februar 2014 - 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156). Der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2012 - 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45).

bb) Hieran gemessen ist die von § 249 Abs. 1 StGB vorausgesetzte finale Verknüpfung zwischen dem qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme nicht festgestellt. Zum Zeitpunkt des Faustschlags und des Fußtritts, mit denen der Angeklagte seiner Forderung an den Nebenkläger, sich zu entfernen, Nachdruck verleihen wollte, hatte er noch nicht vor, dessen Mobiltelefon an sich zu bringen. Bezogen auf den Zeitpunkt nach Abschluss dieser Gewalthandlungen belegen die Feststellungen nicht, dass der Angeklagte - für den Fall geleisteten oder erwarteten Widerstands gegen die Wegnahme - ausdrücklich oder zumindest konkludent mit weiterer Gewalt drohte. Zwar hatte der Nebenkläger weiterhin Angst vor dem Angeklagten; das bloße Ausnutzen der vorangegangenen Nötigung reicht aber mangels einer aktualisierten Drohung erneuter Gewaltanwendung durch den Angeklagten für den Finalzusammenhang nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 - 2 StR 558/12, NStZ 2013, 648; Beschluss vom 25. Februar 2014 - 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269).

c) Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Raubes zieht die Aufhebung der hiermit in Tateinheit stehenden Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung nach sich. Darüber hinaus entzieht sie dem Gesamtstrafausspruch sowie der Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB, bei der die Strafkammer dem von ihr angenommenen Raub maßgebliches Gewicht als Anlasstat beigemessen hat, die Grundlage.

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

Sofern wiederum die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus in Betracht kommt, wird das neue Tatgericht das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Maßregel eingehender als bislang geschehen zu erörtern haben. Denn soweit das angefochtene Urteil auf eine „organische Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung“ des Angeklagten abgestellt hat, die dessen Polytoxikomanie „begleite“ (vgl. UA S. 43, 46), werden weder die konkrete Störung noch deren Schweregrad hinreichend deutlich (zu den Voraussetzungen einer Unterbringung nach § 63 StGB in Fällen einer Persönlichkeitsstörung vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. März 2021 - 4 StR 543/20, NStZ-RR 2021, 138; vom 23. Oktober 2007 - 4 StR 358/07, NStZ-RR 2008, 70). Zudem wird das neue Tatgericht bei der Gefährlichkeitsprognose zu beachten haben, dass zu erwartende Beleidigungen und Bedrohungen (vgl. UA S. 53) für die Anordnung der Maßregel nach § 63 StGB regelmäßig nicht genügen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2020 - 6 StR 139/20; vom 26. Juli 2006 - 2 StR 285/06).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1007

Externe Fundstellen: NStZ 2022, 42

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede