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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1057

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 217/21, Beschluss v. 13.07.2021, HRRS 2021 Nr. 1057


BGH 6 StR 217/21 - Beschluss vom 13. Juli 2021 (LG Rostock)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt; Verwerfung der Revision als unbegründet.

§ 64 StGB; § 349 Abs. 2 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt darf nicht ausschließlich zur Besserung der Sucht des Täters, also ohne gleichzeitige Auswirkungen auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit im Sinne einer Verminderung der von dem rauschmittelabhängigen Täter ausgehenden Gefährlichkeit, angeordnet werden. Erforderlich ist vielmehr, dass bei erfolgreichem Verlauf der Behandlung jedenfalls das Ausmaß der Gefährlichkeit des Täters nach Frequenz und krimineller Intensität der von ihm zu befürchtenden Straftaten deutlich herabgesetzt wird.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 20. November 2020 aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist; diese Anordnung entfällt.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat nicht erkennbar bedacht, dass diese Maßregel nicht ausschließlich zur Besserung der Sucht des Täters, also ohne gleichzeitige Auswirkungen auf die Interessen der öffentlichen Sicherheit im Sinne einer Verminderung der von dem rauschmittelabhängigen Täter ausgehenden Gefährlichkeit, angeordnet werden darf. Erforderlich ist vielmehr, dass bei erfolgreichem Verlauf der Behandlung jedenfalls das Ausmaß der Gefährlichkeit des Täters nach Frequenz und krimineller Intensität der von ihm zu befürchtenden Straftaten deutlich herabgesetzt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. September 1999 - 3 StR 393/99, BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 2; vom 6. August 2002 - 4 StR 230/02, NStZ 2003, 86).

Das ist hier den Urteilsgründen zufolge nicht der Fall. Wie das Landgericht im Rahmen der Ausführungen zur vorbehaltenen Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, würde selbst eine erfolgreiche Suchttherapie die Gefährlichkeit des Angeklagten „nicht beseitigen, sondern allenfalls verringern“, weil diese vorrangig auf seinen Hang zur Begehung erheblicher Straftaten zurückgeht (UA S. 76). Die erforderliche Verminderung der Gefährlichkeit des Angeklagten ist damit nicht dargetan.

2. Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Verhandlung Feststellungen getroffen werden können, die eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB rechtfertigen. Er lässt diese Anordnung deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entfallen.

3. Im Hinblick auf den geringen Erfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels und den dadurch der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1057

Externe Fundstellen: StV 2022, 299

Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß