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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 197

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 446/20, Beschluss v. 26.01.2021, HRRS 2021 Nr. 197


BGH 6 StR 446/20 - Beschluss vom 26. Januar 2021 (LG Cottbus)

Einziehung des Wertes von Taterträgen (mehrere Tatbeteiligte, Verfügungsgewalt, Gesamtschuldnerschaft, Kenntlichmachung im Urteilstenor); Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (Hang)

§ 64 StGB; § 73 StGB; § 73c StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 19. Juni 2020, soweit es diese Angeklagten betrifft,

a) im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen dahin ergänzt, dass die Angeklagten als Gesamtschuldner haften,

b) aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen schwerer räuberischer Erpressung, den Angeklagten R. wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis jeweils zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 35 Euro angeordnet und gegen den Angeklagten R. eine Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren festgesetzt. Die Revisionen der Angeklagten haben in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Bei seiner Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen hat das Landgericht nicht bedacht, dass Tatbeteiligte, die an denselben Gegenständen (Mit-)Verfügungsgewalt erlangt haben, als Gesamtschuldner haften und dies im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2018 - 2 StR 14/18 Rn. 11 f. mwN). Der Senat ergänzt das Urteil entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.

2. Das Landgericht hat nicht geprüft, ob gegen die Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anzuordnen ist, obwohl aufgrund der Feststellungen dazu Anlass bestand. Danach konsumieren die Angeklagten seit ihrer Kindheit unterschiedliche Betäubungsmittel, insbesondere Amphetamine und Crystal Meth. Auch ungefähr eine Stunde vor der Tat hatten beide Crystal Meth zu sich genommen (UA S. 19). Die Tat begingen sie aufgrund ihrer Betäubungsmittelabhängigkeit, um kurzfristig Geld für weitere Betäubungsmittel zu erlangen (UA S. 25). Das Landgericht hat zudem ausdrücklich „eine Zurückstellung eines Teils der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG“ befürwortet (UA S. 28). In Anbetracht dessen hätte es erörtern müssen, ob die Angeklagten gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen sind. Der Generalbundesanwalt hat dazu in Bezug auf beide Angeklagten in seiner Antragsschrift ausgeführt:

„Die getroffenen Feststellungen legen den für die Unterbringung erforderlichen Hang, also eine zumindest eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende und durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel zu sich zu nehmen, mehr als nahe (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2018 - 5 StR 291/18 Rn. 12; Urteil vom 18. Juli 2013 - 4 StR 100/13 Rn. 6).

3 Das Fehlen einer konkreten Erfolgsaussicht ist dem Urteil nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das Landgericht diesbezüglich festgestellt, dass die Angeklagten zwischenzeitlich die Einsicht gewonnen zu haben scheinen, therapeutische Hilfe zu benötigen, und sie sich einer Therapie unterziehen wollen (UA S. 28).

Einer etwaigen Unterbringungsanordnung steht nicht entgegen, dass ausschließlich der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; vgl. auch BGH, a.a.O.). Die Nichtanwendung des § 64 StGB durch die Strafkammer ist zudem nicht von dessen Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362).

Die Sache bedarf insoweit unter Heranziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) neuer tatgerichtlicher Prüfung.“ Dem schließt sich der Senat an.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 197

Bearbeiter: Sina Aaron Moslehi/Karsten Gaede