hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1251

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 6 StR 234/20, Beschluss v. 22.09.2020, HRRS 2020 Nr. 1251


BGH 6 StR 234/20 - Beschluss vom 22. September 2020 (LG Schweinfurt)

Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern (tatsächliche Verfügungsgewalt: Mittäterschaft nicht hinreichend; Erlangen eines Vermögenswertes).

§ 73 Abs. 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Allein die Mittäterschaft belegt für sich betrachtet keine tatsächliche Verfügungsgewalt im Sinne von § 73 StGB.

2. Ein Vermögenswert ist nach § 73 Abs. 1 StGB durch die Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den Vermögensgegenstand nehmen können.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 30. März 2020 im Ausspruch über die Einziehung - auch soweit es den Mitangeklagten S. betrifft - dahin geändert, dass gegen den Angeklagten in Höhe von 1.400 Euro sowie gegen den Mitangeklagten S. in Höhe von 950 Euro die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet wird und die Angeklagten für den Betrag von 950 Euro als Gesamtschuldner haften.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1. Die Strafkammer hat nicht erkennbar bedacht, dass die beiden registrierten 50-EuroScheine, die aus dem von der Ermittlungsbehörde für den Betäubungsmittelkauf eingesetzten Geld stammten, bei dem an der Tat beteiligten Nichtrevidenten sichergestellt werden konnten und daher weder bei diesem als Tatertrag nach § 73 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2018 ? 4 StR 614/17) noch bei dem Angeklagten als Wert des Erlangten nach § 73c StGB einzuziehen waren. Nur soweit das Kaufgeld nicht sichergestellt werden konnte, war die Einziehung von dessen Wert anzuordnen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2009 - 2 StR 504/08, BGHSt 53, 179, Rn. 3).

2. In Höhe von 950 Euro haftet der Angeklagte, der nach den Feststellungen der Strafkammer zumindest vorübergehend Mitgewahrsam an dem an den Nichtrevidenten weiterzuleitenden Kaufgeld erlangte, neben jenem indessen nur als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2019 - 1 StR 208/19, NJW 2020, 79 Rn. 17). Der Kaufpreis betrug abzüglich der von dem Angeklagten verdienten Provision im Fall II.1. der Urteilsgründe 400 Euro, wovon die sichergestellten 100 Euro abzuziehen sind, und im Fall II.2. nicht 800 Euro, sondern nur 650 Euro.

Denn der Nichtrevident hat die tatsächliche Verfügungsgewalt über die dem Angeklagten „leihweise“ überlassenen 150 Euro nicht erlangt. Allein die Mittäterschaft belegt für sich betrachtet keine tatsächliche Verfügungsgewalt im Sinne von § 73 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Juni 2020 - 5 StR 154/20, und vom 21. August 2018 - 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20). Ein Vermögenswert ist nach § 73 Abs. 1 StGB durch die Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den Vermögensgegenstand nehmen können (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2019 - 1 StR 525/19, Rn. 3 mwN). Eine solche ungehinderte Zugriffsmöglichkeit auf das Bargeld hatte der vor Ort nicht anwesende Nichtrevident nach den Feststellungen nicht. Der Angeklagte nahm den Kaufpreis von dem Abnehmer entgegen und hielt nach Abzug seiner Provision das Geld zur Abholung durch einen Beauftragten des Nichtrevidenten bereit.

3. Die gesamtschuldnerische Haftung ist im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2018 - 4 StR 63/18, Rn. 16; Beschluss vom 12. März 2018 - 4 StR 57/18, Rn. 3). Der Senat ändert die Einziehungsentscheidung in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO, was gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den Nichtrevidenten zu erstrecken ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 2018 - 5 StR 101/18). Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 1251

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner