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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 97/99, Urteil v. 21.04.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 97/99 - Urteil v. 21. April 1999 (LG Berlin)

Militärregierungsgesetz; Kommerzielle Koordinierung; Embargo;

MRG Nr. 53;

Leitsatz des Bearbeiters

Zur Bestätigung eines Strafurteils wegen ungenehmigter Lieferung zur Herstellung von Mikrochips benötigter Embargowaren in die DDR und des Teilfreispruchs bezüglich Devisenstraftaten.

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Juli 1998 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hieraus erwachsenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergehen gegen das Militärregierungsgesetz Nr. 53 (MRG Nr. 53) in 50 Fällen - ungenehmigte Lieferung zur Herstellung von Mikrochips benötigter Embargowaren in die DDR in den Jahren 1987 bis 1989 betreffend - zu Einzelgeldstrafen verurteilt und gegen ihn unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus der rechtskräftigen Verurteilung, die Gegenstand des Senatsurteils vom 9. Juli 1997 - 5 StR 544/96 - (BGHSt 43, 129) war, unter Auflösung der dortigen Gesamtstrafe eine neue Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verhängt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Vom Vorwurf 33 weiterer entsprechender Vergehen - ungenehmigten Devisentransfer von der Bundesrepublik Deutschland in die DDR in den Jahren 1988 und 1989 betreffend - hat das Landgericht den Angeklagten aus Rechtsgründen freigesprochen.

Die Verurteilung ist durch Verwerfung der Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO mit Beschluß vom 29. März 1999 rechtskräftig.

Allein gegen den Teilfreispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit der vom Generalbundesanwalt vertretenen, auf die Sachrüge gestützten Revision. Auch dieses Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

Der Teilfreispruch des Angeklagten hält sachlichrechtlicher Prüfung stand. Da die Fälle des Devisentransfers keinen Wirtschaftsverkehr betrafen, der auch nach dem Außenwirtschaftsgesetz verboten gewesen wäre, kann der Angeklagte, der zur Tatzeit seinen Lebensmittelpunkt in der DDR hatte und von da aus gehandelt hat, dafür - ungeachtet der uneingeschränkten Fortgeltung des MRG Nr. 53 nach den Grundsätzen von BGHSt 42, 113 nicht bestraft werden.

Dies hat der Senat in dem ersten den Angeklagten betreffenden Revisionsverfahren grundlegend entschieden (BGHSt 43, 129). Die gegen das Urteil des Senats gerichtete Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG -Kammer-, Beschluß vom 17. März 1999 - 2 BvR 1565/97).

Danach kommt eine Strafverfolgung eines DDR-Bürgers wegen eines derartigen Verhaltens vor der Einigung Deutschlands, sofern es bei fiktiver Annahme eines ungenehmigten Waren- oder Geldtransfers ins Ausland (und nicht in die DDR) nach dem Außenwirtschaftsgesetz nicht verboten gewesen wäre, nach dem 3. Oktober 1990 aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr in Betracht. Nur soweit ein Täter, der seine Lebensgrundlage in der DDR hatte, sich selbst bei Zugrundelegen der liberalen Maßstäbe des Außenwirtschaftsgesetzes staatlichen Sanktionen des Strafrechts oder jedenfalls des Ordnungswidrigkeitenrechts ausgesetzt gesehen hätte, kann er auf der Grundlage des Artikel VIII MRG Nr. 53 weiterhin verfolgt werden. Bei dem Vergleich ist auf den Handel mit demjenigen ausländischen Wirtschaftsgebiet abzustellen, dem gegenüber zur Tatzeit die strengsten Beschränkungen für den Waren- oder Geldverkehr galten (BGHSt 43, 129, 136 f.). Zutreffend hat das Landgericht die Voraussetzung entsprechender Sanktionierung allein aufgrund einer nicht umgesetzten Ermächtigungsnorm oder lediglich durch bußgeldbewehrte Meldepflichten nicht als erfüllt angesehen.

Den in seinem Grundsatzurteil aufgestellten Maßstab hält der Senat weiterhin aus verfassungsrechtlichen Gründen für zwingend. In Fällen dieser Art, die unter kein entsprechendes Verbot nach dem Außenwirtschaftsgesetz fallen, trifft einen früheren DDR-Bürger kein strafrechtlicher Schuldvorwurf. Das hat das Landgericht in jeder Beziehung zutreffend beachtet.

Bearbeiter: Karsten Gaede