Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 429/99, Beschluss v. 06.10.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 12. April 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 27 Fällen, davon in 9 Fällen in Tateinheit mit Beischlaf zwischen Verwandten, zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.
Der zu Beginn der Tatserie 15 Jahre und 10 Monate alte Angeklagte hatte sich 1991 aus sexueller Neugier seiner damals 7jährigen Halbschwester genähert. Nachdem er sie einmal, ohne daß sie dies ablehnte, unter der Kleidung an Brust und Geschlechtsteil gestreichelt hatte, schrieb er ihr in den folgenden Jahren jeweils einen Zettel, auf dem sinngemäß stand: "Hast Du Lust ?". Wenn sie diese Frage bejahte, kam es zwischen den Halbgeschwistern zu sexuellen Handlungen, die bis 1995 in Streicheln und Küssen, danach auch in Geschlechts- und Oralverkehr bestanden. 1997 beendete der Angeklagte das Verhältnis aus eigenem Antrieb. Psychische Folgen der Mißbrauchshandlungen beim Tatopfer hat das Landgericht nicht festgestellt.
Nicht zu beanstanden ist, daß das Landgericht wegen der Schwere der Schuld Jugendstrafe verhängt hat. Die Urteilsausführungen zur Strafhöhe lassen jedoch nicht erkennen, daß das Landgericht dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Bedeutung beigemessen hat (vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 8 bis 10). Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat. stellt das Landgericht bei der Bemessung der Jugendstrafe maßgeblich auf das Tatunrecht ab. Da sich auch bei einer wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe deren Höhe vorrangig nach Erziehungsgesichtspunkten bemißt (vgl. BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 8), hätte jedoch näherer Darlegung bedurft, weshalb der gegenwärtige Erziehungsbedarf bei dem unvorbestraften, geständigen, reuigen Angeklagten, der die Tatserie aus eigenem Antrieb beendet hat und durch eine mehrmonatige Untersuchungshaft beeindruckt ist, trotz inzwischen erfolgter positiver Persönlichkeitsentwicklung die Vollstreckung einer mehrjährigen Jugendstrafe erfordert. Der pauschale Hinweis auf die erzieherische Notwendigkeit reicht hierfür nicht aus.
Bearbeiter: Karsten Gaede