Bearbeiter: Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 424/99, Beschluss v. 25.08.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 7. Mai 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg. Während die Überprüfung des Urteils zum Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler aufgedeckt hat, kann der Strafausspruch nicht bestehen bleiben.
Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte dem heroinabhängigen S, dem er in seiner Wohnung Unterkunft gewährt hatte, 27 Hammerschläge gegen den Kopf, würgte ihn "möglicherweise" mit einem Hammerstiel und erdrosselte ihn schließlich mit einem Elektrokabel. Tatauslösendes Moment war, daß der Angeklagte S überrascht hatte, als dieser im Begriff war, sich Heroin anzueignen, das der Angeklagte zu seinem Eigenverbrauch erworben hatte. Als der Angeklagte versucht hatte, das Heroin wieder an sich zu nehmen, hatte S ihn mit einer Flasche angegriffen, ohne ihn allerdings zu treffen. Nach der Tat wickelte der Angeklagte den Toten in einen Teppich, ließ ihn trotz zunehmenden Verwesungsgeruchs neben seinem Bett liegen und setzte sein bisheriges Leben bis zu seiner Inhaftierung über einen Zeitraum von mehreren Wochen neben der Leiche fort.
1. Die Erwägungen, mit denen das sachverständig beratende Landgericht die Voraussetzungen des § 21 StGB verneint hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Es mag zutreffen, daß weder die vom Landgericht festgestellte Persönlichkeitsstörung des Angeklagten im emotionalen Bereich, noch der einige Stunden vor der Tat erfolgte Konsum von Heroin in Verbindung mit Tabletten, noch die durch den Vertrauensbruch und den anschließenden Angriff des S verursachte affektive Erregung des Angeklagten jeweils für sich genommen zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit geführt haben. Erforderlich ist jedoch eine Gesamtbetrachtung, mit der geprüft wird, ob mehrere die Steuerungsfähigkeit beeinflussende Faktoren im Zusammenwirken eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit bewirkt haben könnten (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB § 21 Ursachen mehrere 3 m.w.N.). Daran fehlt es hier.
2. Einen minder schweren Fall des Totschlags gemäß § 213 1 . Alt. StGB hat das Landgericht im Ergebnis mit Recht verneint, weil der fehlgeschlagene Angriff des späteren Tatopfers auf Leib oder Leben des Angeklagten nicht von dem Gewicht war, daß er die spätere Vorgehensweise des Angeklagten als verständliche Reaktion erscheinen ließe (vgl. BGHR StGB § 213 1. Alt. Mißhandlung 4 m.w.N.). Soweit die Strafkammer jedoch einen "sonst minder schweren" Fall des § 213 2. Alt. StGB unter Hinweis auf die brutale, die Tat besonders prägende Vorgehensweise des Angeklagten verneint hat, hätten die unter 1 genannten Umstände erneut in die Beurteilung einbezogen werden müssen. Dies läßt das angefochtene Urteil nicht erkennen. Darüber hinaus bedarf der Erörterung, in welchem Maße das vom Angeklagten gezeigte abnorme Nachtatverhalten Ausfluß seiner Persönlichkeitsstörung ist und ihm daher allenfalls eingeschränkt als Ausdruck besonderer Gleichgültigkeit gegenüber dem Opfer strafschärfend angelastet werden darf.
Bearbeiter: Karsten Gaede