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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 300/99, Beschluss v. 29.06.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 300/99 - Beschluß v. 29. Juni 1999 (LG Chemnitz)

Öffentlichkeit; Öffentliche Beschlußverkündung;

§ 338 Nr. 6 StPO; § 174 Abs. 1 Satz 1 GVG; § 171b GVG

Leitsatz des Bearbeiters

Zu einem Verstoß gegen das Erfordernis der öffentlichen Verkündung der Beschlüsse über den Ausschluß der Öffentlichkeit nach § 174 Abs. 1 Satz 1 GVG.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten B wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 20. Januar 1999 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es diesen Angeklagten betrifft.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den zur Tatzeit heranwachsenden Angeklagten B wegen zweier Fälle der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit Handeltreiben hiermit, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Der Beschwerdeführer macht zutreffend den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 6 StPO geltend.

Nachdem die Jugendkammer während der Einlassung des Mitangeklagten H zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seinem Lebenslauf die Öffentlichkeit gemäß § 171b GVG ausgeschlossen hatte, beschloß sie unter fortdauerndem Ausschluß der Öffentlichkeit auf Antrag des Verteidigers des Beschwerdeführers, daß die Öffentlichkeit auch während dessen Einlassung zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu seinem Lebenslauf und während der Berichterstattung der Jugendgerichtshilfe gemäß § 171b GVG ausgeschlossen werde; der Beschluß schließt mit den Worten: "Die Öffentlichkeit bleibt daher weiter ausgeschlossen."

Mit Recht beanstandet der Beschwerdeführer, daß dieser Beschluß in nichtöffentlicher Sitzung verkündet wurde. Dies verletzte § 174 Abs. 1 Satz 2 GVG, der grundsätzlich zur Information der auszuschließenden Öffentlichkeit über Anlaß und Ausmaß der Ausschließung eine öffentliche Verkündung des Beschlusses gebietet. Ein Ausnahmegrund im Sinn des zweiten Halbsatzes der Vorschrift lag ersichtlich nicht vor. Es sind auch aus dem Urteil, dem Sitzungsprotokoll oder sonst keine Umstände erkennbar, welche die Annahme nahelegten, der den Mitangeklagten betreffende persönliche Ausschliessungsgrund hinge mit dem den Beschwerdeführer betreffenden so eng zusammen, daß der fortdauernde Ausschluß der Öffentlichkeit von der ersten Beschlußfassung mit abgedeckt gewesen wäre. Hiergegen spricht schon der Umstand der weiteren - andernfalls überflüssigen - Beschlußfassung, ferner die allein auf den Beschwerdeführer persönlich bezogene Begründung dieses zweiten Beschlusses.

Die Statthaftigkeit der Rüge ist nicht zweifelhaft. Sie wird nicht etwa dadurch in Frage gestellt, daß der Verteidiger den weiteren Ausschluß der, Öffentlichkeit in nichtöffentlicher Verhandlung beantragt und gegen die Beschlußverkündung unter fortdauerndem Ausschluß der Öffentlichkeit keine Gegenvorstellung erhoben hatte. Es bedarf keiner Entscheidung, ob Abweichendes - ungeachtet der primären Verpflichtung des Gerichts, die Wahrung der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung zu garantieren -in besonders gelagerten Fällen in Betracht käme, etwa wenn der Verteidiger gerade auf die später gerügte Einschränkung der Öffentlichkeit angetragen hätte. Dies war hier', die nichtöffentliche Beschlußverkündung betreffend, nicht gegeben.

Auch sonst bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rüge. Daß der Beschwerdeführer weitergehende - wenn auch naheliegend unbegründete - Öffentlichkeitsverstöße im Zusammenhang mit der wiederholten Anwendung des § 171b GVG geltend gemacht hat, vermag die Zielrichtung der für sich ausreichend klar vorgebrachten durchgreifenden Beanstandung nicht in Zweifel zu ziehen.

Der absolute Revisionsgrund zieht die Aufhebung der Verurteilung des Beschwerdeführers nach sich.

Der Senat merkt zur Sache an, daß die Mindestfreiheitsstrafe für ein Verbrechen nach § 30 Abs. 1 BtMG nach Strafrahmenverschiebung gemäß § 31 BtMG, § 49 Abs. 2, § 38 Abs. 2 StGB einen Monat beträgt.

Externe Fundstellen: StV 2000, 243

Bearbeiter: Karsten Gaede