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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 177/99, Beschluss v. 14.06.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 177/99 - Beschluß v. 14. Juni 1999 (LG Frankfurt/Oder)

Besondere Schwere der Schuld; Mord; Verminderte Schuldfähigkeit;

§§ 21, 49 Abs. 1, 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 211 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Zu den Anforderungen an die besonderen Schwere der Schuld bei versagter Strafrahmenverschiebung trotz verminderter Schuldfähigkeit.

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. März 1998 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen, jedoch mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO), daß die Feststellung besonderer Schwere der Schuld entfällt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen; jedoch wird die Gebühr um ein Zehntel ermäßigt, ein Zehntel der im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen und notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last. Der Angeklagte hat jedoch die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Nebenklägerin umfassend zu tragen.

Gründe

Das Schwurgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge lediglich hinsichtlich der Feststellung besonderer Schuldschwere Erfolg; im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Von einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB durfte das Schwurgericht absehen. Daß es hierfür bei Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe besonders gewichtiger Umstände bedarf (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 21 Rdn. 6, 8 m.w.N.), hat es beachtet. Es konnte diese dem schuldsteigernden Tatbild entnehmen - und zwar ungeachtet der Tötung eines einzigen Opfers mit bedingtem Tötungsvorsatz -, namentlich aus der Art der Einwirkung auf das Opfer und aus dem Verhalten des Angeklagten vor, bei und nach Begehung der Tat.

Wie bei dem entsprechend beurteilten Mittäter S (Senatsbeschluß vom 6. März 1996 - 5 StR 78/96 -) kam danach aber die Feststellung besonderer Schuldschwere nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB nicht in Betracht.

Die hierfür vom Schwurgericht herangezogenen Umstände erweisen sich vor dem Hintergrund der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe nach versagter Strafrahmenverschiebung trotz erheblich verminderter Schuldfähigkeit nicht als tragfähig. Das gilt ungeachtet dessen, daß der Angeklagte anders als sein Mittäter nicht geständig war und daß ihm ein gewichtiger Mittäterexzeß zur Last fällt. Bei der erschwerenden Berücksichtigung der außergewöhnlichen Brutalität des Vorgehens war zu bedenken, daß dieses Verhalten auch auf die erhebliche Enthemmung (§ 21 StGB) zurückging (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 22).

Auch wenn der Angeklagte seine Neigung zu verstärkter Aggressivität nach Alkoholisierung kannte, hatte er deswegen zur Tatzeit nach den Feststellungen noch keine Vorwarnung erfahren. Zudem beruhten die Voraussetzungen des § 21 StGB bei ihm neben der freilich vorrangigen Komponente der Alkoholisierung noch auf anderen unverschuldeten Elementen seiner Persönlichkeitsstruktur.

Nach vollständiger Feststellung der für die Frage der Schuldschwere maßgeblichen Umstände durch den Tatrichter kann der Senat, der dessen Bewertung im Ergebnis beanstandet, hierüber entsprechend § 354 Abs. 1 StPO abschließend - mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 4 StPO - entscheiden.

Bearbeiter: Karsten Gaede