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Bearbeiter: Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 132/99, Beschluss v. 21.04.1999, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 132/99 - Beschluß v. 21. April 1999 (LG Chemnitz)

Bewährung; Gesamtstrafenbildung; Taten vor früherer Verurteilung;

§ 55 StGB; § 57 Abs. 1 Nr. 1 StGB;

Leitsatz des Bearbeiters

Zur Berücksichtigung von Taten, deren Einordnung in den Bewährungszeitraum unsicher ist.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 4. November 1998 nach § 349 Abs. 4 StPO im Ausspruch der Gesamtstrafe und der Maßregel mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen unter Einbeziehung einer anderen Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit das Rechtsmittel sich gegen den Schuldspruch und gegen die Einzelstrafen richtet. Dagegen sind der Gesamtstrafausspruch und die Anordnung der Maßregel aus sachlichrechtlichen Gründen aufzuheben.

Hierzu hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:

"Die Gesamtstrafe kann keinen Bestand haben. Das Landgericht hat bei der Gesamtstrafenbildung zugunsten des Angeklagten gewertet, daß er die Taten vor der früheren Verurteilung begangen hat" (UA S. 21). Das ist nicht richtig. Da die Tat zum Nachteil des Kindes N an einem nicht mehr genau bestimmbaren Wochentag im Jahr 1996 begangen wurde (UA S. 9), besteht ebenso wie bei der anderen Tat die Möglichkeit, daß dies nach der Verurteilung durch das Amtsgericht Annaberg geschah; hiervon ist jedenfalls zugunsten des Angeklagten auszugehen. Dann aber ist er durch die Einbeziehung der zur Bewährung ausgesetzten Strafe dieses Gerichts beschwert, weil nicht auszuschließen ist, daß die Gesamtstrafe hier ohne die dritte Strafe niedriger bemessen worden wäre. Im übrigen dürfte die jetzige Verurteilung keinen Anlaß zum Widerruf der damals gewährten Strafaussetzung bieten, weil nicht feststeht, daß die Taten 'in der Bewährungszeit begangen wurden (§ 57 Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Der aufgezeigte Rechtsfehler betrifft im Ergebnis auch den Ausspruch der Maßregel. Zunächst hat das Landgericht deren Aussetzung zur Bewährung allein unter Hinweis auf § 67 Satz 2 StGB abgelehnt, und es ist nicht sicher auszuschließen, daß der zu neuer Entscheidung über die Gesamtstrafe berufene Tatrichter die Voraussetzungen des § 56 StGB anders beurteilt als bisher, zumal da die Jugendkammer bei Erörterung der Sozialprognose auf eine "neue Anklage wegen sexuellen Mißbrauchs" abhebt (UA S. 22), ohne ihre Überzeugung von der Schuld des Angeklagten in diesem Fall darzutun, und der Angeklagte inzwischen einstweilig untergebracht ist (UA S. 8). Zum anderen stehen die Prognoseerwägungen in engem Zusammenhang mit denen zu § 63 StGB, so daß dem neuen Tatrichter eine umfassende Beurteilungsgrundlage geboten werden muß. Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob, was immerhin bezweifelt werden könnte, die Voraussetzungen dieser Bestimmung im angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei dargelegt sind."

Bearbeiter: Karsten Gaede