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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 85/94, Urteil v. 07.06.1994, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 85/94 - Urteil vom 7. Juni 1994 (LG Hildesheim)

BGHSt 40, 188; kein Parteiverrat durch Vertretung des Täters und des Geschädigten durch Anwälte derselben Rechtsanwaltssozietät.

§ 356 StGB

Leitsatz

Es ist möglich, eine Rechtssache nur einem Mitglied einer Rechtsanwaltssozietät anzuvertrauen. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 15. November 1993 wird verworfen.

Die Kosten der Revision und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Parteiverrats freigesprochen. Dagegen richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Dem Angeklagten ist zur Last gelegt worden, im Februar 1991 Parteiverrat begangen zu haben. Die Anklage sieht einen Parteiverrat in folgendem Verhalten des Angeklagten: Er hat Ch. P. in einem Strafverfahren in der Berufungsinstanz vor dem Landgericht Hildesheim verteidigt. Während des Verfahrens ist ihm bekannt geworden, daß sein Sozius, Rechtsanwalt Dr. F., Strafantrag für die Geschädigte gegen Ch. P. gestellt hatte. Dabei hatte Rechtsanwalt Dr. F. eine Vollmachtsurkunde vorgelegt, in der die Rechtsanwälte der Praxis genannt waren, darunter der Angeklagte und Dr. F.

2. Das Landgericht hat den Angeklagten zu Recht aus Rechtsgründen freigesprochen. Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt eine Verurteilung wegen Parteiverrats (§ 356 StGB) nicht. Es fehlt bereits an einer Verwirklichung des objektiven Tatbestandes.

a) Die Rechtssache, in welcher der Angeklagte als Verteidiger tätig war, war ihm nur von seinem Mandanten P., also lediglich von einer Partei anvertraut. Die Geschädigte hatte in dieser Sache nicht (auch) ihn, sondern nach den Urteilsfeststellungen (UA S. 3, 5) ausschließlich seinen Sozius Rechtsanwalt Dr. F. mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt. Allein Dr. F. ist danach auch für sie tätig geworden.

b) Eine solche Mandatsbeschränkung auf nur ein Mitglied der Sozietät ist im Hinblick auf § 356 StGB rechtlich unbedenklich (aA Hübner in LK 10. Aufl. § 356 Rdn. 38 und Geppert, Der strafrechtliche Parteiverrat 1961, S. 110). Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ 56, 355; BGH MDR 1994, 308) im Zweifel davon auszugehen, daß die Mandatsübernahme durch einen einer Anwaltssozietät angehörenden Rechtsanwalt auch seine Sozien verpflichtet. Diese Regelannahme schließt aber nicht aus, daß auch innerhalb einer Sozietät das Mandatsverhältnis nur zu einem der Sozien begründet werden kann (BGHZ 56, 355, 358; Rudolphi in SK, StGB, 4. Aufl., § 356 Rdn. 11; Dahs JR 1986, 349). Abzustellen ist allein darauf, wer nach dem ausdrücklich oder schlüssig erklärten Willen des Mandanten der Rechtsanwalt sein sollte, von dem die Erfüllung der anwaltlichen Pflichten erwartet wurde (BGH, a.a.O.). Diese rechtliche Beurteilung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 146 StPO (BVerfGE 43, 79, 93 ff.), wonach mehrere Beschuldigte von jeweils anderen Anwälten einer Sozietät verteidigt werden können.

c) Der Umstand, daß die Geschädigte eine Strafprozeßvollmacht unterschrieben hat, die auf die Namen aller vier Rechtsanwälte der Kanzlei Dr. F. und Partner ausgestellt war, steht der Annahme der Mandatsbeschränkung ebensowenig entgegen wie der Umstand, daß Rechtsanwalt Dr. F. die Vollmacht unter Verwendung der in dieser Kanzlei üblichen "wir-Form" vorgelegt hat. Die Tatsache, daß ein Rechtsanwalt auf der Prozeßvollmacht genannt ist, läßt in Fällen wie dem vorliegenden keine abschließende Aussage über das "Anvertrautsein" zu (Cramer in Schönke/Schröder, StGB, 24. Aufl., § 356 Rdn. 10). Die Prozeßvollmacht hat mit dem Verhältnis des Rechtsanwalts zu dem Mandanten "nicht unbedingt etwas zu tun; sie soll lediglich den Anwalt nach außen legitimieren" (BGHZ 56, 355, 358; vgl. auch BGHSt 36, 259, 260). Die Verwendung der "wir-Form" ist für sich gesehen kein zwingendes Indiz.

Ob es standesrechtlich geboten ist, die Vollmachtsurkunde einzugrenzen, um den Anschein einer Pflichtwidrigkeit zu vermeiden, hat der Senat nicht zu entscheiden.

d) Da dem Angeklagten die Rechtssache der Geschädigten nicht anvertraut war, kam es auf die von der Revision herausgestellte Frage nicht an, ob dem Angeklagten die Tätigkeit seines Sozius Dr. F. für die andere Partei, die Geschädigte, als eigenes Dienen zuzurechnen wäre.

Externe Fundstellen: BGHSt 40, 188; NJW 1994, 2302; NStZ 1994, 490; StV 1994, 486

Bearbeiter: Rocco Beck