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Bearbeiter: Rocco Beck

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 650/92, Beschluss v. 13.01.1993, HRRS-Datenbank, Rn. X


BGH 5 StR 650/92 - Beschluß vom 13. Januar 1993 (LG Berlin)

BGHSt 39, 110; Hauptverhandlung bei vorsätzlich herbeigeführter Verhandlungsunfähigkeit; Zeitpunkt für die Bekanntmachung des Beschlusses nach § 231a Abs. 3 S. 1 StPO; Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen diesen Beschluss.

§ 231a StPO

Leitsatz

Wird die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss nach § 231a StPO erst nach Abschluss der Hauptverhandlung erhoben, so ist sie nicht statthaft. Der Beschluss nach § 231a StPO ist dem Angeklagten unverzüglich bekanntzumachen. (BGHSt)

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Mai 1992 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Gründe

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 19. Mai 1992 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

a) Zu der Rüge, das Landgericht habe gegen § 231a StPO verstoßen, bemerkt der Senat:

Die Entscheidung des Landgerichts gemäß § 231a StPO, in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln, unterliegt auch im vorliegenden Fall nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (§ 336 Satz 2 StPO). Das Gesetz sieht vor, daß die Überprüfung derartiger Entscheidungen auf sofortige Beschwerde in einem Zwischenverfahren erfolgt. Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung, sie führt zwingend zur Unterbrechung der Hauptverhandlung. Solange die sofortige Beschwerde nicht erhoben ist, kann verhandelt werden.

Der Verteidiger des Angeklagten hat gegen den in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluß, gemäß § 231a StPO in Abwesenheit des Angeklagten zu verhandeln, keine sofortige Beschwerde erhoben. Dem Angeklagten wurde der Beschluß erst nach Ende der Hauptverhandlung mitgeteilt. Darauf hat er sofortige Beschwerde erhoben. Diese war aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr statthaft, da das Zwischenverfahren dazu dienen soll, vor oder während der laufenden Hauptverhandlung abschließend zu klären, ob gegen den verhandlungsunfähigen Angeklagten verhandelt werden darf (vgl. Schlüchter in SK, StPO § 231 a StPO Rdn. 20). Nach Ende der Hauptverhandlung ist für sie kein Raum. Rechtsfehler des Verfahrens sind nunmehr mit der Revision geltend zu machen.

Dadurch werden die Rechte des Angeklagten in Fällen der vorliegenden Art nicht unangemessen beschränkt:

Allerdings unterliegt die Entscheidung des Tatrichters nach § 231a StPO nicht mehr der Beurteilung des Revisionsgerichts, weil diese mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar war (§ 336 Satz 2 StPO). Dem steht nicht entgegen, daß der Angeklagte sie erst nach Abschluß der Hauptverhandlung erhoben hat. Der Verteidiger hätte sie während der Hauptverhandlung erheben können. Die Gründe dafür, daß er dies nicht getan hat, unterliegen nicht der Nachprüfung durch das Revisionsgericht, da der Verteidiger die Verteidigung eigenverantwortlich durchzuführen hat. Anhaltspunkte dafür, daß er willkürlich gegen die Interessen des Angeklagten verstoßen hätte, sind nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich.

Dennoch kann in der Durchführung des Verfahrens nach § 231a StPO ein die Revision begründender Rechtsfehler liegen. Das ist der Fall, wenn einem Angeklagten der Beschluß nach § 231a StPO nicht unverzüglich bekanntgemacht wurde und er dadurch außerstande war, die sofortige Beschwerde vor Ende der Hauptverhandlung zu erheben. Auch wenn das Gesetz davon ausgeht, daß die Rechte des verhandlungsunfähigen Angeklagten durch seinen Verteidiger wahrgenommen werden (vgl. § 234a StPO), könnte in einer solchen verspäteten Bekanntmachung des Beschlusses, angesichts der verfassungskräftigen Bedeutung des Rechts des Angeklagten, sich im gerichtlichen Verfahren zu äußern und auf dieses gestaltend einzuwirken, ein absoluter Revisionsgrund im Sinne des § 338 Nr. 8 StPO gesehen werden. Der Senat braucht diese Frage aber nicht zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall wurde dem Angeklagten dieser Beschluß zwar verspätet bekanntgemacht, aber auch bei unverzüglicher Bekanntgabe hätte vor Beendigung der Hauptverhandlung die sofortige Beschwerde durch den Angeklagten nicht erhoben werden können. Nachdem der Schuldspruch gegen den Angeklagten durch Beschluß des Senats vom 13. Februar 1990 rechtskräftig war, war nur noch über die Strafe zu verhandeln und zu entscheiden. Die Hauptverhandlung dauerte deshalb nur eineinhalb Stunden. Der Angeklagte befand sich "nicht äußerungsfähig" und "intensiver medizinischer Hilfe" bedürftig in der Haftanstalt. Ihm den Beschluß vor Ende der Hauptverhandlung bekanntzumachen, war deshalb nicht möglich. Nach einem Beschluß gemäß § 231a StPO die Hauptverhandlung zu unterbrechen, bis der Angeklagte sich dazu äußern kann, ob er sofortige Beschwerde erheben will, sieht das Gesetz nicht vor. Wegen der schuldhaft herbeigeführten Verhandlungsunfähigkeit soll die Durchführung der Hauptverhandlung nicht unterbleiben, wenn die Voraussetzungen des § 231a StPO vorliegen (BGHSt 26, 228). Die Hauptverhandlung ist deshalb auch dann durchzuführen, wenn der Angeklagte wegen seines Zustands zur Erhebung der sofortigen Beschwerde nicht in der Lage ist. Seine Rechte sind durch die zwingend vorgeschriebene Mitwirkung eines Verteidigers (vgl. § 231 Abs. 4 StPO) ausreichend gewahrt.

b) Die zwischenzeitlich erfolgte Änderung der waffenrechtlichen Vorschriften berührt den Strafausspruch nicht.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Externe Fundstellen: BGHSt 39, 110; NJW 1993, 1147; NStZ 1993, 247

Bearbeiter: Rocco Beck