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HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 42

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 271/23, Beschluss v. 06.12.2023, HRRS 2024 Nr. 42


BGH 5 StR 271/23 - Beschluss vom 6. Dezember 2023 (LG Hamburg)

Revision (Anforderungen an die Begründung der Inbegriffsrüge).

§ 344 StPO

Leitsatz des Bearbeiters

Zur ordnungsgemäßen Begründung einer Inbegriffsrüge ist darzutun, dass das Beweismittel weder ausweislich des Sitzungsprotokolls noch in sonst zulässiger Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, etwa durch - nicht protokollierungsbedürftigen - Vorhalt. Etwas anderes gilt regelmäßig nur, wenn - etwa bei der wörtlichen Zitierung einer mehrseitigen Urkunde in den Urteilsgründen - ausgeschlossen werden kann, dass die Urkunden durch Vorhalt eingeführt worden waren.

Entscheidungstenor

Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Januar 2023 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels, die durch die Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die den Neben- und Adhäsionsklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1. Die Rüge, das Landgericht habe gegen § 261 StPO verstoßen, indem es eine in der Hauptverhandlung nicht in Augenschein genommene Skizze einer Zeugin bei der Überprüfung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage herangezogen habe, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision verschweigt, dass die Skizze der Zeugin bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung vorgehalten wurde und die Zeugin sich dazu erklärt hat. Denn zur ordnungsgemäßen Begründung einer Inbegriffsrüge ist darzutun, dass das Beweismittel weder ausweislich des Sitzungsprotokolls noch in sonst zulässiger Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, etwa durch - nicht protokollierungsbedürftigen - Vorhalt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - 4 StR 569/15 Rn. 13; Beschluss vom 21. Dezember 1998 - 3 StR 437/98, NStZ-RR 1999, 107, 108; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2005 - 2 BvR 656/99, 657/99 und 683/99, BVerfGE 112, 185). Etwas anderes gilt regelmäßig nur, wenn - etwa bei der wörtlichen Zitierung einer mehrseitigen Urkunde in den Urteilsgründen - ausgeschlossen werden kann, dass die Urkunden durch Vorhalt eingeführt worden waren (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2017 - 3 StR 424/16, NStZ 2017, 722, 723).

Eine vergleichbare Ausnahme ergibt sich hier nicht daraus, dass der Inhalt einer Skizze - wie das Aussehen eines Lichtbildes - nicht durch formfreien Vorhalt in die Beweisaufnahme eingeführt werden könnte. Die Annahme der Revision, die Inaugenscheinnahme sei „zwingend“, wenn der Inhalt des Augenscheinsobjekts, hier die Aussagekraft der Skizze, bewertet werden solle, trifft jedenfalls im vorliegenden Fall nicht zu: Maßgebliches Beweismittel zur Beurteilung der Qualität der Skizze ist die Zeugin selbst, die bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung angegeben hat, die Skizze sei offenbar ungenau. Ausweislich der von der Revision vorgelegten polizeilichen Aussage der Zeugin hatte sie zudem bereits bei Anfertigung der Skizze bekundet, dass in der eigentlichen Tatsituation „irgendetwas passiert“ sein müsse, was sie aber nicht mitbekommen habe, sie insbesondere erst in der Vernehmung erfahren habe, dass ein Messer im Spiel war; entsprechend hat sie in der Hauptverhandlung bekundet. Angesichts dessen ist der durch die Aussage der Zeugin ermöglichte Schluss der Strafkammer, die Skizze stehe der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin zum Ort des eigentlichen Tatkerngeschehens nicht entgegen, auch ohne Kenntnis der Skizze im Detail ohne Weiteres nachvollziehbar.

2. Auch mit der einen Verstoß gegen § 244 Abs. 2, 3 und 6 Satz 1 StPO geltend machenden Rüge dringt die Revision nicht durch. Da es sich bei den gestellten Anträgen - auch nach dem Revisionsvorbringen - letztlich um Beweisermittlungsanträge gehandelt hat, kommt ein Verstoß gegen die nur Beweisanträge im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO betreffenden Regelungen in § 244 Abs. 3, Abs. 6 Satz 1 StPO nicht in Betracht. Als Aufklärungsrüge ist die Beanstandung zudem schon deshalb unzulässig, weil auch mit dem Revisionsvorbringen keine bestimmte Beweistatsache behauptet wird, die sich aus der vermissten Vernehmung eines Polizeibeamten ergeben haben könnte.

HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 42

Bearbeiter: Christian Becker