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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 929

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 90/22, Beschluss v. 05.07.2022, HRRS 2022 Nr. 929


BGH 5 StR 90/22 - Beschluss vom 5. Juli 2022 (LG Hamburg)

Verabredung zum Verbrechen der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge; Einziehung von Taterträgen (durch die Tat erlangter Vermögenswert).

§ 73 StGB; § 30 Abs. 2 StGB; § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 4. Oktober 2021

im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall 9 der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt ist,

im Ausspruch über die Anordnung der Einziehung

aufgehoben, soweit die Einziehung des Wertes von Taterträgen von mehr als 407.200 Euro angeordnet ist,

dahin abgeändert, dass der Angeklagte hinsichtlich der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe eines Betrages von 262.050 Euro als Gesamtschuldner haftet.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, in einem Fall in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in einem Fall in Tateinheit mit Verabredung der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 9) sowie wegen Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und acht Monaten verurteilt. Zudem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.282.700 Euro angeordnet.

Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zur Änderung des Schuldspruchs und zur teilweisen Aufhebung sowie zur Ergänzung der Einziehungsanordnung. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Die Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.

2. Der Schuldspruch im Fall 9 hält hingegen hinsichtlich der tateinheitlich tenorierten Verabredung zu einem Verbrechen rechtlicher Nachprüfung nicht stand und bedarf der Korrektur.

Nach den Feststellungen bestellte der Angeklagte bei einem unbekannten Händler in Spanien 65,9 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % THC zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs. Das Marihuana sollte aus Spanien mit einem Lkw ins Bundesgebiet geliefert werden. Dieser wurde jedoch in Frankreich von der Polizei kontrolliert, das Rauschgift gefunden und sichergestellt.

Diese Feststellungen belegen nicht die für eine Verabredung eines Verbrechens erforderliche geplante mittäterschaftliche Beteiligung. Denn selbst bei einer erfolgreichen Einfuhr läge mangels Tatherrschaft keine Mittäterschaft des Angeklagten an dem Einfuhrdelikt, sondern lediglich eine Anstiftung hierzu vor. Neben dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge scheidet daher eine tateinheitliche Verurteilung wegen Verabredung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 2 StGB, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG aus (vgl. BGH, Urteil vom 6. Januar 2022 - 5 StR 2/21 [insoweit nicht abgedruckt in NStZ-RR 2022, 140]). Die Feststellungen erfüllen jedoch die Voraussetzungen einer tateinheitlichen Strafbarkeit wegen versuchter Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 StGB, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 - 3 StR 341/21 Rn. 31).

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend; die Regelung des § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Die Aussprüche über die Einzel- sowie über die Gesamtstrafe werden hierdurch nicht berührt (§ 337 Abs. 1 StPO).

3. Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) erweist sich in den Fällen 2., 5. und 11. als rechtsfehlerhaft. Die Feststellungen des Landgerichts belegen nicht, dass der Angeklagte in diesen Fällen etwas erlangte.

a) Ein Vermögenswert ist nach § 73 Abs. 1 StGB durch die Tat erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten genügt insofern, dass sie zumindest eine faktische oder wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den Vermögensgegenstand nehmen können (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 24. Mai 2018 - 5 StR 623/17 und 5 StR 624/17; Beschlüsse vom 12. Juni 2019 - 3 StR 194/19, NStZ-RR 2019, 382, 383; vom 19. November 2019 - 1 StR 525/19, BGHR StGB § 73 Erlangtes 32 mwN).

b) Insoweit tragen die Feststellungen der Strafkammer die Annahme, dass der Angeklagte an den Taterlösen in den Fällen 1. (195.000 Euro), 3. (37.800 Euro), 4. (53.000 Euro), 6. bis 8. (155.000 Euro) Verfügungsgewalt hatte, nicht jedoch über einen weitergehenden Betrag von 1.875.500 Euro (30.500 Euro Fall 2., 760.000 Euro Fall 5., 1.085.000 Euro Fall 11.). Im Fall 2. ist schon der erfolgreiche Abschluss eines Ankaufsgeschäfts des Angeklagten nicht hinreichend belegt. Im Fall 5. bleibt offen, ob, und wenn ja in welcher Art und Weise, der Angeklagte an dem Verkaufserlös des von ihm in die Türkei gelieferten und von dem EncroChat-Nutzer „z.“ veräußerten Kokains beteiligt wurde. Im Fall 11. lässt sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zwar noch entnehmen, dass die Drogen nach H. geliefert wurden, nicht aber eine tatsächliche Verfügungsgewalt des Angeklagten über einen etwaigen Verkaufserlös.

Die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen erweist sich daher lediglich hinsichtlich eines Betrages von 407.200 Euro (440.800 Euro abzüglich sichergestellter und eingezogener Werte von 33.600 Euro) als rechtsfehlerfrei. Im Übrigen bedarf es im Umfang ihrer Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können durch solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

4. Die Einziehungsentscheidung berücksichtigt ferner in den Fällen 1. (nur für einen Teilbetrag von 16.250 Euro), 3., 4. und 6. bis 8. nicht, dass der Angeklagte in Höhe eines Betrages von 262.050 Euro als Gesamtschuldner neben einem unbekannten Mittäter haftet. Der Senat hat diesen Ausspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO nachgeholt.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 929

Bearbeiter: Christian Becker