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HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 913

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 15/22, Beschluss v. 02.08.2022, HRRS 2022 Nr. 913


BGH 5 StR 15/22 - Beschluss vom 2. August 2022 (LG Berlin)

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.

§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG

Leitsatz des Bearbeiters

Für die Verwirklichung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG genügt es nicht, dass der Täter die Schusswaffe oder den sonstigen Gegenstand bei einem künftigen Teilakt des Handeltreibens mit sich führen will. Entscheidend ist vielmehr, dass der Täter bei einem bereits erfolgten Einzelakt des Handeltreibens Zugriff auf den Gegenstand hatte.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Juni 2021, soweit es ihn betrifft, aufgehoben

im Fall 8 der Urteilsgründe;

im Gesamtstrafenausspruch und

soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist, mit den zugehörigen Feststellungen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln, Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit „Besitz von solchen Stoffen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision.

Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall 8 der Urteilsgründe hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:

Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass das Tatbestandsmerkmal des Mitsichführens nicht durch das gleichzeitige Vorhandensein der Armbrüste im Wohnungsflur des Angeklagten einerseits und der Betäubungsmittel in dem gegenüber liegenden Dachboden andererseits erfüllt ist. Schließlich ist hierdurch nicht dargetan, dass sich der Angeklagte während der Verwahrung der Drogen jederzeit - also ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten - der beiden gefährlichen Gegenstände bedienen konnte.

Nähere Einzelheiten zu den räumlichen Gegebenheiten, die ausgehend von der Rechtsprechung zur Aufbewahrung von Drogen und Waffen in unterschiedlichen Räumen einer Wohnung ausnahmsweise eine andere Einschätzung rechtfertigen könnten (hierzu nur BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - 2 StR 294/19 -), sind nicht festgestellt. Angesichts der bisherigen Feststellungen liegt eine Zugriffsnähe aber ohnehin fern; der Dachboden war offensichtlich weder direkt mit der Wohnung verbunden noch unverschlossen (vgl. UA S. 18).

Dagegen kann die die Verurteilung tragende Erwägung der Strafkammer nicht überzeugen. Die Absicht des Angeklagten, die gelagerten Betäubungsmittel später in seiner Wohnung zu verkaufen, besagt lediglich, dass er die Armbrüste bei einem künftigen Teilakt des Handeltreibens mit sich führen will. Dies ist aber ohne rechtlichen Belang. Entscheidend für die Verwirklichung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist vielmehr, dass der Täter bei einem bereits erfolgten Einzelakt des Handeltreibens Zugriff auf die Schusswaffe oder den sonstigen Gegenstand hatte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. September 2015 - 2 StR 126/15 -, juris Rdnr. 8; vom 22. August 2017 - 3 StR 331/17 -, juris Rdnrn. 6 f.). Hierzu lässt sich den Feststellungen nichts entnehmen. Die Urteilsgründe teilen nicht mit, ob der vorangegangene Ankauf der in Rede stehenden Handelsware (vgl. Fall 5) oder deren Portionierung und Abverpackung in der Wohnung des Angeklagten erfolgten.

Der Rechtsfehler zieht die Aufhebung der tateinheitlichen Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach sich. Das gibt dem neuen Tatgericht Gelegenheit, die Überschreitung des Grenzwerts der nicht geringen Menge in Bezug auf die Eigenbedarfsmenge näher zu belegen. Mit Blick auf die verbleibenden kleineren Mengen unterschiedlicher Betäubungsmittel und angesichts der vom Tatgericht nicht in allen Fällen benannten Wirkstoffgehalte versteht sich das nicht von selbst (zur Berechnung des Grenzwertes bei verschiedenen Betäubungsmitteln näher Weber/Kornprobst/Maier/Maier, BtMG, 6. Aufl. 2021, § 29a Rdnrn. 170-172).

Dem kann sich der Senat nicht verschließen.

Der durch die Aufhebung des Schuldspruchs bedingte Wegfall der Einsatzstrafe entzieht auch dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage. Die Feststellungen zum Fall 8 und zum Strafausspruch können jedoch bestehen bleiben, weil sie nicht von dem Rechtsfehler betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO); ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

2. Auch die Nichtanordnung der Maßregel des § 64 StGB kann keinen Bestand haben.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte seit vielen Jahren Mitglied der B. er Techno-Szene; seinen szenetypischen Drogenkonsum finanzierte er unter anderem mit den verfahrensgegenständlichen Taten. Die im Fall 4 der Urteilsgründe verfahrensgegenständlichen ca. 30 Gramm Cannabisblüten erwarb er zum Eigenkonsum; auch die im Fall 8 in seiner Wohnung festgestellten knapp drei Gramm Kokaingemisch waren ebenso für seinen Eigenkosum bestimmt wie ein - wenn auch nur geringer - Anteil der auf dem Dachboden sichergestellten Betäubungsmittel. In der Strafzumessung hat die Strafkammer ausgeführt, dass der eigene Betäubungsmittelkonsum des Angeklagten die Taten in einem milderen Licht erscheinen lasse.

Angesichts dieser Feststellungen und Wertungen hätte sich das Landgericht in den Urteilsgründen mit der Frage befassen müssen, ob die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB anzuordnen ist. Da es die nach seinen Feststellungen jedenfalls nicht ausgeschlossene Maßregel nach § 64 StGB mit keinem Wort erwähnt hat, bedarf die Sache insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung; dass lediglich der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht dem nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO). Um dem neuen Tatgericht insoweit eine widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen, hat der Senat auch die zugehörigen Feststellungen mitaufgehoben.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 913

Bearbeiter: Christian Becker