hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 796

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 331/21, Beschluss v. 07.06.2022, HRRS 2022 Nr. 796


BGH 5 StR 331/21 - Beschluss vom 7. Juni 2022 (LG Flensburg)

Einziehung von Taterträgen (Erlangung „durch“ oder „für“ die Tat).

§ 73 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 19. Januar 2021, soweit es ihn betrifft,

im Schuldspruch im Fall II.5, Tat 8 der Urteilsgründe dahin geändert, dass er des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist;

im Ausspruch über die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 75.600 Euro angeordnet. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf eine Verfahrensbeanstandung und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Rüge der Verletzung der Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 1 StPO bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen der Erfolg versagt.

2. Die Sachrüge führt lediglich in einem Fall zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Darüber hinaus hat die umfassende Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

a) Der Schuldspruch im Fall II.5, Tat der Urteilsgründe hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand. Wie die Revision und der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt haben und wie letztlich auch das Landgericht - allerdings erst nach Urteilsverkündung - erkannt hat, ist es in diesem Fall nicht zu der für eine Abgabe erforderlichen Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf die Abnehmer gekommen (vgl. Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 829 mwN). Denn die vom Angeklagten beschafften Betäubungsmittel wurden sichergestellt, bevor er sie seinen Auftraggebern aushändigen konnte.

Der Angeklagte hat sich allerdings insoweit des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht, indem er die Betäubungsmittel für seine Abnehmer vorrätig hielt. Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts in analoger Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst umstellen; § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte insoweit nicht effektiver als geschehen hätte verteidigen können. Dies zeigt letztlich auch die Begründung seines Rechtsmittels zur Verfahrensrüge, in der er ausgeführt hat, seine Verteidigung hätte (bei Erfüllung der Hinweispflicht) darauf hingewiesen, dass in diesem Fall lediglich Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht komme.

Die Änderung des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Zum Fall II.5, Tat 8 hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift unter anderem ausgeführt:

Das Landgericht hat einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG angenommen (UA S. 200) und rechtsfehlerfrei eine weitere Verschiebung des Strafrahmens gemäß § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB verneint (UA S. 200 ff.). Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat es den Umstand, dass die Betäubungsmittel nicht in den Verkehr gelangt sind, sowohl bei der Festsetzung der Einzelstrafe (UA S. 202) als auch bei der Bemessung der Gesamtstrafe (UA S. 203) mildernd berücksichtigt […].

Dem folgt der Senat und schließt aus, dass das Landgericht bei einer von vornherein zutreffenden rechtlichen Würdigung ungeachtet des nur unwesentlichen Aufklärungserfolgs eine weitere Verschiebung des Strafrahmens vorgenommen, auf eine geringere Einzelstrafe oder eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte.

b) Die Einziehungsentscheidung gegen den Angeklagten kann keinen Bestand haben.

Das Landgericht hat hierzu angenommen, er habe für 27 der 28 von ihm an seine Auftraggeber abgegebenen Kilogramm Cannabis „zunächst Motorradteile sowie teilweise eine Aufwandsentschädigung von maximal 500,00 €“ erhalten und „im weiteren Verlauf der Geschäftsbeziehung sodann“ den vollen Einkaufspreis im Voraus. Bei einem Preis von 4 Euro pro Gramm hätten die überlassenen 27 kg Cannabis einen Ankaufswert von mindestens 108.000 Euro gehabt, wovon die Strafkammer „angesichts des Umstands, dass der Angeklagte F. nach seinen Angaben in der Anfangszeit den von ihm aufgewandten Einkaufspreis nur teilweise in Gestalt von Geld und Motorradteilen zur Deckung seiner Kosten erstattet erhalten“ habe, zu seinen Gunsten einen Sicherheitsabschlag von 30% vorgenommen hat und so zu dem Einziehungsbetrag von „jedenfalls“ 75.600 Euro gelangt ist.

aa) Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen sind die Voraussetzungen der Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB nicht dargetan, so dass es an der Grundlage für eine Wertersatzeinziehung nach § 73c StGB fehlt. Insoweit gilt:

Nach dieser Vorschrift sind „durch“ eine rechtswidrige Tat die Vermögenswerte erlangt, die dem Täter aus der Verwirklichung des Tatbestands selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen, insbesondere also seine Beute (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2021 - 5 StR 443/19 Rn. 86 mwN). „Für“ die Tat erlangt ist dagegen das, was der Tatbeteiligte als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt bekommt und dessen Erhalt nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruht (BGH aaO Rn. 96 mwN).

Nach diesen Maßgaben hat der Angeklagte durch den Erhalt des ihm vorab zur Verfügung gestellten Kaufgeldes nichts „für“ die Tat erlangt, denn das würde voraussetzen, dass er einen darüberhinausgehenden Tatlohn erhalten hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 2011 - 4 StR 25/11), was hier nach den Feststellungen gerade nicht der Fall war.

Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts hat der Angeklagte diese Geldbeträge aber auch nicht „durch“ die Tat erlangt. Soweit die Antragsschrift insoweit auf eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen den Abnehmern und dem Angeklagten abstellt, in deren Rahmen die Zahlungen der Vorfinanzierung des Ankaufs des Cannabis gedient hätten, kann sich aufgrund ihrer Nichtigkeit (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 15. April 2021 - 5 StR 371/20, NJW 2021, 1966, 1967 mwN) aus einer solchen Vereinbarung nichts zur Begründung dieser Auffassung ergeben.

Der Angeklagte hat die ihm vorab zur Verfügung gestellten Geldbeträge zudem nicht „durch“ die Abgabe, sondern zur Herstellung von deren Voraussetzungen - der Beschaffung der Betäubungsmittel - von seinen Auftraggebern erhalten. Die Überlegungen des Generalbundesanwalts, die Zahlungen seien dem Angeklagten „in einer Phase des Tatablaufs“ zugeflossen, weil der Erwerb des Cannabis, der Besitz daran und dessen anschließende Veräußerung ein einheitliches Geschehen bildeten, das als Bewertungseinheit zu beurteilen sei, nehmen nicht in den Blick, dass nach den bisher getroffenen Feststellungen dem Angeklagten die Geldbeträge zum Ankauf der Betäubungsmittel naheliegender Weise vor dem Erwerb und damit vor den als einheitliches Tatgeschehen angesehenen Vorgängen übergeben wurden; sie sind ihm mithin gerade nicht während des Tatablaufs zugeflossen.

Allenfalls die dem Angeklagten zu Beginn des Tatzeitraums übergebenen Motorradteile und Aufwandsentschädigungen, die ihm nicht ausschließbar nach einer Abgabe von Betäubungsmitteln an seine Auftraggeber zugewandt wurden, könnten danach durch die jeweilige Tat erlangt sein. Diese Vermögenszuflüsse hat die Strafkammer indes nicht beziffert, so dass dem Senat auch eine darauf gestützte, teilweise Aufrechterhaltung der Einziehungsanordnung nicht möglich ist.

bb) Er kann die Einziehungsanordnung nicht auf anderer Rechtsgrundlage bestehen lassen. Eine Einziehung des Kaufgelds als Tatmittel nach § 74 Abs. 1 StGB scheitert schon daran, dass dieses nicht mehr vorhanden ist. Eine Wertersatzeinziehung nach § 74c Abs. 1 StGB würde voraussetzen, dass das Geld dem Angeklagten zur Zeit der Tat gehörte oder zustand (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2010 - 5 StR 136/10, wistra 2010, 302 mwN). Dies ist nicht festgestellt und liegt auch nicht nahe, weil der Angeklagte mit dem ihm von den Abnehmern übergebenen Geld ausschließlich die später abzugebenden Drogen erwerben sollte.

cc) Nach alledem muss über die Einziehung neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat hat mit Blick auf die Unklarheiten, mit welchem Wert der Angeklagte zunächst Motorradteile und Aufwandsentschädigungen und ab wann er von seinen Auftraggebern vorab das Kaufgeld erhielt, die Feststellungen betreffend die Einziehungsentscheidung insgesamt aufgehoben, um der neuen Strafkammer eine in sich stimmige Entscheidung zu ermöglichen.

HRRS-Nummer: HRRS 2022 Nr. 796

Bearbeiter: Christian Becker