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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1240

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 162/21, Beschluss v. 27.10.2021, HRRS 2021 Nr. 1240


BGH 5 StR 162/21 - Beschluss vom 27. Oktober 2021 (LG Leipzig)

Änderung des Schuldspruchs bei Verurteilung wegen Herstellens kinderpornographischer Schriften.

§ 184b StGB

Entscheidungstenor

Der Antrag des Angeklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und auf Beiordnung des Verteidigers für das Adhäsionsverfahren in der Revisionsinstanz wird abgelehnt.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 10. Dezember 2020 im Einziehungsausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass

der Angeklagte im Fall 15 der Urteilsgründe des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Besitz kinderpornographischer Schriften schuldig ist,

Zinsen ab dem 6. November 2020 zu zahlen sind.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Herstellen kinderpornographischer Schriften in mehreren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, Adhäsionsentscheidungen getroffen sowie die Einziehung von Laptops und Festplatten des Angeklagten angeordnet. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Die Verfahrensrügen dringen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durch.

II.

Die Sachrüge führt zur Änderung des Schuldspruchs im Fall 15 der Urteilsgründe und der Adhäsionsentscheidung zugunsten der Nebenklägerin M. hinsichtlich des Zinsbeginns sowie zur Aufhebung des Einziehungsausspruchs.

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Herstellens kinderpornographischer Schriften im Fall 15 hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen veranlasste der Angeklagte die am 1. Mai 2006 geborene Nebenklägerin Sc. „mutmaßlich“ am 23. November 2014, ihm in aufreizender Pose ihren entblößten Genitalbereich und ihren Anus zu präsentieren. Hiervon fertigte er Fotos, die er auf seinem Laptop speicherte.

b) Das Landgericht hat die Tat zum einen - und insoweit rechtsfehlerfrei - als sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB gewertet. In Tateinheit hierzu stehend hat es den Angeklagten zum anderen wegen Herstellens kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Fassung vom 21. Januar 2015 verurteilt. Insofern hat es aber übersehen, dass die zur Tatzeit geltende Fassung der Strafvorschrift vom 31. Oktober 2014 eine später gestrichene Verwendungsabsicht voraussetzte und damit das nach § 2 Abs. 1 und 3 StGB anwendbare Recht darstellt. Auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen ist der Angeklagte im Fall 15 jedoch des zu dem Missbrauchsdelikt in Tateinheit stehenden Besitzes kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB in der Fassung vom 31. Oktober 2008 schuldig (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2018 - 3 StR 264/19, NStZ-RR 2020, 172, 173).

Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend geändert. Die Vorschrift des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

c) Die für Tat 15 verhängte Strafe kann bestehen bleiben, weil der Senat ausschließen kann, dass das Landgericht, das die Strafe rechtsfehlerfrei dem Strafrahmen des § 176 Abs. 4 StGB entnommen hat, den Angeklagten bei zutreffender rechtlicher Bewertung der kinderpornographischen Bildaufnahmen milder bestraft hätte.

2. Soweit die psychischen Folgen für die Nebenklägerin M. bei den Strafzumessungserwägungen erwähnt worden sind, besorgt der Senat nicht, dass das Landgericht diese Auswirkungen bei der Zumessung der Einzelstrafen mit vollem Gewicht berücksichtigt haben könnte (vgl. demgegenüber BGH, Beschlüsse vom 18. Februar 2021 - 2 StR 7/21; vom 5. November 2019 - 2 StR 469/19, NStZ 2020, 278).

3. Der Einziehungsausspruch kann nicht bestehen bleiben. Der Generalbundesanwalt hat insofern ausgeführt, dass zu besorgen sei, das Landgericht habe bei der Einziehungsentscheidung das ihm nach § 74 StGB zukommende Ermessen nicht ausgeübt, und hat deshalb insoweit die Aufhebung und Zurückverweisung beantragt. Dem kann sich der Senat nicht verschließen.

4. Betreffend den Zinsausspruch der Adhäsionsentscheidung zugunsten der Nebenklägerin M werden die Gründe der Antragsschrift des Generalbundesanwalts in Bezug genommen. Wie dort zutreffend ausgeführt ist, ist der Adhäsionsantrag erst am 5. November 2020 - und nicht schon mit dem am 24. Juli 2020 gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe - rechtshängig geworden (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2017 - 2 StR 536/16, StraFo 2017, 285); Zinsen sind daher gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1 sowie analog § 187 Abs. 1 BGB ab dem 6. November 2020 zu zahlen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. September 2019 - 3 StR 306/19).

III.

Dem Angeklagten war die beantragte Prozesskostenhilfe für das Adhäsionsverfahren in der Revisionsinstanz zu versagen, weil der Antrag die für die Gewährung erforderliche Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht enthält (§ 405 Abs. 5 Satz 1 StPO iVm § 117 Abs. 2, § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 1240

Bearbeiter: Christian Becker