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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 946

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 149/21, Beschluss v. 20.07.2021, HRRS 2021 Nr. 946


BGH 5 StR 149/21 - Beschluss vom 20. Juli 2021 (LG Lübeck)

Finaler Zusammenhang zwischen Gewaltanwendung und Wegnahme beim schweren Raub.

§ 249 StGB; § 250 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 8. Februar 2021 mit den Feststellungen aufgehoben; hiervon ausgenommen sind die Feststellungen zur gefährlichen Körperverletzung sowie zum übrigen äußeren Tatgeschehen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den Feststellungen kletterten am späten Abend des 5. August 2020 der Angeklagte und ein unbekannt gebliebener Mittäter durch ein angelehntes Fenster in eine Erdgeschosswohnung. Sie waren auf der Suche nach einem ihnen als Drogenhändler bekannten B. W., der dort eines der Zimmer bewohnte. Sie vermuteten, B. W. habe in dem Haus Drogen gelagert, und beabsichtigten, sich gewaltsam in deren Besitz zu bringen. In dem Zimmer, in das sie durch das von ihnen aufgestoßene Fenster stiegen, trafen der Angeklagte und sein Mittäter auf den weiteren Bewohner Wi., der bereits in seinem Bett lag. Einer der beiden ging auf Wi. zu, der das Einsteigen der Eindringlinge bemerkt hatte, und schlug ihm zur Unterbindung erwarteten Widerstands mit der Faust ins Gesicht. Sodann ergriff er einen neben dem Bett stehenden Baseballschläger und fragte, während er ihm damit auf den Kopf schlug und ihm weitere Faustschläge ins Gesicht versetzte, nach „B. “. Der andere Täter stand dabei in drohender Haltung sichernd daneben. Die Antwort des Geschädigten, nicht „B.“ zu sein, befriedigte die Angreifer nicht, und ihm wurde der Baseballschläger gegen den Hals gedrückt, so dass er Luftnot verspürte.

Der Angeklagte und sein Mittäter zerrten den durch die potentiell lebensgefährliche Gewalteinwirkung erheblich verletzten Wi. aus seinem Zimmer in den Wohnungsflur und fragten dabei weiter nach „B. “. Nachdem W. auf die Tür zum Zimmer seines Mitbewohners gezeigt hatte, trat einer der Täter die Tür ein und blickte sich kurz in dem Zimmer und den anderen Zimmern der Wohnung um, während der andere Täter bei Wi. blieb. Anschließend fesselten sie die Handgelenke ihres Opfers, das inzwischen schon nahezu das Bewusstsein verloren hatte und dies kaum mehr mitbekam, und brachten es eine Treppe hinunter in den Keller, wo sie ihn am Fuß der Treppe bewusstlos liegen ließen. Danach durchsuchten sie den Keller nach den von ihnen dort vermuteten Drogen, bevor sie vor der inzwischen eintreffenden Polizei vom Tatort flüchteten.

II.

Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen versuchten besonders schweren Raubes (§ 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3a StGB) nicht.

Insbesondere ist der notwendige finale Zusammenhang zwischen Gewaltanwendung und Wegnahme (vgl. hierzu näher BGH, Urteil vom 3. März 2021 - 2 StR 170/20, auch zu § 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB) nicht ausreichend belegt. Angesichts des Umstandes, dass die Gewaltanwendung zunächst wohl anderen Zwecken diente (dem Auffinden von „B. “), hätte es näherer Feststellungen zum subjektiven Vorstellungsbild des Angeklagten bedurft. Daran fehlt es. Unklar bleibt insbesondere, ob der Einsatz von Gewalt, etwa das Fesseln, aus Sicht des Angeklagten konkret der Ermöglichung der Wegnahme dienen sollte. Zu einer näheren und problembewussteren Erörterung des Tatentschlusses hätte aber angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles Anlass bestanden.

2. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des - für sich gesehen rechtsfehlerfreien - tateinheitlichen Schuldspruchs wegen gefährlicher Körperverletzung.

3. Die Feststellungen zur gefährlichen Körperverletzung sowie zum übrigen äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind möglich.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 946

Bearbeiter: Christian Becker