HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 818
Bearbeiter: Christian Becker
Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 121/21, Beschluss v. 22.06.2021, HRRS 2021 Nr. 818
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. November 2020 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Rüge einer Verletzung der Unterbrechungsfrist des § 229 Abs. 1 StPO ist unbegründet, weil sich das Vorgehen der Strafkammer jedenfalls nicht als willkürlich darstellt; eine Richtigkeitsprüfung über den Willkürmaßstab hinaus kommt aufgrund der Unanfechtbarkeit eines Feststellungsbeschlusses nach § 10 Abs. 1 Satz 2 EGStPO mit Blick auf § 336 Satz 2 StPO nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2020 - 4 StR 431/20, NStZ 2021, 186, 187). Hier ergibt sich aus dem Revisionsvorbringen nicht, dass die Voraussetzungen einer Hemmung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 EGStPO überhaupt nicht vorgelegen haben und diese durch das Landgericht deshalb willkürlich angenommen worden wären. Dies folgt auch nicht aus dem Umstand, dass sich der Vorsitzende Richter vom 7. bis 28. Mai 2020 nach einem erlittenen Herzinfarkt in stationärer Rehabilitationsbehandlung befand, denn es ist nicht auszuschließen, dass ihm die Teilnahme an einem - gegebenenfalls kurzen - Termin gleichwohl möglich gewesen wäre, um die Frist des § 229 Abs. 1 StPO zu wahren, wenn das Risiko einer solchen Terminswahrnehmung nicht wegen der Gefahr, sich mit dem SARSCoV-2-Virus zu infizieren, deutlich erhöht gewesen wäre. Die bewusst weit gefasste Regelung des § 10 Abs. 1 EGStPO greift aber mit der Folge der von Gesetzes wegen eintretenden Hemmung der Unterbrechungsfristen auch dann ein, wenn etwa die Beteiligung von zur Risikogruppe gehörenden Personen, wie beispielsweise Personen mit Grunderkrankungen, zu Schutzmaßnahmen führt, die eine weitere Durchführung der Hauptverhandlung verhindern (BT-Drucks. 19/18110, S. 32 f.).
Zur Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts wegen der Ablehnung des Antrags auf Vernehmung des Zeugen Y. gilt Folgendes: Nachdem die Strafkammer den Antrag dahin ausgelegt hatte, in das Wissen des Zeugen sei gestellt worden, dass der Geschädigte am Tattag ein Messer bei sich geführt habe, hätte es dem Angeklagten oblegen, ein - vermeintliches - Missverständnis des Landgerichts bezüglich der von ihm aufgestellten Behauptung auszuräumen; da er dies nicht getan hat, kann er die von ihm behauptete fehlerhafte Ablehnung des Antrags nicht mehr zum Gegenstand einer Verfahrensrüge machen (vgl. BGH, Urteile vom 17. Februar 1987 - 5 StR 552/86, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 3; vom 31. Mai 1994 - 5 StR 154/94, BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 30; vom 12. Mai 2005 - 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2243). Ein Fall, in dem eine solche Gegenvorstellung entbehrlich war, weil ein Missverständnis des Gerichts aufgrund der eindeutigen Formulierung des Antrags nicht nachvollzogen werden kann (vgl. dazu etwa BGH, Beschluss vom 6. März 2008 - 5 StR 617/07, NStZ 2008, 351, 352), liegt nicht vor; erst recht bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht - so aber das Revisionsvorbringen - die Beweisbehauptung nur deshalb sinnentstellend verkürzt habe, um den Ablehnungsgrund der Ungeeignetheit anwenden zu können: Entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts wäre es zumindest zweifelhaft gewesen, ob es sich - mangels einer bestimmten Beweisbehauptung - überhaupt um einen Beweisantrag im Sinne von § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO gehandelt hätte, wenn - wie in der Revisionsbegründung nunmehr behauptet - „eine Gewohnheit des Geschädigten, ein für ihn typisches Verhalten“ in das Wissen des Zeugen gestellt worden wäre. Da aus einer solchen Gewohnheit zudem allenfalls mittelbar auf das Verhalten des Geschädigten am Tattag hätte geschlossen werden können, lag zudem nicht fern, dass dies für die Entscheidung des Falles ohne Bedeutung gewesen wäre (§ 244 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 StPO). Angesichts dessen war die von der Strafkammer vorgenommene Auslegung des Antrags, die zur Annahme einer bestimmt behaupteten konkreten, die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffenden Tatsache - und damit jedenfalls zu einem Beweisantrag im Rechtssinne - führte, noch nachvollziehbar und deshalb nicht rechtsfehlerhaft; vielmehr beruhte diese - vom Angeklagten nunmehr als fehlerhaft gerügte - Auslegung auch auf der nicht eindeutigen Formulierung des Antrags in der Hauptverhandlung. Dies genügt, um die oben genannte Obliegenheit des Antragstellers zu begründen, ein etwaiges Missverständnis aufzuklären und seine Behauptung gegebenenfalls zu konkretisieren (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2008 - 3 StR 181/08, NStZ 2009, 171, 172 f.).
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 818
Externe Fundstellen: NStZ 2022, 698
Bearbeiter: Christian Becker