hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 601

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 76/20, Beschluss v. 15.04.2020, HRRS 2020 Nr. 601


BGH 5 StR 76/20 - Beschluss vom 15. April 2020 (LG Bremen)

Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (eigennützige Tätigkeit; Berücksichtigung des Gewichts des Tatbeitrags; untergeordnete Tätigkeit; Eigeninteresse bei Umsatzbeteiligung).

§ 29 BtMG; § 25 StGB; § 27 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Nicht jede eigennützige Förderung fremder Umsatzgeschäfte ist als täterschaftliches Handeltreiben im Sinne des § 29 BtMG anzusehen. Vielmehr gelten auch beim Betäubungsmittelhandel für die Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft und Beihilfe die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts, die es nicht zulassen, jede schon unter das Merkmal des Handeltreibens zu subsumierende Tätigkeit ohne Rücksicht auf ihr Gewicht für das Gesamtgeschehen und das Interesse des Beteiligten am Gelingen des Umsatzgeschäfts mittäterschaftlichem Handeltreiben gleichzusetzen. Danach deutet auch beim Betäubungsmittelhandel eine ganz untergeordnete Tätigkeit eines Tatbeteiligten im Rahmen eines Gesamtgeschäftes schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 24. Juli 2019 im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln schuldig ist, und im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision, die im Umfang der Beschlussformel Erfolg hat und im Übrigen im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet ist.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erklärte sich der Angeklagte Ende August 2018 gegenüber einer unbekannt gebliebenen Person bereit, für sie eine größere Menge Marihuana in seiner Wohnung etwa eine Woche lang aufzubewahren. Als Gegenleistung für seine Tätigkeit als „Bunkerhalter“ sollte er sich für seinen eigenen Konsum aus dem Vorrat bedienen dürfen. Daraufhin wurden mehrere Beutel mit insgesamt über zwei Kilogramm Marihuana in seine Wohnung verbracht. Noch bevor nach seinen eigenen Entnahmen zum Eigenkonsum das verbliebene Rauschgift (mit einer Wirkstoffmenge von 398 Gramm THC) wieder abgeholt werden konnte, wurde es bei einer Wohnungsdurchsuchung am 2. September 2018 sichergestellt.

In der Nacht zuvor hatte der Angeklagte insgesamt acht Verkaufseinheiten Kokain mit einem Gesamtgewicht von 3,8 Gramm zum gewinnbringenden Verkauf mit sich geführt, die bei einer Polizeikontrolle am frühen Morgen des 2. September 2018 sichergestellt wurden.

2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 BtMG hinsichtlich des in seiner Wohnung verwahrten Marihuanas hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Insoweit belegen die Feststellungen nicht ausreichend ein täterschaftliches Handeltreiben.

Mit der Erwägung des Landgerichts, dass der Angeklagte sich eigene Vorteile in Form eines kleinen Anteils an dem Betäubungsmittelvorrat versprochen habe und er deshalb auch ein eigenes Interesse an der Tat gehabt habe, ist zunächst nur die Eigennützigkeit als eine Voraussetzung des Handeltreibens dargelegt. Aber nicht jede eigennützige Förderung fremder Umsatzgeschäfte ist als täterschaftliches Handeln anzusehen (BGH, Beschluss vom 25. Mai 1994 - 2 StR 203/94, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 42 mwN). Vielmehr gelten auch beim Betäubungsmittelhandel für die Abgrenzung von (Mit-)Täterschaft und Beihilfe die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts, die es nicht zulassen, jede schon unter das Merkmal des Handeltreibens zu subsumierende Tätigkeit ohne Rücksicht auf ihr Gewicht für das Gesamtgeschehen und das Interesse des Beteiligten am Gelingen des Umsatzgeschäfts mittäterschaftlichem Handeltreiben gleichzusetzen. Danach deutet auch beim Betäubungsmittelhandel nach inzwischen ständiger Rechtsprechung eine ganz untergeordnete Tätigkeit eines Tatbeteiligten im Rahmen eines Gesamtgeschäftes schon objektiv darauf hin, dass der Beteiligte nur Gehilfe ist (vgl. BGH, Urteile vom 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06, BGHSt 51, 219, 221 f.; vom 7. Februar 2008 - 5 StR 242/07, NJW 2008, 1460; Beschlüsse vom 2. Februar 2010 - 3 StR 4/10, NStZ-RR 2010, 318; vom 12. August 2014 - 4 StR 174/14, NStZ 2015, 225; siehe zur Gehilfenstellung eines Beteiligten, der eigennützig seine Wohnung zur Verwahrung und Portionierung von Betäubungsmitteln zur Verfügung stellt, auch BGH, Urteil vom 29. September 1993 - 2 StR 397/93, BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 10).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Feststellungen des Landgerichts führt dazu, dass die vom Angeklagten entfaltete Tätigkeit eines bloßen Lagerhalters als Beihilfe zu werten ist. Der Angeklagte war in das eigentliche Umsatzgeschäft nicht eingebunden und leistete keinen über die Verwahrung des Marihuanas hinausgehenden Tatbeitrag. Ohne Gestaltungsmöglichkeit und Handlungsspielraum erschöpfte sich sein Tun mithin in einer untergeordneten Tätigkeit. Entgegen der Wertung des Landgerichts begründete auch der mit der vorübergehenden Lagerung verbundene Vorteil einer kleinen Eigenverbrauchsentnahme noch kein besonderes eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts, wie es etwa mit einer Umsatz- oder Gewinnbeteiligung verbunden wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 2014 - 4 StR 174/14, aaO).

3. Da weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hiergegen hätte verteidigen können.

4. Die Verringerung des Schuldumfangs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung eine noch niedrigere Strafe verhängt hätte.

5. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, weil diese vom vorliegenden Wertungsfehler nicht betroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).

6. Ergänzend ist zu den Strafzumessungsgründen des angefochtenen Urteils zu bemerken, dass sich die strafschärfende Berücksichtigung eines Bewährungsversagens in Bezug auf Vorstrafen, bei denen die Bewährungszeit abgelaufen war und nur noch der Beschluss über den Erlass der Strafe ausstand, als rechtsfehlerhaft erweist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. September 1991 - 4 StR 346/91; vom 6. September 2016 - 3 StR 283/16, StV 2018, 358 mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2020 Nr. 601

Bearbeiter: Christian Becker