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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 169

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 493/19, Urteil v. 25.11.2020, HRRS 2021 Nr. 169


BGH 5 StR 493/19 - Urteil vom 25. November 2020 (LG Leipzig)

Schwere Brandstiftung (Schäden an einem nicht unmittelbar dem Wohnen dienenden Gebäudeteil; brandbedingte Schäden in Kellerräumen; vollständiges oder teilweise Zerstören; Aufhebung der Zweckbestimmung; Reparaturarbeiten; nicht unerheblicher Zeitraum); Beweiswürdigung; Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

§ 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB; § 306a Abs. 1, Abs. 2 StGB; § 64 StGB; § 261 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Eine Strafbarkeit nach § 306a Abs. 2 StGB kommt auch dann in Betracht, wenn der tatbestandliche Erfolg lediglich an nicht unmittelbar dem Wohnen dienenden Gebäuden im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB bewirkt wird, aber dadurch eine konkrete Gefahr im Sinne des § 306a Abs. 2 StGB eintritt. Dementsprechend kann sich eine an einem Wohngebäude verübte Brandstiftung auch dann als schwere Brandstiftung im Sinne des § 306a Abs. 2 StGB erweisen, wenn zwar kein Wohnraum, aber ein anderer funktionaler Gebäudeteil durch Brandlegung teilweise zerstört wird. Hierfür genügen auch brandbedingte Schäden in Kellerräumen eines Wohnhauses, wenn diese wegen der Beeinträchtigung für einen gewissen Zeitraum nicht ihrer sonstigen Bestimmung entsprechend verwendet werden können.

2. Brandbedingte Schäden in einem Gebäude erfüllen nur dann die Voraussetzungen einer Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Variante des vollständigen oder teilweisen Zerstörens eines Gebäudes, wenn die Möglichkeit der Nutzung von Gebäudeteilen wenigstens für einzelne Zweckbestimmungen über eine nicht unbeträchtliche Zeit aufgehoben ist, ein für die ganze Sache zwecknötiger Teil unbrauchbar wird oder einzelne Bestandteile gänzlich vernichtet werden, die für einen selbständigen Gebrauch des Gebäudes bestimmt oder eingerichtet sind. Die Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit eines Kellers als Versorgungs- und Aufbewahrungsraum kann den Tatbestand des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllen, wenn die erforderlichen Reparaturarbeiten infolge brandbedingter Schäden einen nicht unerheblichen Zeitraum in Anspruch nehmen

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 8. April 2019 aufgehoben

im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II.2 der Urteilsgründe sowie über die Gesamtstrafe und

mit den zugehörigen Feststellungen, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung in sieben tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie wegen Sachbeschädigung in vier tateinheitlichen Fällen unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft dagegen, dass der Angeklagte in den Fällen II.1 und II.2 nicht wegen (schwerer) Brandstiftung oder jedenfalls eines diesbezüglichen Versuchs schuldig gesprochen, nicht in einer Entziehungsanstalt untergebracht sowie hinsichtlich des Anklagevorwurfs einer am 8. Mai 2018 begangenen weiteren Tat freigesprochen worden ist. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel des Angeklagten erzielt den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist es unbegründet. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist im vollen Umfang begründet und führt zur Aufhebung des Urteils samt den Feststellungen.

A.

Das Landgericht hat zu den Fällen II.1 und II. 2 der Urteilsgründe folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

I.

1. Der mehrfach und auch einschlägig vorbestrafte Angeklagte entzündete am 1. Februar 2018 im Kellerraum des von ihm mit seiner Lebensgefährtin bewohnten Mehrfamilienhauses mittels offener Flamme im eigenen Kellerabteil einen mit Federbetten gefüllten Plastikbeutel seiner Lebensgefährtin. Weiterhin versuchte er, in fremden Kellerboxen unter anderem Kartons sowie im Kellergang stehende Autoreifen in Brand zu setzen. Als er erkannte, dass „die Flamme“ selbständig weiterbrannte, verließ er vorübergehend das Haus. Nachdem er kurze Zeit später zurückgekehrt war, traf er auf einen vor dem Hintereingang des Wohnhauses stehenden Hausbewohner, der bereits auf Brandgeruch aufmerksam geworden war. Der Angeklagte schaute, Unwissenheit vortäuschend, im Keller nach, erkannte den von ihm verursachten Brandherd hinter der Kellertür und alarmierte telefonisch die Feuerwehr.

Infolge des Brandes gelangten über die Abluftanlage Rauchgase in die Küchen und Bäder der im Erdgeschoss liegenden Wohnungen zweier Mieter, die vorübergehende körperliche Beeinträchtigungen erlitten. Diese Gesundheitsschäden hätte der Angeklagte vorhersehen können. Im Keller lagerte sich Ruß ab. Die an der Kellerdecke verlaufenden Elektroleitungen und Abwasserrohre sowie verschiedene im Eigentum von Hausbewohnern stehende Gegenstände wurden durch Feuer, Hitzeeinwirkung und Löscharbeiten beschädigt oder zerstört. Der Gesamtschaden, der durch den Brand einschließlich erforderlicher Reinigungsarbeiten und einer Erneuerung von Versorgungsleitungen verursacht wurde, betrug gut 24.000 Euro. Noch am selben Tag wurden Notreparaturen durchgeführt, so dass es nicht zu Gebrauchseinschränkungen der Wohnungen kam. Den durch brandbedingte Beschädigungen ihrer Kellerboxen betroffenen Mietern wurden andere Lagermöglichkeiten im Kellergeschoss zugewiesen (Fall II.1).

2. Am Abend des 20. Mai 2018 entzündete der Angeklagte im Keller desselben Hauses mittels offener Flamme Gegenstände zwischen mehreren Kellerboxen. Anschließend verließ er den Keller. Ein Mieter alarmierte die Feuerwehr, als er Rauchwolken aus den Kellerfenstern aufsteigen sah. Durch den Brand wurden die Kellerboxen und der gesamte Kellereingang komplett und die Wohnungen zweier Mieter eines in demselben Wohnblock befindlichen Hausteils über einheitliche Abluftkanäle verrußt. Substanzschäden am Gebäude entstanden nicht. Reparaturen an den brandgeschädigten Versorgungsleitungen im Keller wurden infolge der Ermittlungsmaßnahmen erst zwei Tage später möglich. Die Mieter nutzten ihre Wohnungen allerdings weiter. Auch die beiden von Rußablagerungen betroffenen Wohnungen konnten weiterhin bewohnt werden. Die durch brandbedingte Beschädigung der Kellerboxen betroffenen Mieter erhielten andere Unterstellmöglichkeiten im Keller des Gebäudekomplexes. Es entstand ein Schaden von mehr als 15.000 Euro (Fall II.2).

II.

1. Die Strafkammer hat die Taten als Sachbeschädigungen, im Fall II.1 in Tateinheit mit zwei Fällen der fahrlässigen Körperverletzung, gewertet. In keinem der Fälle sei eine (schwere) Brandstiftung verwirklicht worden. Weder habe der Angeklagte einen Kellerraum eines Wohnhauses „in Brand gesetzt“ noch sei eine vollständige oder teilweise Zerstörung eines Gebäudes durch die Brandlegung eingetreten. Die kurzzeitige Zerstörung von im Keller verlaufenden Versorgungsleitungen genüge dafür nicht. Auch sei ein Gebäude im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht teilweise zerstört worden, weil der Keller zwar als zwecknötiger Teil des Wohngebäudes angesehen werden könne, jedoch die Beeinträchtigungen nur kurzzeitig gewesen seien. Die beschädigten Versorgungsleitungen seien im Fall II.1 noch am selben Tag und im Fall II.2 am zweiten Tag repariert worden, so dass die Versorgung der Wohnungen sichergestellt gewesen sei. Eine gewisse Verrußung einzelner Wohnungen habe ihren Gebrauch nicht beeinträchtigt. Die zeitweilige Unbenutzbarkeit einzelner Kellerboxen vermöge an dieser Wertung nichts zu ändern, da den Mietern während der Sanierungsarbeiten andere Kellerteile im Gebäudekomplex zur Verfügung gestellt worden seien.

2. Für die Annahme eines Versuchs der (schweren) Brandstiftung fehle es an einem dahingehenden Vorsatz. Dem Angeklagten, der „mit derartigen Situationen bereits Erfahrungen“ gehabt habe, sei der bauliche Zustand des Gebäudes bekannt gewesen. Er habe auch gewusst, dass die Brandschutztür geschlossen gewesen sei und sich zudem seine Lebensgefährtin zur Brandzeit im Gebäude aufgehalten habe. Aus diesem Grund scheide auch vorsätzliches Handeln hinsichtlich der im Fall II.1 verursachten Körperverletzungen aus. Zwar habe der Angeklagte solche als Folge seines Handelns erkennen müssen, aber weder gewollt noch billigend in Kauf genommen.

B.

Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat teilweise Erfolg. Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.

I.

Im Fall II.2 ist die Strafrahmenwahl mit einem Rechtsfehler behaftet, der zur Aufhebung der Einzelstrafe führt. Denn die Strafkammer hat die Strafe aus einem Strafrahmen mit einer Obergrenze von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe entnommen. Der Strafrahmen der insoweit allein abgeurteilten Sachbeschädigung nach § 303 StGB sieht aber lediglich Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren vor. Das Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO), denn der Senat kann trotz der milden Einzelstrafe nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des richtigen Strafrahmens auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

II.

Die Aufhebung der Einzelstrafe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Einer Aufhebung der von den Rechtsfehlern nicht betroffenen Feststellungen bedarf es zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht (§ 353 Abs. 2 StPO).

III.

Die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB hält revisionsrechtlicher Überprüfung ebenfalls nicht stand.

Die Begründung, mit der die Strafkammer die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt hat, lässt besorgen, dass sie die Voraussetzungen des § 64 StGB verkannt hat. Die Annahme eines Hangs im Sinne dieser Vorschrift setzt - entgegen der Auffassung des Landgerichts - eine Aufhebung oder Einschränkung der Schuldfähigkeit bei Tatbegehung nicht voraus. Dessen ungeachtet bestand nach den Feststellungen Veranlassung, sich näher mit der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auseinanderzusetzen. Nach der Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen liegt beim Angeklagten ein unkritischer Alkoholmissbrauch vor. Ferner war ihm bereits in der Vergangenheit eine „Neigung zu Inbrandsetzungen“ unter Alkoholeinfluss zugeschrieben worden (UA S. 22). Um einer solche Straftaten fördernden Konstellation entgegenzuwirken, war ihm im Rahmen der Führungsaufsicht ein Alkoholverbot auferlegt worden, an das er sich aber nicht hielt. Auch bei den hier gegenständlichen Taten stand der Angeklagte unter Alkoholeinfluss. Auf dieser Tatsachengrundlage liegt die Annahme eines Hangs und eines symptomatischen Zusammenhangs im Sinne des § 64 StGB nicht fern.

C.

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Das Urteil kann wegen unzulänglicher Feststellungen, Lücken und Widersprüchen in der Beweiswürdigung sowie Wertungsfehlern nicht bestehen bleiben.

I.

Zu Fall II.1 der Urteilsgründe:

1. Das Landgericht hat in diesem Fall rechtsfehlerhaft eine Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB verneint.

a) Im Ansatz zutreffend ist es allerdings davon ausgegangen, dass brandbedingte Schäden in einem Gebäude nur dann die Voraussetzungen einer Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der hier allein in Betracht kommenden Variante des vollständigen oder teilweisen Zerstörens eines Gebäudes erfüllen, wenn die Möglichkeit der Nutzung von Gebäudeteilen wenigstens für einzelne Zweckbestimmungen über eine nicht unbeträchtliche Zeit aufgehoben ist, ein für die ganze Sache zwecknötiger Teil unbrauchbar wird oder einzelne Bestandteile gänzlich vernichtet werden, die für einen selbständigen Gebrauch des Gebäudes bestimmt oder eingerichtet sind (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2018 - 4 StR 624/17 mwN). Hierfür genügen brandbedingte Schäden in Kellerräumen von Wohngebäuden, wenn diese für einen gewissen Zeitraum nicht ihrer sonstigen Bestimmung entsprechend verwendet werden können (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. April 2018 - 4 StR 624/17; vom 6. März 2013 - 1 StR 578/12; Urteil vom 17. November 2010 - 2 StR 399/10, BGHSt 56, 94, 96).

b) Die Ausführungen des Landgerichts, wonach es nur eine kurzzeitige Beeinträchtigung der Nutzbarkeit der Wohnungen infolge der Beschädigung von im Keller verlaufenden Versorgungsleitungen gegeben habe und im Übrigen den von brandbedingten Beeinträchtigungen der Kellerboxen betroffenen Mietern andere Unterstellmöglichkeiten zugewiesen worden seien, lassen besorgen, dass es von einem zu engen Begriff des Zerstörens im Sinne des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB ausgegangen ist.

Die Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit eines Kellers als Versorgungs- und Aufbewahrungsraum kann den Tatbestand des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllen, wenn die erforderlichen Reparaturarbeiten infolge brandbedingter Schäden einen nicht unerheblichen Zeitraum in Anspruch nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 2010 - 2 StR 399/10, BGHSt 56, 94, 96 [teilweise Zerstörung von Kellerboxen, Leitungen, Kellertüren, Verrußungen]; Beschluss vom 6. März 2013 - 1 StR 578/12 [Zerstörung von Stromleitungen und Stromzählern in einem Zählerraum]). Zu Recht beanstandet die Revision insoweit, dass im Urteil konkrete Angaben zu Art und Ausmaß der Zerstörungen im Kellerbereich insgesamt, insbesondere in Bezug auf die Versorgungsleitungen und Kellerabteile fehlen. Offen bleiben auch die hierdurch konkret entstandenen Gebrauchseinschränkungen des Kellers oder einzelner Kellerräume sowie die Dauer der Reparaturen und der auch dadurch entstandenen Beeinträchtigungen. Die wenigen in den Urteilsgründen hierzu niedergelegten Feststellungen lassen eine revisionsgerichtliche Prüfung nicht zu.

Der bloße Verweis auf andere „Lagermöglichkeiten“, die betroffenen Mietern im „Gebäudekomplex“ zur Verfügung gestellt wurden, und auf die kurzfristige Sicherstellung der Versorgung der Wohnungen mit Wasser und Strom mittels einer Notreparatur steht einer erheblichen Nutzungseinschränkung des Kellers nicht entgegen. Denn es kommt auf den konkret betroffenen Gebäudeteil und dessen Nutzungseinschränkung an. Dass hier Ersatzraum für die Mieter eines mehrere Wohneinheiten umfassenden Gebäudekomplexes bereitgestellt wurde, ist mithin rechtlich ohne Belang. Nach den Feststellungen waren jedenfalls Kellerboxen und Versorgungsleitungen zerstört oder beschädigt worden. Zudem war ausweislich des Brandursachenberichts der gesamte rechte Kellerbereich von Rauchgas betroffen. Die der Eigentümerin entstandenen Kosten für Reparatur und Reinigung beliefen sich auf mehr als 21.000 Euro, was für einen größeren Umfang der erforderlichen Schadensbeseitigung spricht.

c) Auch die Ablehnung des subjektiven Tatbestandes der Brandstiftung ist rechtsfehlerhaft. Die Annahme der Strafkammer, es fehle an einem entsprechenden Vorsatz des Angeklagten, beruht auf einer nicht tragfähigen Beweiswürdigung. So folgt schon aus den Feststellungen zum Sachbeschädigungsvorsatz, dass der Angeklagte im Keller willentlich Gegenstände entzündete und die durch den Brand verursachten Schäden an Einrichtungen im Keller zumindest billigend in Kauf nahm. Dann liegt aber nahe, dass der Angeklagte bedingten Vorsatz dahin hatte, dass das Feuer bei ungehindertem Brandverlauf auf benachbarte Kellerparzellen hätte übergreifen und zu einer teilweisen Zerstörung des Kellers infolge länger dauernder Nutzungseinschränkungen hätte führen können. Dies genügt zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes des § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB.

2. Die auf unzureichenden Erwägungen beruhende Ablehnung einer Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB hat dem Landgericht den Blick auf eine mögliche Strafbarkeit des Angeklagten wegen schwerer Brandstiftung verstellt.

a) Zwar liegen die Voraussetzungen des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht vor. Die festgestellte brandbedingte Beschädigung der Versorgungsleitungen im Keller, die noch am gleichen Tag vorläufig repariert wurden, stellt keine (teilweise) Zerstörung eines Wohngebäudes im Sinne des § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB dar, da es insoweit an einer Einschränkung der Nutzbarkeit der Wohnungen für eine beträchtliche Zeit fehlt (BGH, Beschlüsse vom 14. Januar 2014 - 1 StR 628/13; vom 6. Mai 2008 - 4 StR 20/08). Eine unmittelbar auf die Brandlegung zurückzuführende erhebliche Verrußung von Wohnungen, die zu Nutzungseinschränkungen für eine nicht unbeträchtliche Zeit führten (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 14. Januar 2014 - 1 StR 628/13 mwN), ist nach den insoweit rechtsfehlerfreien Feststellungen (vgl. zum eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfang BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - 1 StR 360/16; Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 StR 352/18) nicht eingetreten.

b) Allerdings kann sich der Angeklagte nach § 306a Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben.

aa) Eine Strafbarkeit nach § 306a Abs. 2 StGB kommt auch dann in Betracht, wenn der tatbestandliche Erfolg lediglich an nicht unmittelbar dem Wohnen dienenden Gebäuden im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB bewirkt wird, aber dadurch eine konkrete Gefahr im Sinne des § 306a Abs. 2 StGB eintritt (MüKoStGB/Radtke, 3. Aufl., § 306a Rn. 48 mwN). Dementsprechend kann sich eine an einem Wohngebäude verübte Brandstiftung auch dann als schwere Brandstiftung im Sinne des § 306a Abs. 2 StGB erweisen, wenn zwar kein Wohnraum, aber ein anderer funktionaler Gebäudeteil durch Brandlegung teilweise zerstört wird (BGH, Urteil vom 17. November 2010 - 2 StR 399/10, BGHSt 56, 94, 96; Beschluss vom 14. Januar 2014 - 1 StR 628/13 mwN). Hierfür genügen auch brandbedingte Schäden in Kellerräumen eines Wohnhauses, wenn diese wegen der Beeinträchtigung für einen gewissen Zeitraum nicht ihrer sonstigen Bestimmung entsprechend verwendet werden können. Die Feststellungen der Kammer zu dieser Frage sind lückenhaft (vgl. hierzu C.I.1.b).

bb) Für eine Gesundheitsgefahr im Sinne des § 306a Abs. 2 StGB genügen durch Raucheinwirkung verursachte Gesundheitsbeeinträchtigungen (MüKoStGB/Radtke, aaO Rn. 49). So liegt der Fall hier. Nach den Feststellungen befand sich im Keller des Wohnblocks die Abluftanlage für die in einem Wohnstrang übereinander liegenden Wohnungen. Bei einem Brand im Kellerbereich konnten sich giftige Rauchgase über die Abluftkanäle in Küchen und Bäder ausbreiten. So gelangte Rauchgas auch in die Küchen und Bäder der im Erdgeschoss wohnenden Mieter, die hierdurch körperliche Beeinträchtigungen erlitten.

cc) Nach den Feststellungen der Strafkammer liegt es nicht fern, dass der Angeklagte auch die subjektive Tatseite des § 306a Abs. 2 StGB verwirklichte. Das Landgericht hat den subjektiven Tatbestand der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit nicht tragfähiger Begründung verneint (vgl. oben C.I.1.c). In der Folge hat es sich - aus seiner Sicht konsequent - nicht damit auseinandergesetzt, dass für § 306a Abs. 2 StGB bereits ein Gefährdungsvorsatz ausreichend ist (MüKoStGB/Radtke, aaO Rn. 58). Dass der Angeklagte die Gefährdung von Mietern infolge der Brandlegung durch entstehende Rauchgase erkannte und billigend in Kauf nahm, ist angesichts seiner Erfahrungen mit Brandlegungen in bewohnten Gebäuden und den hierdurch verursachten Gesundheitsschäden bei den früheren Taten naheliegend. Im Einzelnen:

Nach den im angefochtenen Urteil mitgeteilten Feststellungen zu dem der einschlägigen Vorstrafe zugrundeliegenden Urteil legte der Angeklagte in zwei Fällen im Keller von Gebäuden Feuer, in einem Fall in einer von ihm selbst und anderen Bauarbeitern bewohnten Pension, wobei es zu Gesundheitsverletzungen von Personen durch Rauchgase kam. Hierbei war dem Angeklagten die Gefährdung von Menschenleben zumindest gleichgültig. Ähnlich lag der Fall hier, da der Angeklagte das Haus nach dem Entzünden der Gegenstände verließ. Angesichts dessen ist zu besorgen, dass die Strafkammer dem Umstand, dass sich die Lebensgefährtin des Angeklagten zur Brandzeit im Haus befand, ein zu großes Gewicht beigemessen hat.

Für einen Gefährdungsvorsatz spricht ferner, dass das Landgericht bei der Ablehnung des Brandstiftungsvorsatzes ausdrücklich darauf abgestellt hat, dass dem Angeklagten der Zustand des Gebäudes bekannt war. Dann bleibt aber offen, warum ihm die Möglichkeit des Rauchgaseintrags über die Abluftanlage im Keller verborgen geblieben sein sollte.

3. Sollte sich das Landgericht von einer vollendeten (einfachen) Brandstiftung nicht überzeugen können, wird es einen Versuch der schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 2 StGB gleichwohl zu prüfen haben. Soweit das Landgericht eine Strafbarkeit wegen versuchter (schwerer) Brandstiftung abgelehnt hat, erweist sich dies aus den oben genannten Gründen als nicht tragfähig.

4. Bei der Prüfung eines Körperverletzungsvorsatzes in Bezug auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der vom Rauchgas betroffenen Mieter wird das Landgericht die vorstehenden Maßgaben ebenfalls zu berücksichtigen haben.

II.

Zu Fall II.2 der Urteilsgründe:

Soweit das Landgericht in diesem Fall eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen eines vollendeten oder versuchten Brandstiftungsdelikts abgelehnt hat, leidet das Urteil unter denselben Rechtsfehlern wie im Fall II.1. Zwar kam es im Fall II.2 nicht zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung von Mietern; dies steht einem diesbezüglichen Vorsatz des Angeklagten aber nicht entgegen. Über die bereits aufgezeigten Rechtsfehler hinaus hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht darauf hingewiesen, dass der Angeklagte schon bei der ersten Tat Rauch in seiner im fünften Geschoss gelegenen Wohnung wahrgenommen hatte. Deshalb lag es nahe, dass er jedenfalls bei der späteren Tat solche Auswirkungen billigend in Kauf nahm, zumal es im Fall II.1 schon zu Gesundheitsbeeinträchtigungen von Mietern gekommen war.

III.

Zur Maßregelentscheidung:

Die Nichtanordnung der Maßregel nach § 64 StGB unterliegt auch auf die Revision der Staatsanwaltschaft der Aufhebung. Zur Begründung nimmt der Senat auf seine Ausführungen unter B.III. Bezug.

IV.

Zum Teilfreispruch:

Schließlich hält auch der Teilfreispruch revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten mit der Anklageschrift eine weitere vergleichbare Tat zur Last gelegt. Danach habe er am 8. Mai 2018 spätabends in einem Kellerraum des vorgenannten Gebäudekomplexes Gegenstände in einer Kellerbox mittels offener Flamme entzündet. Der hierdurch verursachte Brand habe zu starken Verrußungen des gesamten Kellerbereichs und der Wohnungen zweier Mieter sowie zu Beschädigungen der Versorgungsleitungen und abgestellter Gegenstände im Keller geführt. Für die Mieter der Erdgeschosswohnungen des von ihm bewohnten und des benachbarten Hauses habe die Gefahr des Einatmens von giftigen Brandgasen bestanden. Insgesamt sei - auch infolge der Löscharbeiten - ein Sachschaden in Höhe von gut 44.000 Euro entstanden.

2. Die Strafkammer hat hierzu folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Am Abend des Tattages nahm ein Hausbewohner Brandgeruch und aus der offenen Hoftür quellenden Rauch wahr. Das Feuer war auf eine Brandlegung im Keller zurückzuführen. Zu diesem Zeitpunkt lief der Angeklagte, der schon vor dem Hausbewohner von dem Brand im Keller wusste, mit einem Funkgerät herum und teilte auf Nachfrage wahrheitswidrig mit, die Feuerwehr sei bereits informiert und unterwegs. Tatsächlich hatte aber ein anderer Hausbewohner die Feuerwehr alarmiert, was der Angeklagte aber nicht wusste. Während des Löscheinsatzes gab er sich als „Einsatzleitung“ aus, sprach in ein Funkgerät und befragte herumstehende Personen nach ihren Wahrnehmungen zum Brandereignis.

b) Das Landgericht hat die für die Annahme einer Täterschaft des Angeklagten erforderliche Überzeugung im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gewinnen können. Zwar habe sich der nicht ausschließbar unter Alkoholeinfluss stehende Angeklagte in der Nähe des Brandortes aufgehalten und „vermutlich“ zeitlich die Möglichkeit gehabt, das Feuer zu legen. Auch habe er den Brand im Keller verortet. Zudem habe er sich auffällig verhalten, indem er in das von ihm (wie im Fall II.1) mitgeführte Funkgerät gesprochen und umherstehende Personen befragt habe, wodurch sein Drang, sich Bedeutung zu verleihen, dokumentiert werde. All diese Umstände genügten jedoch nicht, um den Angeklagten als überführt zu betrachten, da vernünftige Zweifel an der Täterschaft verblieben. Denn möglicherweise habe sich eine andere Hausbewohnerin im Tatzeitraum im Keller aufgehalten. Der Brand habe durch sie oder aber eine gänzlich andere Person gelegt werden können, da die vorangegangenen Brandereignisse zu einem Nachahmungseffekt geführt haben könnten.

3. Diese Ausführungen der Strafkammer lassen besorgen, dass sie überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat.

a) Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO), dessen Schlussfolgerungen nicht zwingend, sondern nur möglich sein müssen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob ihm Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Das Urteil muss erkennen lassen, dass das Tatgericht solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich zudem ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 - 4 StR 603/19; vom 3. Juni 2015 - 5 StR 55/15, NStZ-RR 2015, 255, 256, jeweils mwN).

Das Tatgericht darf Zweifeln keinen Raum geben, die lediglich auf einer abstrakt-theoretischen Möglichkeit gründen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2020 - 5 StR 165/20 mwN). Weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst ist es geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung auch dann, wenn eine nach den Feststellungen naheliegende Schlussfolgerung nicht gezogen wird, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können (BGH, Urteil vom 9. Januar 2020 - 3 StR 288/19 mwN).

b) Daran gemessen ist die Beweiswürdigung der Strafkammer in mehrfacher Hinsicht ungenügend.

Für ihre Annahme, auch ein Dritter habe die Brandstiftung als Nachahmungstäter begehen können, legt sie keine Anhaltspunkte dar; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.

Die Erwägung des Landgerichts, als Alternativtäterin komme eine Hausbewohnerin in Frage, die nach Wahrnehmung von zwei anderen Mietern abends in den Keller und anschließend wieder in ihre Wohnung gegangen sei, erweist sich mit Blick auf die Ausführungen im Fall II.1 als widersprüchlich. Dort hat die Strafkammer diese Hausbewohnerin mit rechtsfehlerfreier Begründung als Verursacherin ausdrücklich ausgeschlossen. Damit hat sich die Strafkammer bei der Begründung des Teilfreispruchs indes nicht mehr befasst, obwohl ihre Argumentation auch gegen eine Täterschaft der Hausbewohnerin am 8. Mai 2018 gesprochen hätte.

Angesichts dessen hätte das Landgericht, das im Ansatz erkannt hat, dass die äußeren Umstände der Brandentstehung am 8. Mai 2018 erhebliche Parallelen zu dem Geschehen bei den Taten II.1 und II.2 aufweisen, die zahlreichen, überwiegend für eine Täterschaft des Angeklagten sprechenden Beweisanzeichen nicht unter bloßem Hinweis auf diese Hausbewohnerin oder einen nur denktheoretisch möglichen weiteren Alternativtäter übergehen dürfen.

V.

Aufhebung der Feststellungen:

Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit der Angeklagte freigesprochen worden war, ist dies bereits deshalb geboten, weil er das Urteil nicht mit einem Rechtsmittel angreifen konnte; im Übrigen soll dem neuen Tatgericht eine umfassende, in sich stimmige Entscheidung ermöglicht werden.

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 169

Externe Fundstellen: NJW 2021, 2373; StV 2021, 249; StV 2021, 499

Bearbeiter: Christian Becker