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HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1111

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 403/19, Beschluss v. 14.08.2019, HRRS 2019 Nr. 1111


BGH 5 StR 403/19 (alt: 5 StR 411/18) - Beschluss vom 14. August 2019 (LG Leipzig)

Keine strafschärfende Berücksichtigung der fehlenden Erschütterung nach der Tat beim mit Tötungsabsicht handelnden Täter (innere Einstellung des Täters zur Tat oder zum verwirklichten Unrecht).

§ 212 StGB; § 46 StGB

Leitsatz des Bearbeiters

Bei einem mit Tötungsabsicht handelnden Täter ist das Fehlen von Erschütterung unmittelbar nach der Tat keineswegs erwartungswidrig und lässt daher keinen validen Rückschluss auf eine besondere innere Einstellung des Täters zu der Tat oder dem von ihm schuldhaft verwirklichten Unrecht zu. Eine strafschärfende Berücksichtigung dieses Umstands kommt unter diesen Voraussetzungen daher nicht in Betracht.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 11. März 2019 im Rechtsfolgenausspruch mit Ausnahme der für die Tat C.I.1 der Urteilsgründe verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Rechtsmittelkosten, an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision verworfen.

Gründe

Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 5. März 2018 wegen Mordes in zwei Fällen und Störung der Totenruhe in zwei Fällen zu lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Auf die im Übrigen verworfene Revision des Angeklagten hatte der Senat dieses Urteil hinsichtlich der Tötung B. ´ - insoweit waren die Feststellungen zum äußeren Geschehen aufrechterhalten worden -, der beiden Fälle der Störung der Totenruhe sowie in den Aussprüchen zur Gesamt 1 strafe und besonderen Schuldschwere aufgehoben (Beschluss vom 30. August 2018 - 5 StR 411/18). Nunmehr hat das Landgericht die Tötung als Totschlag verurteilt, hierfür eine zehnjährige Freiheitsstrafe festgesetzt, hieraus und aus der bereits rechtskräftigen lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes eine lebenslange Gesamtfreiheitstrafe festgesetzt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt erneut zur aus der Beschlussformel ersichtlichen teilweisen Urteilsaufhebung und ist im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Das Landgericht hat die beiden als Störung der Totenruhe angeklagten Fälle gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, zur Tötung B. ´ ergänzende Feststellungen getroffen und die Tat rechtsfehlerfrei als Totschlag (§ 212 Abs. 1 StGB) gewertet. Hingegen hält die Zumessung der zehnjährigen Freiheitsstrafe rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

„Rechtsfehlerhaft ist die strafschärfende Erwägung des Schwurgerichts, der Angeklagte habe nach der Tötung der B. seinen gewohnten Tagesablauf ohne emotionale Erschütterung fortgesetzt. Dieser Aspekt aus dem Nachtatverhalten des Angeklagten kann hier deswegen nicht zur Erhöhung der Strafe führen, weil er - anders als etwa der schimpfliche Umgang mit der Leiche - keinen validen Rückschluss auf eine besondere innere Einstellung des Täters zu der Tat oder dem von ihm schuldhaft verwirklichten Unrecht zulässt (vgl. dazu Fischer, StGB, 66. Aufl., § 46 Rdnr. 46). Zu bedenken ist im vorliegenden Fall, dass der Angeklagte nicht nur mit bedingtem Tötungsvorsatz, sondern der Sache nach mit Tötungsabsicht handelte. Ausgehend hiervon ist das Fehlen von Erschütterung unmittelbar nach der Tat keineswegs erwartungswidrig. Das gilt im Ergebnis auch für das Betrachten des Pornofilms; denn auch darin liegt keine Abwertung des Opfers oder eine augenfällige Bagatellisierung der Tat in böser Gesinnung. Gewiss: Ein solches Nachtatverhalten wirkt moralisch abstoßend; von Rechts wegen ist es indessen kein belastbarer Strafschärfungsfaktor.“

Dem kann sich der Senat nicht verschließen; die für den Totschlag verhängte Einzelstrafe hat keinen Bestand. Dies entzieht zudem den Aussprüchen über die Gesamtstrafe und die besondere Schwere der Schuld die Grundlage. Jedoch können die Feststellungen bestehen bleiben, da lediglich Wertungsfehler inmitten stehen.

Der Schriftsatz der Verteidigung vom 12. August 2019 hat bei der Beratung dem Senat vorgelegen.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 1111

Externe Fundstellen: NStZ 2019, 657

Bearbeiter: Christian Becker