hrr-strafrecht.de - Rechtsprechungsübersicht


HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 148

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 648/18, Beschluss v. 10.01.2019, HRRS 2019 Nr. 148


BGH 5 StR 648/18 - Beschluss vom 10. Januar 2019 (LG Berlin)

Besorgnis der Befangenheit aufgrund von Gesprächen außerhalb der Hauptverhandlung mit einzelnen Angeklagten unter Ausschluss von Mitangeklagten (außerordentliche Zurückhaltung; umfassende und unverzügliche Transparenz; Recht auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren; Vorwurf der bandenmäßigen Begehung; nachteilige Auswirkung eines möglichen Geständnisses auf Mitangeklagte; Verständigung; Geständnis; Sanktionsschere).

§ 24 StPO; § 257c StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Außerhalb der Hauptverhandlung geführte Gespräche mit einzelnen Angeklagten unter Ausschluss von Mitangeklagten sind allenfalls bei Wahrung außerordentlicher Zurückhaltung zulässig. Dabei ist stets eine umfassende und unverzügliche Information aller Verfahrensbeteiligten über die Durchführung und den Inhalt des Gesprächs zu gewährleisten, um von vorneherein jedem Anschein der Heimlichkeit sowie der hieraus entstehenden Besorgnis der Befangenheit vorzubeugen und dem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren Rechnung zu tragen.

2. Die Besorgnis der Befangenheit aufgrund eines auf Anregung des Gerichts mit einem Angeklagten unter Ausschluss von Mitangeklagten geführten Gesprächs kann insbesondere dort begründet sein, wo sämtliche Angeklagte einer gemeinsamen (hier: bandenmäßigen) Begehung angeklagt sind und deren Voraussetzungen bestreiten. Unter diesen Umständen liegt es nahe, dass sich das Geständnis eines Angeklagten zu Lasten der anderen auswirkt. Werden daher mit einem Angeklagten nichtöffentliche Gespräche geführt, die auch die Möglichkeit eines Geständnisses beinhalten, ist aus Sicht der übrigen Angeklagten zu besorgen, dass auf diesem Wege ihre Tatbeteiligung ohne ihre Kenntnis gleichsam mitverhandelt wird.

Entscheidungstenor

Auf die Revisionen der Angeklagten A. A. und H. A. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. Juni 2018, soweit diese Angeklagten betroffen sind, mit den Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 22 Fällen schuldig gesprochen, den Angeklagten A. A. darüber hinaus des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen. Gegen den Angeklagten A. A. hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verhängt, gegen den Angeklagten H. A. eine solche von vier Jahren. Den nicht revidierenden Angeklagten N. hat es wegen bandenma?ßigen Handeltreibens mit Beta?ubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Daneben hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen das Urteil richten sich auf inhaltsgleiche Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revisionen der Angeklagten A. A. und H. A. Die Rechtsmittel haben mit einer Befangenheitsrüge Erfolg (§ 338 Nr. 3 StPO).

1. Folgendes Geschehen liegt zugrunde:

Mit der Anklage wurde den zunächst sieben, sich sämtlich in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten vorgeworfen, zwischen 14. Dezember 2016 und 26. April 2017 in unterschiedlicher Tatbeteiligung mehrfach als Mitglied einer Bande mit Heroin und Kokain Handel getrieben zu haben. Dem nach der Anklage und den Urteilsfeststellungen als „Bandenchef“ fungierenden Angeklagten N. wurde bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 41 Fällen zur Last gelegt, davon in sechs Fällen in nicht geringer Menge.

An den ersten beiden Hauptverhandlungstagen räumten alle Angeklagten den Betäubungsmittelhandel im Wesentlichen ein, stellten aber in Abrede, Mitglieder einer Bande gewesen zu sein. Vor Beginn des dritten Hauptverhandlungstages am 8. November 2017 bat der Vorsitzende einen der Verteidiger des Angeklagten N. zum Richtertisch und teilte ihm mit, dass er nach dem Ende der Sitzung gern mit ihm und dem anderen Verteidiger des genannten Angeklagten in seinem Dienstzimmer sprechen würde.

In der Sitzung wurde eine Polizeibeamtin vernommen. Zudem wurden umfangreiche Unterlagen der Telekommunikationsüberwachung an die Verfahrensbeteiligten übergeben, die im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführt werden sollten. Am Ende des Verhandlungstages wurde die Hauptverhandlung wegen eines Erholungsurlaubes des Vorsitzenden bis zum 27. November 2017 unterbrochen.

Nach der Sitzung fanden sich die beiden Verteidiger im Dienstzimmer des Vorsitzenden ein. Anwesend war ferner der Berichterstatter. Der Vorsitzende wies darauf hin, dass das Gespräch nicht der Vorbereitung einer Verständigung nach § 257c StPO diene. Nach seiner Einschätzung war den Gesprächsteilnehmern bewusst, dass lediglich die Einlassung des Angeklagten N. erörtert werden solle. Der Vorsitzende bemerkte, dass die Einlassung zwar bereits sehr umfangreich sei, in ihrer bisherigen Form jedoch kein Geständnis im Sinne der Anklage darstelle. Eine erhebliche Strafmilderung komme aber nur in Betracht, wenn ein umfassendes Geständnis bereits am Anfang des Verfahrens vorläge. Bei Bestätigung der Anklage in vollem Umfang nach durchgeführter Beweisaufnahme stehe eine Gesamtfreiheitsstrafe „von sieben Jahren plus minus x“ im Raum. Selbst bei einem Gesta?ndnis im Sinne der Anklage komme ungeachtet weiterer Strafmilderungsgründe eine Freiheitsstrafe von unter vier Jahren keinesfalls in Betracht, wobei diese Einschätzungen unter dem Vorbehalt der Erörterung der Angelegenheit mit der gesamten Kammer stehe. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine durch den Angeklagten geleistete Aufklärungshilfe in Bezug auf einen anderweitig Verfolgten zu einer weiteren Strafmilderung führe, könne derzeit nicht beurteilt werden. Der Berichterstatter stimmte diesen Ausführungen zu. Auf den Hinweis eines Verteidigers, dass der Angeklagte N. aufgrund der familiären Verbundenheit nichts über seinen mitangeklagten Onkel Ha. sagen wolle, erwiderte der Vorsitzende, dass es jedem Angeklagten freistehe, selbst zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er sich äußere. Auch über eine Haftverschonung wurde gesprochen. Der Vorsitzende bat die Gesprächsteilnehmer, über das Gespräch Stillschweigen zu wahren, wobei über den Zeitpunkt und den exakten Inhalt dieser Bitte unterschiedliche Darstellungen der Richter einerseits und der beteiligten Rechtsanwälte andererseits existieren. Über den Gesprächsverlauf fertigten die Richter keinen Vermerk.

Am 24. November 2017 fand in der Justizvollzugsanstalt auf dessen Bitte ein Gespräch des Angeklagten Ha. mit seinen Verteidigern statt. Ha. teilte seinen Verteidigern mit, dass er von seinem Neffen N. über das Gespra?ch vom 8. November 2017 unterrichtet worden sei. „Das Gericht“ habe dessen Verteidiger zu sich bestellt und ihnen einen „Deal“ angeboten. Wenn N. umfassend auch in Bezug auf die anderen Angeklagten gestehe und zugebe, dass die Angeklagten eine Bande gewesen seien, komme eine Strafe von etwas mehr als vier Jahren heraus, wegen Angaben bezüglich eines anderweit Verfolgten vielleicht sogar eine solche von nur etwas mehr als drei Jahren. Andernfalls drohe eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und mehr. Nach einem Hinweis der Verteidiger auf die familia?ren Verha?ltnisse, habe das „Gericht“ gemeint, es sei kein Problem, wenn der Angeklagte N. zu seinem Onkel keine Angaben mache und nur die anderen belaste. Der Angeklagte N. habe ihn darauf hingewiesen, dass es sich um ein vertrauliches Gespräch zwischen den Richtern sowie den Rechtsanwälten handele und sie nur dem Angeklagten N. darüber berichten dürften.

Am 23. November 2017 verlegte der Berichterstatter den Beginn der Sitzung vom 27. November 2017 wegen Problemen mit den Sitzungssälen von ursprünglich 11 Uhr auf 13.30 Uhr. Er lud drei weitere Dolmetscher für die arabische Sprache mit dem Klammerzusatz: „für etwa einstündige Verteidigungsgespräche H. A. und A. A., Ha., K. “.

Um 12.42 Uhr des 27. November 2017 ging auf der Geschäftsstelle der Strafkammer ein Schriftsatz der Verteidiger des Angeklagten Ha. ein, in dem dieser den Vorsitzenden und die berufsrichterlichen Beisitzer aufgrund des am 8. November 2017 geführten Gesprächs wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnte. Diese Besorgnis ergebe sich namentlich daraus, dass das gesamte Gespräch auf Heimlichkeit ausgerichtet gewesen sei und den übrigen Verfahrensbeteiligten nicht zur Kenntnis habe gegeben werden sollen. Zudem sei die dem Angeklagten N. in Aussicht gestellte Straferwartung nebst Haftverschonung an die Bedingung einer drittbelastenden geständigen Einlassung geknüpft worden, wobei von einer unzulässigen „Sanktionsschere“ auszugehen sei.

In der Sitzung schloss der Vorsitzende zunächst das Selbstleseverfahren ab. Danach stellte der Verteidiger des Angeklagten Ha. den Befangenheitsantrag. Der Vorsitzende unterbrach die Hauptverhandlung und hob die Fortsetzungstermine vom 29. November und 4. Dezember 2017 auf. Den Inhalt des Gesprächs vom 8. November 2017 teilte er nicht mit.

In der Folge schlossen sich unter anderem die Beschwerdeführer dem Befangenheitsantrag des Angeklagten Ha. an, wobei die Befangenheitsanträge, teilweise später, durchgehend auf den Vorsitzenden und den Berichterstatter beschränkt wurden.

In dienstlichen Stellungnahmen bestätigten der Vorsitzende und der Berichterstatter den Ablauf des Gesprächs mit dem vorgenannten Inhalt. Zu der Frage, von wem das Gespräch initiiert worden sei, und zur Bitte um Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung verhielten sie sich allerdings nicht. Sie wiesen darauf hin, dass beabsichtigt gewesen sei, Tatsache und Inhalt des Gesprächs in der ersten Sitzung nach dem Urlaub des Vorsitzenden bekannt zu machen. Dies sei jedoch nach Einlegung des Befangenheitsantrages nicht mehr „opportun“ gewesen. Ferner habe die Planung bestanden, im weiteren Verlauf des Hauptverfahrens auch mit den anderen Angeklagten die Inhalte ihrer Einlassungen zu erörtern.

Nach Abgabe von anwaltlichen Erklärungen der beiden Verteidiger des Angeklagten N. und Eingaben anderer Verfahrensbeteiligter erstellten der Vorsitzende und der Berichterstatter auf Aufforderung jeweils ergänzende Stellungnahmen. Sie legten darin offen, dass das Gespräch auf Bitte des Vorsitzenden geführt worden sei. Der Vorsitzende bestätigte, dass er die Gesprächsbeteiligten darum gebeten habe, bis zu seiner Rückkehr Stillschweigen über das Gespräch zu wahren. Dies habe er getan, weil er habe vermeiden wollen, dass die nicht informierten Verfahrensbeteiligten den nunmehr durch den Ablehnungsantrag unterstellten Eindruck gewinnen könnten, es habe an ihnen vorbei eine „heimliche“ Absprache getroffen werden sollen. In gleicher Weise äußerte sich der Berichterstatter. Letzterer betonte unter anderem, er habe für jeden der ausschließlich arabisch sprechenden Angeklagten einen gesonderten Dolmetscher geladen, damit diese auch den Umstand eines vorab durchgeführten Gesprächs ohne Zeitverzug mit ihren Verteidigern direkt und zeitnah erörtern könnten. Er äußerte sich darüber hinaus umfangreich zu den aufgeworfenen Rechtsfragen.

Mit Beschluss vom 7. Dezember 2017 hat die Strafkammer in der Besetzung mit anderen als den abgelehnten Richtern die gegen den Vorsitzenden und den Berichterstatter gerichteten Befangenheitsgesuche unter anderem der hiesigen Angeklagten als unbegründet zurückgewiesen. Es begegne keinen rechtlichen Bedenken, dass die abgelehnten Richter mit den Verteidigern des Angeklagten N. ein Gespräch außerhalb der Hauptverhandlung geführt hätten, in dem es auch darum gegangen sei, den Verteidigern die vorläufige Einschätzung der abgelehnten Richter über die rechtlichen Folgen darzulegen, mit denen der Angeklagte N. im Fall eines unveränderten Einlassungsverhaltens einerseits und im Falle eines umfassenden Geständnisses im Sinne der Anklage einschließlich der Schilderung der Tatbeiträge der übrigen Angeklagten andererseits unter Umständen zu rechnen habe. Bei den genannten Straferwartungen handele es sich trotz der durchaus erheblichen Differenz um vertretbare Rechtsfolgen. Dass eine Verständigung nach § 257c StPO wegen der Einordnung als minder schwere Fälle vielleicht nicht hätte geschlossen werden dürfen, stelle für sich genommen keinen Befangenheitsgrund dar. Gleiches gelte für die Bitte um Vertraulichkeit. Die dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter seien diesbezüglich schlüssig und erklärten nachvollziehbar, warum um Vertraulichkeit gebeten worden und dass beabsichtigt gewesen sei, die übrigen Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit im Rahmen des Fortsetzungstermins am 27. November 2017 entsprechend zu informieren.

2. Die zulässig erhobenen Rügen der Verwerfung der Gesuche zur Ablehnung des Vorsitzenden und des Berichterstatters führen zur Aufhebung des Urteils.

Nach § 24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die dessen Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 10. November 1967 - 4 StR 512/66, BGHSt 21, 334, 341 mwN; vom 23. Januar 1991 - 3 StR 365/90, BGHSt 37, 298, 302). Danach haben die Beschwerdeführer den Vorsitzenden und den Berichterstatter mit Recht abgelehnt.

a) Der Bundesgerichtshof hat schon mehrfach darauf hingewiesen, dass bei außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gesprächen mit einzelnen Angeklagten unter Ausschluss von Mitangeklagten besondere Zurückhaltung geübt werden muss, um jeden Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 1990 - 3 StR 121/89, BGHSt 37, 99, 103 ff.; vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 301/07, NStZ 2008, 229; vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, StV 2011, 72, 73). Dies galt hier in besonderem Maße. Sämtliche Angeklagten, darunter die Beschwerdeführer, hatten die tatsächlichen Voraussetzungen einer Bande im Sinne von § 30 Abs. 1 Nr. 1, § 30a Abs. 1 BtMG bestritten. Es lag auf der Hand, dass sich das vom Vorsitzenden angesprochene „Gesta?ndnis im Sinne der Anklage“ durch den Angeklagten N., das aus Sicht der abgelehnten Richter für ihn eine bis um drei Jahre geminderte Gesamtfreiheitsstrafe zu rechtfertigen vermochte, zum Nachteil der Beschwerdeführer auswirken konnte. Schon aufgrund dieser Verfahrenslage drängte sich auf, dass bei den am Gespräch nicht beteiligten Beschwerdeführern berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Richter aufkommen konnten; denn aus ihrer Sicht stand zu befürchten, dass auf Betreiben der abgelehnten Richter ihre Tatbeteiligung hinter verschlossenen Türen und ohne ihre Kenntnis gleichsam mitverhandelt würde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 1990 - 3 StR 121/89, aaO, S. 104; vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, aaO).

b) Dem Vorsitzenden hätte es deshalb oblegen, eine umfassende und unverzügliche Information aller Verfahrensbeteiligter über die Durchführung und den Inhalt des Gesprächs zu gewährleisten, um von vorneherein jedem Anschein der Heimlichkeit sowie der hieraus entstehenden Besorgnis der Befangenheit vorzubeugen und dem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren Rechnung zu tragen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 1990 - 3 StR 121/89, aaO; vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 287/10, aaO). Der insoweit „unverzüglich“ herzustellenden Transparenz stand jedoch vorliegend bereits entgegen, dass der nächste Hauptverhandlungstag, an dem nach den dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter die Information hätte stattfinden sollen, wegen des Erholungsurlaubs des Vorsitzenden erst nach knapp drei Wochen stattfinden würde. Den damit naheliegenden Weg einer im Termin vom 8. November 2017 vorab erteilten Information, dass geplant sei, mit dem Angeklagten N. und danach mit den Mitangeklagten Gespra?che „zur Erörterung ihrer Einlassung“ zu führen, hat der Vorsitzende nicht beschritten. Er hat die Verteidiger des Angeklagten N. im Gegenteil gebeten, das Gespräch vertraulich zu behandeln. Dies war - wie auch der weitere Verlauf erweist - geeignet, den Eindruck einer „Geheimabsprache“ nochmals zu versta?rken.

c) Das danach berechtigte Misstrauen der Beschwerdeführer, bei dem unter Ausschluss ihrer Verteidiger geführten Gesprächs seien ihnen zum Nachteil gereichende Umstände erörtert worden, ist durch die abgelehnten Richter in der Folge auch nicht ausgeräumt worden (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 1 StR 301/07, NStZ 2008, 229; vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08, NStZ 2009, 159, 160; vom 4. März 2009 - 1 StR 27/09, NStZ 2009, 701).

aa) Die Gelegenheit, die gebotene umfassende Information im vorgenannten Sinne eingangs des Termins vom 27. November 2017 nachzuholen, hat der Vorsitzende nicht genutzt. Der Senat kann nicht nachvollziehen, aus welchem Grund diese Verfahrensweise angesichts des Befangenheitsantrages nicht mehr „opportun“ gewesen sein könnte.

bb) Im Ergebnis das Gleiche gilt für die (ersten) dienstlichen Stellungnahmen der abgelehnten Richter. Denn diese verhielten sich nicht zu dem in den Ablehnungsgesuchen als zentral herausgestellten Vorwurf einer „Geheimabsprache“. Sie legten auch nicht offen, von wem die Initiative für das Gespräch ausgegangen war. Die Offenbarung auch dieser Umstände erfolgte erst auf eine ausdrückliche Aufforderung im Ablehnungsverfahren. Auch aus Sicht eines verständigen Angeklagten vermochte dieses zögerliche Verhalten die Zweifel an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter damit nicht mehr zu entkräften.

d) Nach alledem kann dahingestellt bleiben, ob die Vorgehensweise der abgelehnten Richter unter dem Aspekt einer unzulässigen Verfahrensabsprache auch gegenüber den Beschwerdeführern einen eigenständigen Befangenheitsgrund ergeben würde (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 23. Januar 1991 - 3 StR 365/90, aaO, S. 302 ff.; BeckOK StPO/Cirener, Stand: 15. Oktober 2018, § 24 Rn. 24 ff.; LR/Siolek, 27. Aufl., § 24 Rn. 58 ff.), was deswegen nicht fernliegt, weil das durch den Vorsitzenden initiierte und unter Ausschluss anderer Verfahrensbeteiligter geführte Gespräch über eine bloße Erörterung des Verfahrensstandes hinausging (zur Abgrenzung BGH, Beschluss vom 14. April 2015 - 5 StR 9/15, NStZ 2015, 535, 536 f.).

3. Die Sache bedarf bezüglich der Beschwerdeführer mithin insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung. Insoweit weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts wird das neu verhandelnde Tatgericht - unter Umständen im Wege der Schätzung - durchgehend Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der gehandelten Betäubungsmittel treffen müssen. Denn hierauf kann für eine sachgerechte und schuldangemessene Bemessung der jeweils verwirkten Strafe regelmäßig nicht verzichtet werden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25. September 2018 - 5 StR 251/18 Rn. 24 mwN).

b) Angesichts dessen, dass der Unrechtsgehalt des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln auch dadurch geprägt wird, ob und inwieweit die gehandelten Drogen in den Verkehr gelangt sind (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1801 mwN), werden die Einzelstrafen differenzierter zu bemessen sein, als dies im angefochtenen Urteil geschehen ist.

HRRS-Nummer: HRRS 2019 Nr. 148

Externe Fundstellen: NJW 2019, 793; NStZ 2019, 223; StV 2019, 310

Bearbeiter: Christian Becker