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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 121

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 490/15, Beschluss v. 25.11.2015, HRRS 2016 Nr. 121


BGH 5 StR 490/15 - Beschluss vom 25. November 2015 (LG Leipzig)

Fehlende Dokumentation der Ermessenserwägungen bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung.

§ 66 StGB

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 13. Mai 2015 nach § 349 Abs. 4 StPO im Maßregelausspruch aufgehoben.

Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels - mit Ausnahme der Auslagen der Nebenklägerin -, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision dieses Angeklagten und die Revision des Angeklagten W. gegen das vorbezeichnete Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) als unbegründet verworfen, dass bei dem Angeklagten W. die jeweils tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften entfällt.

Der Angeklagte W. hat die Kosten seines Rechtsmittels und beide Angeklagten haben die der Nebenklägerin durch ihre Revisionen entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1. Das Landgericht hat beide Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, den Angeklagten W. darüber hinaus „in Tateinheit mit Verbreitung kinderpornographischer Schriften, des sich Verschaffens kinderpornographischer Schriften sowie der Verbreitung kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit Besitz von kinderpornographischen Schriften in acht Fällen“ schuldig gesprochen. Der Angeklagte D. ist zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und der Angeklagte W. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden; darüber hinaus hat das Landgericht gegen den Angeklagten D. dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

2. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführten Revisionen der Angeklagten haben lediglich im Umfang der Beschlussformel Erfolg.

Der Maßregelausspruch gegen den Angeklagten D. hat keinen Bestand. Gemäß § 66 Abs. 3 StGB ist die Entscheidung über die Anordnung der Sicherungsverwahrung in das Ermessen des Tatgerichts gestellt. Daher müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass und aus welchen Gründen es von seiner Entscheidungsbefugnis in einer bestimmten Weise Gebrauch gemacht hat (BGH, Beschluss vom 4. Januar 1994 - 4 StR 718/93, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 5). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Den die Anordnung der Sicherungsverwahrung betreffenden Ausführungen lässt sich nicht eindeutig entnehmen, dass sich die Strafkammer des ihr eingeräumten Ermessens überhaupt bewusst war. Das Landgericht beschränkt sich lediglich darauf, die gesetzlichen Voraussetzungen von § 66 Abs. 3 StGB zu beschreiben. Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung um eine Maßregel mit besonders nachhaltiger Eingriffsintensität handelt, ist eine ausdrückliche Dokumentation der Ermessenserwägungen in Bezug auf die Anordnung der Sicherungsverwahrung - deren materielle Voraussetzungen freilich nahe liegen - nicht entbehrlich.

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 121

Bearbeiter: Christian Becker