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HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 1028

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 314/15, Beschluss v. 02.09.2015, HRRS 2015 Nr. 1028


BGH 5 StR 314/15 - Beschluss vom 2. September 2015 (LG Kiel)

Vermögensschaden beim Abschluss von kreditfinanzierten Autokaufverträgen unter Vorlage gefälschter Verdienstbescheinigungen als Bonitätsnachweis (Kreditbetrug; Eingehungsbetrug; schadensgleiche Vermögensgefährdung; konkrete Schadensbezifferung; Risikoungleichgewicht; Verlustrisiko; Bonität; bankübliche Bewertungsansätze; Wertberichtigung; tatsächlicher Verlauf des Darlehensverhältnisses; Schädigungsvorsatz;).

§ 263 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Ist bei einem Eingehungsbetrug - hier: Erlangung von Krediten zur Finanzierung eines Autokaufs - aufgrund der fehlenden Bonität des Schuldners und nicht ausreichender Sicherheiten konkret erkennbar, dass mit einem (teilweisen) Forderungsausfall zu rechnen ist, müssen gegebenenfalls Korrekturen - etwa entsprechend banküblicher Bewertungsansätze für Wertberichtigungen - vorgenommen werden (vgl. BVerfG HRRS 2012 Nr. 27), die ihrerseits ungeachtet der praktischen Schwierigkeiten ihrer Ermittlung auch im Rahmen der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden können, ohne dass es auf den tatsächlichen Verlauf des Darlehensverhältnisses (noch) ankommt.

2. Bei der täuschungsbedingten Kreditvergabe ist der Schaden des Darlehensnehmers durch eine Bewertung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts zu ermitteln, für dessen Berechnung maßgeblich ist, ob und in welchem Umfang den Kreditgeber ein höheres Ausfallrisiko trifft, als es bestanden hätte, wenn die risikobestimmenden Faktoren vom Darlehensnehmer zutreffend angegeben worden wären. In diesem Zusammenhang ist auch die Werthaltigkeit etwaiger Sicherheiten - hier: die Sicherungsübereignung der kaufvertragsgegenständlichen Fahrzeuge - in den Blick zu nehmen und wirtschaftlich in Ansatz zu bringen.

3. Von einem Schädigungsvorsatz i.S.d. § 263 StGB ist nicht ohne weiteres bereits dann auszugehen, wenn ein Kredit unter Vorlage gefälschter Verdienstbescheinigungen beantragt wird. Vielmehr ist zu bedenken, dass die Bonität des Kreditnehmers auch dann gegeben sein kann, wenn diese nicht durch entsprechende Unterlagen nachweisbar ist. Bestehen hierfür Anhaltspunkte - hier: häufige Einzahlungen hoher Geldbeträge ungeklärter Herkunft -, so bedarf eine Einlassung des Täuschenden, er habe auf seine Rückzahlungsfähigkeit vertraut, im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung regelmäßig einer plausiblen Widerlegung, bevor der Schädigungsvorsatz bejaht werden kann.

Entscheidungstenor

Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 3. Februar 2015 nach § 349 Abs. 4 StPO unter Aufrechterhaltung der Feststellungen aufgehoben

hinsichtlich dieses Angeklagten im Schuldspruch im Fall 1 der Urteilsgründe, im Strafausspruch in den Fällen 3, 5 und 8 der Urteilsgründe, im Ausspruch über die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO und im Gesamtstrafausspruch,

gemäß § 357 Satz 1 StPO hinsichtlich des Mitangeklagten G. im Strafausspruch im Fall 5 der Urteilsgründe, im Ausspruch über die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO und im Gesamtstrafausspruch,

gemäß § 357 Satz 1 StPO hinsichtlich des Mitangeklagten H. im Strafausspruch in den Fällen 5 und 8 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten S. wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten S. - unter Freispruch im Übrigen - wegen „Betruges in sechs Fällen, wegen versuchten Betruges in zwei Fällen, wegen Unterschlagung, wegen Vortäuschens einer Straftat sowie Anstiftung zum Vortäuschen einer Straftat in zwei Fällen, Anstiftung zur falschen Versicherung an Eides Statt und wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Zudem hat es festgestellt, dass Ansprüche von Verletzten der Anordnung von Wertersatzverfall entgegenstehen, und den Betrag des Erlangten mit 198.780 Euro beziffert.

Den nicht revidierenden Mitangeklagten G. hat das Landgericht wegen Betruges in zwei Fällen, wegen versuchten Betrugs in zwei Fällen sowie wegen Vortäuschens einer Straftat unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass Ansprüche von Verletzten der Anordnung von Wertersatzverfall entgegenstehen; den Betrag des Erlangten hat es mit 48.500 Euro beziffert.

Der nicht revidierende Mitangeklagte H. ist wegen Betruges in zwei Fällen, wegen versuchten Betruges in zwei Fällen sowie wegen Anstiftung zur Vortäuschung einer Straftat zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt worden.

Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten S. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Die Revision des Angeklagten S. führt zudem hinsichtlich der nichtrevidierenden Mitangeklagten zur Aufhebung des Urteils in dem in der Beschlussformel ersichtlichen Umfang (§ 357 Satz 1 StPO).

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

a) Am 30. März 2011 bestellte der Angeklagte S. beim Autohaus B. einen Mercedes 350 für 61.880 Euro, den er über einen Kredit der M. -B. finanzierte. S. verfügte zwar über erhebliche Geldmittel, deren Herkunft und Umfang nicht festgestellt werden konnte (UA S. 6). Ihm war jedoch bewusst, dass der Kredit nur gewährt werden würde, wenn er ein zuverlässiges regelmäßiges Einkommen nachweisen könnte. Deshalb reichte er bei Kreditantragsstellung eine gefälschte Gehaltsbescheinigung ein, die ein monatliches Einkommen von rund 2.200 Euro auswies. Nach Anzahlung von 16.500 Euro erhielt S. das Fahrzeug. Die vertraglich vereinbarten Kreditraten von monatlich 699,35 Euro bei einer Laufzeit von drei Jahren und einer Schlussrate von 26.000 Euro bediente er bis Dezember 2012 (Fall 1).

Spätestens im November 2012 plante S., den Pkw bei der HU. wahrheitswidrig als gestohlen zu melden, um die Versicherungssumme aus der im April 2011 abgeschlossenen Kaskoversicherung zu erlangen. Zu diesem Zweck meldete er am 25. November 2012 den Diebstahl des Fahrzeugs bei der Polizei (Fall 2 a) und zeigte ihn am 29. November 2012 bei der Versicherung an. Im Vertrauen auf die Richtigkeit seiner Angaben, zahlte der Versicherer 35.168,71 Euro an die M. -B. und 5.101,46 Euro an den Angeklagten (Fall 2 b). Tatsächlich hielt der Angeklagte den Pkw versteckt, um Teile für andere Fahrzeuge zu verwenden.

b) Am 15. August 2012 veranlasste S. den anderweitig verfolgten F., ebenfalls beim Autohaus B. einen von der M. -B. finanzierten Mercedes 350 für 59.900 Euro zu erwerben. Um dessen tatsächlich nicht vorhandene Kreditwürdigkeit nachzuweisen, übergab S. dem F. eine gefälschte Gehaltsbescheinigung, die ein monatliches Nettogehalt von etwa 2.150 Euro auswies. Nach Abschluss des Darlehensvertrages und einer Anzahlung von 14.000 Euro, die S. dem F. aushändigte, erhielt F. den Pkw, den er absprachegemäß S. überließ. Dieser „sorgte dafür“, dass F. die monatlichen Kreditraten von 660,06 Euro bei einer Laufzeit von drei Jahren und einer vorgesehenen Schlussrate von 26.955 Euro bis Mai 2013 bedienen konnte. Die offene Forderung der M. -B. gegenüber F. betrug im Juni 2014 noch 43.668,16 Euro (Fall 3).

S. hatte vor, die Kreditraten lediglich für eine „gewisse Zeit“ zu zahlen und das an den Kreditgeber sicherungsübereignete Fahrzeug an einen gutgläubigen Erwerber zu veräußern. Zu diesem Zweck veranlasste er, dass F. am 10. Oktober 2012 bei der Zulassungsbehörde eine „falsche eidesstattliche Versicherung mit dem Inhalt abgab, dass er die Zulassungsbescheinigung für das Fahrzeug verloren habe und es nicht verpfändet oder sicherungsübereignet sei. F. wurde eine neue Zulassungsbescheinigung ausgestellt (Fall 4 a). Am 28. Januar 2013 verkaufte S. das Fahrzeug in Zusammenwirken mit F. für 49.000 Euro an einen gutgläubigen Dritten (Fall 4 b).

c) Anfang 2013 beauftragte S. den Mitangeklagten H., ihm einen weiteren „Käufer“ für einen Mercedes zu vermitteln. H. stellte den Kontakt zu dem Mitangeklagten G. her, der nicht erwerbstätig war und Geld benötigte. Entsprechend dem gemeinsamen Tatplan begab sich G. am 19. Januar 2013 mit einer von S. besorgten gefälschten Gehaltsbescheinigung über ein monatliches Nettoeinkommen von 1.934,52 Euro zum Autohaus B. und schloss mit der M. -B. einen Darlehensvertrag (Anzahlungsbetrag von 10.000 Euro, dreijährige Laufzeit mit monatlichen Raten zu 538,99 Euro) zum Kauf eines Mercedes 350 für 48.500 Euro ab. S. gab G. den Anzahlungsbetrag und sorgte dafür, dass G. die Kreditraten bis einschließlich Dezember 2013 zahlen konnte. Absprachegemäß überließ G. dem Angeklagten S. das Fahrzeug. Die Restforderung der M. -B. gegenüber G. beläuft sich auf 7.419,44 Euro (Fall 5).

Am 9. April 2013 verursachte S. mit weiteren Personen mit dem Pkw einen „gestellten“ Unfall. G. machte bei der Haftpflichtversicherung einen Schaden von 9.920,89 Euro geltend. Der Haftpflichtversicherer zog jedoch den von den Unfallbeteiligten behaupteten Unfallhergang in Zweifel und verweigerte die Zahlung (Fall 6).

Am 24. November 2013 meldete G. auf Veranlassung S. s das Fahrzeug bei der Polizei als gestohlen (Fall 7a). Einen Tag später zeigte er den Diebstahl des Pkw bei seiner Kaskoversicherung an, die den Schaden am 15. Januar 2014 regulierte und der M. -B. 28.314,12 Euro erstattete (Fall 7 b).

d) Im April 2013 vermittelte H. dem Angeklagten S. seinen Bekannten N., der lediglich über eine monatliche Rente von 575 Euro verfügte, als möglichen „Erwerber“ eines weiteren Fahrzeuges. N. begab sich am 16. April 2013 mit einer von S. beschafften gefälschten Gehaltsbescheinigung, die ein monatliches Nettogehalt von 3.311,85 Euro auswies, zum Autohaus B., bestellte einen Mercedes zum Kaufpreis von 77.000 Euro und schloss mit der M. -B. einen Darlehensvertrag über 74.816,40 Euro bei einer Laufzeit von drei Jahren und monatlichen Raten von 933,05 Euro und einer Anzahlung von 12.600 Euro ab. Die Anzahlung leistete S., dem auch das Fahrzeug übergeben wurde. S. plante die Raten „nicht vollständig“ zu bezahlen, sondern zunächst einen Unfall vorzutäuschen und das Fahrzeug später - nach einer Diebstahlsanzeige und Geldmachung des Diebstahlsschadens - „verschwinden“ zu lassen (Fall 8).

Ende Mai 2013 verursachte S. mit dem Pkw mit Hilfe eingeweihter Beteiligter zwei Kollisionen mit dem Fahrzeug des vorgeblichen Unfallgegners. Dessen Haftpflichtversicherung regulierte den geltend gemachten Schaden am Fahrzeug wegen Zweifeln am Unfallhergang jedoch nicht. Auf Betreiben S. s wurde die Schadensforderung gerichtlich geltend gemacht (Fall 9). Auf Veranlassung S. s zeigte N. am 27. Januar 2014 den angeblichen Diebstahl des Fahrzeugs bei der Polizei an. Anschließend machte er den Diebstahlsschaden auf Veranlassung S. s bei seiner Kaskoversicherung geltend. Diese regulierte den Schaden jedoch nicht, weil N. sich am 31. Januar 2014 selbst anzeigte und zugab, dass der Diebstahl des Pkw vorgetäuscht war (Fall 10).

e) Bei der Durchsuchung der vom Angeklagten S. genutzten Wohnung wurden am 19. April 2014 ein Schlagring und eine Gaspistole aufgefunden (Fall 11).

2. In den Fällen 1, 3, 5 und 8 hat das Landgericht den Angeklagten S. und die Mitangeklagten - soweit sie beteiligt waren - wegen Betruges verurteilt. Zur Darlegung des Vermögensschadens hat die Strafkammer ausgeführt, dass es bei der Erlangung eines Kredits darauf ankomme, „ob sich zum Zeitpunkt der Verfügung nach Maßgabe der vertraglichen Einigung gleichwertige Gegenleistungen gegenüberstehen, ob also die Gegenleistung oder der Anspruch auf sie einen Wert hat, der dem vom Verfügenden vorausgesetzten wirtschaftlichen Wert entspricht“. Beim „Kreditbetrug“ sei davon auszugehen, dass die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs des Darlehensgebers durch die Bonität bestimmt sei. Dadurch entstehe (spätestens) mit Auszahlung der Darlehensvaluta ein Schaden in Form einer Vermögensgefährdung, wenn die vorgespiegelte Rückzahlungsmöglichkeit nicht bestehe. So „lägen die Dinge auch hier, denn auf Seiten der M. -B. bestand aufgrund der gefälschten Gehaltsbescheinigung die Vorstellung, dass die ratenweise Rückzahlung des Darlehens durch die regelmäßig eingehenden Gehaltszahlungen“ des Darlehensnehmers „gesichert war, was in Wahrheit nicht der Fall war“.

3. Die Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 1 sowie jeweils zur Aufhebung des Strafausspruchs in den Fällen 3, 5 und 8.

a) Im Fall 1 hält die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges bereits deshalb sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil das Landgericht den Betrugsvorsatz beweiswürdigungsrechtlich nicht hinreichend belegt (§ 261 StPO). Der Angeklagte hat sich dahin eingelassen, dass er im Fall 1 den Pkw zwar nicht in einer Summe habe bezahlen können, jedoch ausreichend Geld zur Verfügung gehabt habe, um die Anzahlung und die nachfolgenden Raten zahlen zu können. Seine Vermögensverhältnisse habe er aber nicht nachweisen können. Deshalb habe er zur Darstellung seiner Kreditwürdigkeit eine gefälschte Gehaltsbescheinigung bei Beantragung des Darlehens vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt habe er nicht vorgehabt, den Darlehensgeber zu betrügen; auf die Idee, das Fahrzeug als gestohlen zu melden, habe ihn erst später der Mitangeklagte H. gebracht.

Diese Einlassung hat das Landgericht nicht widerlegt. Es geht selbst davon aus, dass der Angeklagte bei Vertragsabschluss über „erhebliche“ Geldmittel ungeklärter Herkunft verfügte, so dass allein durch die Vorlage einer gefälschten Gehaltsbescheinigung bei erfolgter Tilgung der Raten über einen Zeitraum von 20 Monaten nicht ohne Weiteres auf einen Betrugsvorsatz geschlossen werden kann. Die Feststellung, dass der Angeklagte seit 2010 keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachging, jedoch im Zeitraum 2008 bis Oktober 2013 eine Vielzahl von Bareinzahlungen auf seine Konten vornahm, um Überweisungen zu ermöglichen, ist jedenfalls nicht geeignet, einen Betrugsvorsatz zu belegen. Entsprechendes gilt für die strafzumessungsrechtlich angestellte Erwägung, dass eine „Steigerung des Unrechts von Autokauf zu Autokauf (Fälle 1, 3, 5, 8)“ stattgefunden habe. Denn die spätere Begehung ähnlicher Taten lässt keinen hinreichenden Schluss zu, dass das „System“ bereits bei dem zeitlich vorgelagerten Fall 1 vom Angeklagten praktiziert wurde.

b) In den Fällen 3, 5 und 8 - ebenso auch im Fall 1 - hält die Darstellung des eingetretenen Vermögensschadens rechtlicher Prüfung nicht stand.

Unter Beachtung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2011 (BVerfGE 130, 1) bedarf es im Falle eines Eingehungsbetrugs einer ausreichenden Beschreibung und Bezifferung des täuschungsbedingten Vermögensschadens. Da speziell beim Eingehungsbetrug die Schadenshöhe entscheidend von der Wahrscheinlichkeit und vom Risiko eines zukünftigen Verlustes abhängt, setzt die Bestimmung eines (Mindest-)Schadens voraus, dass die Verlustwahrscheinlichkeit tragfähig eingeschätzt wird (vgl. BVerfGE aaO, S. 48 f.). Denn ist aufgrund der fehlenden Bonität des Schuldners und nicht ausreichender Sicherheiten konkret erkennbar, dass mit einem (teilweisen) Forderungsausfall zu rechnen ist, müssen gegebenenfalls Korrekturen - etwa entsprechend banküblicher Bewertungsansätze für Wertberichtigungen - vorgenommen werden, die ihrerseits ungeachtet der praktischen Schwierigkeiten ihrer Ermittlung auch im Rahmen der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden können, ohne dass es auf den tatsächlichen Verlauf des Darlehensverhältnisses (noch) ankommt (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 13. April 2012 - 5 StR 442/11, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 76; vom 4. Februar 2014 - 3 StR 347/13, StraFo 2014, 166; und vom 20. Mai 2014 - 4 StR 143/14, wistra 2014, 349).

Gemessen daran erweist sich bereits die Schadensdarstellung des Landgerichts als unzureichend. Es geht wohl von einer schadensgleichen Vermögensgefährdung in Höhe der jeweiligen, in den Fällen 1, 3 und 5 überdies nicht bezifferten Darlehensbeträge aus. Ob hiervon die für den Autokauf geleisteten Anzahlungsbeträge in Abzug gebracht wurden, wird nicht mitgeteilt. Gleiches gilt für die - naheliegend zu bejahende - Frage, ob in den Fällen 1, 5 und 8 die Fahrzeuge an die M. -B. sicherungsübereignet wurden.

Unzutreffend ist auch die Ansicht des Landgerichts, hinsichtlich der Höhe des Vermögensschadens allein auf die bei Beantragung des Darlehens vorgelegte gefälschte Gehaltsbescheinigung des jeweiligen Darlehensnehmers abstellen zu können, um einen Gefährdungsschaden in voller Höhe des Darlehensbetrages anzunehmen, weil der Rückzahlungsanspruch aufgrund des in Wahrheit nicht bestehenden Beschäftigungsverhältnisses nicht der vertraglich vorausgesetzten Werthaltigkeit entspreche. Der betrugsbedingte Vermögensschaden hätte vielmehr durch eine Bewertung des täuschungsbedingten Risikoungleichgewichts ermittelt werden müssen, für dessen Berechnung maßgeblich ist, ob und in welchem Umfang die das Darlehen ausreichende M. - B. ein höheres Ausfallrisiko trifft, als es bestanden hätte, wenn die risikobestimmenden Faktoren vom Darlehensnehmer zutreffend angegeben worden wären. In diesem Zusammenhang hätte auch die Werthaltigkeit etwaiger Sicherheiten - wie die Sicherungsübereignung der Fahrzeuge - in den Blick genommen und wirtschaftlich in Ansatz gebracht werden müssen.

4. In den Fällen 3, 5 und 8 schließt der Senat aus, dass überhaupt kein Schaden entstanden ist. Da der Rechtsfehler somit allein in der unterbliebenen konkreten Bezifferung des Schadensumfangs liegt, sind insoweit lediglich die Strafaussprüche aufzuheben. Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 1 und die Aufhebung der Strafaussprüche in den Fällen 3, 5 und 8 ziehen die Aufhebung der gegen den Angeklagten verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und der Feststellungsentscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO nach sich. Hinsichtlich letzterer Entscheidung ist zudem mangels Darstellung nicht nachvollziehbar, ob der Betrag des Erlangten im Sinne dieser Vorschrift zutreffend berechnet wurde.

5. Die Aufhebung des Urteils zugunsten des Angeklagten S. erstreckt sich im Fall 5 und 8 auf den Mitangeklagten H. und im Fall 5 auf den Mitangeklagten G. Die insoweit verhängten Einzelfreiheitsstrafen und die Gesamtfreiheitsstrafen - beim Mitangeklagten G. auch die Entscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO - sind daher aufzuheben (§ 357 Satz 1 StPO).

6. Einer Aufhebung der Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) bedarf es nicht, weil sie von den Rechtsfehlern nicht betroffen sind. Ergänzende, hierzu nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind insbesondere zur Darstellung und Bezifferung des Schadensumfangs zu treffen.

HRRS-Nummer: HRRS 2015 Nr. 1028

Externe Fundstellen: StV 2017, 99

Bearbeiter: Christian Becker