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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 970

Bearbeiter: Christian Becker

Zitiervorschlag: BGH, 5 StR 332/14, Urteil v. 28.08.2014, HRRS 2014 Nr. 970


BGH 5 StR 332/14 - Urteil vom 28. August 2014 (LG Lübeck)

Heimtücke bei offen feindseligem Angriff nur, wenn Opfer trotz Erkennens der Gefahr wegen kurzer Zeitspanne keine Abwehrmöglichkeit bleibt.

§ 211 StGB

Entscheidungstenor

Die Revisionen der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 31. März 2014 werden verworfen.

Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die gegen das Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 13. August 2014 als unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Auch die Revisionen der Nebenkläger bleiben ohne Erfolg.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der auf die Sachrüge gestützten Rechtsmittel hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten ergeben. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts lässt sich den Urteilsfeststellungen schon nicht mit hinreichender Deutlichkeit die für die Annahme des Mordmerkmals der Heimtücke erforderliche Arglosigkeit des - mehrere Abwehrverletzungen aufweisenden - Opfers entnehmen. Hierfür wäre bei dem festgestellten offen feindseligen Angriff nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass dem Opfer wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Erkennen der Gefahr und unmittelbarem Angriff keine Möglichkeit der Abwehr verblieben ist (vgl. etwa BGH, Urteile vom 4. Juni 1991 - 5 StR 122/91, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 15 mwN, insoweit in BGHSt 37, 397 nicht abgedruckt; vom 15. September 2011 - 3 StR 223/11, NStZ 2012, 35). Zu einem derart abrupten Tatverlauf verhalten sich die Urteilsgründe jedoch nicht. Die anderweitigen Ausführungen des Generalbundesanwalts beruhen auf eigenen Wertungen, die im Revisionsverfahren nicht gehört werden können. Entsprechendes gilt für das angesichts der möglichen Spontantat in einer spannungsgeladenen Situation in Verbindung mit der bei dem Angeklagten diagnostizierten psychischen Störung (UA S. 19 ff.) nicht etwa naheliegende Ausnutzungsbewusstsein im Zeitpunkt der Tat. Bei dem hier zugrunde zu legenden Sachverhalt begründet es nach alledem keinen Erörterungsmangel, dass sich die Schwurgerichtskammer, die das Mordmerkmal der Heimtücke erwogen hat (UA S. 22), nicht ausdrücklich mit dem durch den Generalbundesanwalt aufgeworfenen Aspekt auseinandergesetzt hat. Zureichende Anhaltspunkte für das Vorliegen anderer Mordmerkmale sind - insoweit in Einklang mit der Meinung des Generalbundesanwalts - nicht vorhanden.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 970

Bearbeiter: Christian Becker